Diplom-Ingenieur Matthias Kappis wurde 1966 in Lahr geboren, wo er auch heute noch wohnt. Foto: Gräff

Interview: Landtagskandidat der Liberalen findet es furchtbar mit Ängsten der Bürger zu spielen

Mittleres Kinzigtal - Derzeit werben die Parteien auch in der Region um Stimmen für die Landtagswahl am 13. März. In Interviews fühlt der SchwaBo den Wahlkreiskandidaten immer samstags auf den Zahn. Heute bezieht Matthias Kappis (FDP) Stellung.

Herr Kappis, der Wiedereinzug der FDP in den Landtag ist noch fraglich und Sie selbst werden dort auch im Fall eines guten Ausgangs für ihre Partei wohl kaum sitzen. Warum tun Sie sich den Wahlkampf trotzdem an?

Gute Frage (lacht). Der Hauptgrund ist, dass ich als langjähriges Mitglied und Stadtverbandsvorsitzender in Lahr inhaltlich voll hinter der FDP und dem liberalen Gedanken stehe.

Wie viel Zeit investieren Sie für den Wahlkampf?

Das ist unterschiedlich. Pro Woche sind es aber ungefähr 20 bis 30 Stunden. Und nebenbei muss natürlich auch noch die alltägliche Arbeit weiterlaufen.

Im Kinzigtal gibt es nur in Gutach einen FDP-Ortsverband. Wer hängt eigentlich hier für die Liberalen die Plakate auf?

Mit Sicherheit werden die Gutacher vieles machen, aber den Rest organisieren wir von Lahr aus. Es wird sich daher nicht vermeiden lassen, dass ich auch selbst Hand anlegen werde.

Vor fünf Jahren nutzte Fukushima den Grünen, nun profitiert die AfD vom Flüchtlingsthema. Welches Thema müsste stärker in den Fokus rücken, damit die FDP Aufwind bekäme?

Die Themen, für die die FDP steht, sind relativ zeitlos. Aber sie sind nicht täglich präsent oder werden nicht an die große Glocke gehängt. Mit dem Freiheitsgedanken ist es beispielsweise so wie mit der Gesundheit. Man merkt erst, was man an ihr hatte, wenn man sie nicht mehr hat. Wir stehen auch für möglichst wenig Bevormundung durch den Staat und für so viel Eigenverantwortung wie möglich. Freiheit und Eigenverantwortung lassen sich aber weit schwerer in emotionale Bilder fassen als das Flüchtlingsthema oder Fukushima.

Was ist Ihre Meinung zum großen Themenkomplex Flüchtlinge?

Die geltenden Asylgesetze sind gut und ich will auch nicht am Grundgesetz rütteln. Allerdings muss man Wege finden, wie man dem Strom Herr wird und man die Situation meistert. Es kann beispielsweise nicht sein, dass das in Europa fast nur noch als deutsches Problem gilt und angrenzende europäische Länder weniger Flüchtlinge aufnehmen als der Ortenaukreis. Da stimmen die Dimensionen einfach nicht.

Was soll man dagegen machen?

Es ist eine stärkere europäische Solidarität gefragt und es sollte nicht zwangsläufig aus einem vorübergehenden Bleiberecht für Kriegsflüchtlinge ein dauerhaftes werden. Zudem müssen Asylverfahren deutlich schneller ablaufen. Die Regierung hat Mindestlohn-Kontrolleure im Einsatz, dieses Personal wäre weit besser eingesetzt zur schnelleren Bearbeitung der Asylanträge.

Am Anfang herrschte eine große Willkommenskultur gegenüber den Flüchtlingen. Diese Stimmung kippt zusehends. Verstehen Sie die Ängste der Bürger?

Ich glaube, keine Partei steht so sehr dafür, die Zukunft positiv zu sehen, wie die FDP. Wir sind nicht diejenigen, die mit den Ängsten der Leuten spielen. Ich finde es auch furchtbar, wenn das andere Parteien tun. Natürlich will ich aber nicht in Abrede stellen, dass es auch Probleme mit den Flüchtlingen gibt. Aber oftmals brodelt es auch wegen der beengten Platzverhältnisse in den Unterkünften und weil die Flüchtlinge zum Nichtstun verdammt sind. Daher müssen Bleibeberechtigte auch schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen. In den Integrationskursen sollten zudem neben der Sprache auch die deutsche Kultur und Werte vermittelt werden.

Braucht es mehr Polizei?

