Claas Liebetruth ist einer der Lebenshilfe-Künstler, die seit Langem dabei sind. Foto: Störr Foto: Schwarzwälder Bote

Soziales: Lebenshilfe-Kunstgruppe besteht seit 20 Jahren / Neuer Kalender ist jetzt erhältlich

Haslach. Die Lebenshilfe im Kinzig- und Elztal bietet seit 20 Jahren eine Kunstgruppe an, die sehr unter den Corona-Beschränkungen gelitten hat. Der Schwabo hat bei den Verantwortlichen nachgefragt.

Seit 20 Jahren bietet die Lebenshilfe im Kinzig- und Elztal eine Kunstgruppe an. Wie kam es dazu?

Der Anfang war völlig unspektakulär. Die Erweiterung der Werkstatt Haslach war fertiggestellt, die Gänge und Wände kahl und leer. Die Leiterin der Heilpädagogischen Tagesgruppen, Gudrun Stumpp, hatte damals die Idee, die Räumlichkeiten mit selbstgemalten Kunstwerken zu verschönern. Diese Aktion sollte zunächst etwas Einmaliges sein und stieß dann aber bei allen Beteiligten auf großen Zuspruch und Wunsch nach Verlängerung. Viele Jahre leitete Gudrun Stumpp zusammen mit der Kunsttherapeutin Sabine Wöhrle diese erste Kunstgruppe in Haslach. Immer mehr Beschäftigte aus den Werkstätten wollten dabei sein, so dass nach und nach auch Kunstgruppen in der Werkstatt Elzach und in der Werkstatt Steinach etabliert wurden. Heute werden die Gruppen von Sabine Wöhrle zusammen mit ihrem Partner Jürgen Neumaier, freischaffender Künstler aus Haslach, sowie deren Tochter Fenja Wöhrle geleitet.

Steht das Malen jedem offen?

Jede Werkstätte für Menschen mit Behinderung hat den gesetzlichen Auftrag, arbeitsbegleitende Maßnahmen anzubieten. Das Kunstprojekt ist eine solche Maßnahme und wird regelmäßig in allen drei Werkstätten angeboten, normalerweise einmal wöchentlich. Das Malen steht grundsätzlich jedem offen.

Wie wirkt sich das Malen auf Menschen mit Behinderung aus – und was bedeutet es den Teilnehmern?

Einerseits ist es ein Ausgleich zur Arbeitstätigkeit. Bei vielen unserer Künstler ist aber vor allem eine unbändige Freude am Malen zu sehen. Ein Mann, der sich sprachlich nicht ausdrücken kann, malt mit solcher Leidenschaft und Strahlen im Gesicht, dass sein Glück augenscheinlich wird. Eine bereits verstorbene Künstlerin, deren Hände stark zitterten, bekam beim Malen eine ruhige Hand. Einige sind ganz konzentriert und werden still, während andere expressiv und großräumig mit Farben hantieren.

Seit der Corona-Pandemie werden die Menschen mit Behinderung in ihrer festen Gruppenzusammengehörigkeit begleitet. Was bedeutet das für die Kunstgruppe?

Die Kunstgruppen wurden bereits während des ersten Lockdowns eingestellt. Der Grund ist vor allem, dass die Beschäftigten seither in festen Gruppen, überwiegend nach Wohnorten getrennt, zusammenarbeiten. Die Kunstgruppen waren aber immer völlig durchmischt, das heißt die Teilnehmer kamen aus verschiedenen Wohnorten und verschiedenen Abteilungen. Anfang November war geplant, wieder mit dem Kunstprojekt in veränderter und verkleinerter Zusammensetzung, unter Beachtung strenger Hygieneauflagen, zu starten. Durch die Entwicklung der Corona-Pandemie wurde dies leider wieder auf Eis gelegt.

Gibt es Künstler, die von Anfang an dabei waren?

Die meisten Teilnehmer sind schon viele Jahre dabei. Bereits seit 20 Jahren malen Claas Liebetruth, Susanne Späth und Klaus Vollmer.

Wie groß ist die Verschiedenheit im Arbeitsstil und in der Motivwahl?

Beim Malen kann jeder seine ganz individuelle Ausdruckskraft finden und selbst bestimmen. Dabei steht der Prozess, nicht das Ergebnis im Vordergrund. Von großflächiger gestischer Malerei bis hin zur konkreten Linie der Zeichnung ist alles dabei, es wird gemalt, gekleckst, gespritzt, geklebt, gespachtelt, gestrichen, getüpfelt. Die Kunstwerke sind so unterschiedlich, wie die Künstler, die sie malen. Jeder hat eigene Vorlieben, was er malen möchte und welche Farben er bevorzugt.

Manch einer sucht sich selbst Vorlagen und bringt sie von zuhause mit. Im Haus gibt es auch verschiedene Bildbände bedeutender Künstler, die sich die Teilnehmer aus unseren Kunstgruppen gerne anschauen, um sich Anregungen zu holen oder um etwas abzumalen. Oft gibt die Jahreszeit auch das Thema vor, als Anregung dient dann zum Beispiel ein Blumenstrauß im Sommer, ein Häs an der Fastnacht oder Obst im Herbst.

Wo wurden die Bilder bisher ausgestellt? Gibt es "Highlights"?

Im Jahr 2002 gab es die erste Kunstausstellung im Modehaus "Balu" in Haslach. Seither fanden regelmäßig Ausstellungen in der Region statt. Die Ausstellungen und Orte sind unterschiedlich: in Banken, in Einzelhandelsgeschäften, in Museen, im Landratsamt, in Begegnungsstätten, im Kurhaus, in der Gastronomie, beim Friseur, im Autohaus. Jede Ausstellung war wichtig und schön, egal ob im großen oder kleinen Rahmen. Ein Highlight war sicherlich die Ausstellung im Kloster in Haslach anlässlich unseres 50-jährigen Jubiläums im Jahre 2018. Die Kunstgruppe empfand es als große Ehre, in diesen Räumen ausstellen zu dürfen, in denen sonst nur renommierte Künstler zu sehen sind. Ausstellungen sind den Lebenshilfe-Künstlern besonders wichtig. Jeder Mensch wünscht sich Anerkennung und Achtung seiner Leistung. Die Ausstellungen erfüllen die Künstler jedesmal mit großem Stolz.

Vor zehn Jahren wurde der erste Kunstkalender aufgelegt. Wie kam es dazu?

Zum 40-jährigen Jubiläum der Lebenshilfe legte die Sparkasse Haslach zusammen mit weiteren Sponsoren einen Kunstkalender mit Werken der Lebenshilfe-Künstler auf. Die Resonanz war sehr positiv, so dass sich die Lebenshilfe 2011 entschloss, selbst einen Kalender herauszugeben. Er wird als Weihnachtsgeschenk für Geschäftspartner verwendet, aber er hat seit Jahren auch einen festen Käuferstamm in der Bevölkerung. Fragen: Christine Störr

Der Kunstkalender wird seit Mitte November in vielen Geschäften im Kinzig- und Elztal verkauft. Viele Einzelhändler unterstützen die Lebenshilfe, indem sie sich bereit erklären, auf Kommission die Kalender zu verkaufen. Leider verhindert der neuerliche Lockdown mit der damit verbundenen Schließung vieler Geschäfte ab sofort den weiteren Verkauf des Kalenders.