Es gab ja die Polizeireform und dass die nicht der Weisheit letzter Schluss ist, sieht man auch an den Reaktionen der Polizeigewerkschaft, die vehement dagegen schießt. Gerade der Polizeieinsatz in der Fläche muss gewährleistet sein. Aber man muss natürlich differenzieren und sich genau anschauen, wo welcher Bedarf besteht. Denn eine Stadt wie Kehl hat ganz andere Probleme als Lahr oder Wolfach. Es kann aber nicht sein, dass Polizisten mehr im Auto sitzen als alles andere, weil sie eine Stunde unterwegs sind, bis sie zum Einsatzort kommen. Die Präsenz vor Ort muss also gewährleistet sein. Dies alles gilt ganz unabhängig vom Flüchtlingsthema.

Wir unterhalten uns hier in einer Gemeinde, die zum ländlichen Raum zählt. Wie sollte man diesen künftig unterstützen, dass er nicht abgehängt wird?

Ich sage zwei Stichworte: Verkehr und Internet. Breitbandverkabelung muss flächendeckend kommen, sonst wird der ländliche Raum wirklich abgehängt. Und die Verkehrspolitik der letzten Jahre ist in meinen Augen eine Katastrophe. Radwege sind ja schön und gut, aber wenn man nichts anderes mehr baut, wird der ländliche Raum auch abgehängt.

Hier in Haslach sieht die Mehrheit der Bevölkerung einen Tunnel als beste Umfahrungslösung an. Wie stehen Sie dazu?

Ich sage immer offen meine Meinung, aber mit diesem Problem habe ich mich noch nicht intensiv beschäftigt und ich will jetzt nicht einfach gut Wetter machen. Wenn ich in den Landtag komme, werde ich mich aber mit den Varianten beschäftigen. Ich habe als Bauingenieur ein Büro für Verkehrsplanung und bin daher immer an optimalen Verkehrswegen interessiert.

Zur Offenhaltung der Landschaft erklären sich immer weniger Leute bereit. Was ist dazu Ihre Meinung?

Man mag es ja kaum glauben, aber das ist ein Problem, das von der grün-roten-Regierung befördert wurde. Ich finde es im Gegensatz zu Nils Schmid (SPD) sehr wohl schlimm, wenn im Schwarzwald Täler zuwachsen. Die Land- und Forstwirte machen da eine hervorragende Arbeit, die man auch entsprechend vergüten muss. Zumal die Offenhaltunge auch für die Tourismusregion wichtig ist.

Der Run auf die bisher einzige Gemeinschaftsschule des Kinzigtals in Hausach ist groß. Wie stehen Sie zu dieser Schulart?

Sie ist eine Schulform von vielen, die genauso eine Existenzberechtigung hat wie Realschulen und Gymnasien. Was ich nicht will, ist, dass die Landespolitik eine Schulart bevorzugt. Ich bin deswegen für den Erhalt der Schulvielfalt. Auch wenn mir klar ist, dass dies im ländlichen Raum aufgrund des demografischen Wandels schwierig ist. Da macht dann oft eine Gemeinschaftsschule Sinn.

Sie haben gerade nicht vom Erhalt der Werkrealschule gesprochen. Ist diese Schulart zum Sterben verdammt?

Immer mehr machen Abitur oder einen Realschulabschluss. Die Werkrealschüler haben daher bei Bewerbungen schlechtere Karten. Man sollte daher die Anforderungen an die einzelnen Schularten überdenken, die Lehrpläne dementsprechend überarbeiten und somit wieder eine gesunde Mischung von Gymnasiasten, Real- und Werkrealschülern finden. Dann hat auch die Werkrealschule wieder eine Existenzberichtigung.

Die FDP kann laut Umfragen nur im Falle einer Ampel-Koalition mitregieren. Wären Sie für eine grün-rot-gelbe-Koalition?

Erstens sind Umfragen keine Wahlergebnisse. Zweitens sind mir die Koalitionen am liebsten, in denen am meisten von unseren Zielen verwirklicht werden kann. Ausschließen würde ich daher nur eine Koalition mit extremen Parteien, wozu ich ausdrücklich die AfD zähle.

Welches Wahlergebnis trauen Sie der FDP zu?

Ich sage schon lange sieben Prozent plus x. Anfangs hat mich der Herr Kopf (Anm. d. Red.: SPD-Kandidat und Geschäftspartner von Kappis) noch ausgelacht. Mittlerweile tendiere ich aber sogar zu acht Prozent plus x.