Heute noch so imposant wie vor 150 Jahren: die Stadtkirche in Nagold. Foto: Heiko Hofmann

Nagolds Stadtkirche ist 150 Jahre alt und prägt seitdem das Stadtbild. Heute kaum vorstellbar, aber der Bau hätte auch scheitern können. Dass es überhaupt zum Neubau der Kirche kam, ist nämlich einem Coup des damaligen Dekans zu verdanken.

2000 Sitzplätze umfasste die neue Nagolder Stadtkirche, als sie im Dezember vor 150 Jahren eingeweiht wurde. Ein imposantes Bauwerk war das für ein kleines Städtchen wie Nagold.

 

Doch solch ein Jahrhundertbauwerk will finanziert sein. Und das war im damals knapp 3000 Einwohner fassenden ärmlichen Nagold eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Also arrangierten sich die Nagolder auch über viele Jahrzehnte mit ihrer alten mehr als 500 Jahre alten Liebfrauenkirche. Auch wenn es dort eigentlich viel zu eng zuging.

Nun kommt Nagolds erster Ehrenbürger Johann Georg Freihofer ins Spiel. Der Geistliche zog 1851 nach Nagold, wirkte dort bis zu seinem Tod als Stadtpfarrer und Dekan. Er setzte sich hartnäckig für den Kirchenneubau ein. Und er war es auch, der eine Möglichkeit fand, dass die Nagolder den Neubau des Gotteshauses nicht selbst bezahlen mussten. Man höre und staune: Der Staat war letztlich für die Finanzierung zuständig – also das Königreich Württemberg.

Freihofer macht im Archiv eine wichtige Entdeckung

Zu diesem Coup kam es folgendermaßen: Nach akribischer Archivarbeit machte Freihofer die Entdeckung, dass nach einer Urkunde aus dem Jahr 1543 Herzog Ulrich das ganze Kirchenvermögen Nagolds dem Kloster Stein am Rhein abgekauft hatte. Das Vermögen ging damals in das Staatsvermögen über. Freihofer folgerte daraus: Wenn der Staat der Besitzer des Nagolder Kirchenvermögens ist, dann steht er auch in der Verpflichtung, der Gemeinde zu einer neuen Kirche zu verhelfen.

Eine kluge Argumentation, wie sich noch zeigen sollte. Wenngleich nun noch weitere mühevolle Nachforschungen in verschiedenen Archiven und Bücher aus drei Jahrhunderten anstanden. Nach vier Jahren emsiger Recherche sah der beauftragte Rechtsanwalt Dr. Göhrum aus Stuttgart den Rechtsanspruch gegenüber dem Staat als genügend begründet an. Im Juli 1858 wurde Klage gegen die Staatskasse beim Oberamtsgericht Calw eingereicht. Nach zwei Jahren bekamen Freihofer und seine Nagolder Gemeinde Recht – unter anderem wurde explizit erwähnt, dass auch die Kosten eines Neubaus vom Staat getragen werden mussten.

Johann Georg Freihofer (1806 – 1877) sorgte mit einem Coup für die Finanzierung der Nagolder Stadtkirche. Foto: Archiv Schwarzwälder Bote

Die staatlichen Finanzwächter gingen natürlich in Berufung, doch auch der Gerichtshof in Tübingen folgte dem ersten Urteil und damit den Nagolder Argumenten, ebenso die letzte Instanz Anfang des Jahres 1863.

Übereinkunft wird im Jahr 1865 erzielt

1865 schließlich wurde die Übereinkunft getroffen, „wonach die Finanzverwaltung sich zur Erstellung einer neuen Kirche mit 2000 Sitzplätzen in würdigem Stil nebst Turm und heizbarer Sakristei verpflichtete, sowie zur Anschaffung von Kanzel, Altar und Taufstein.“ Die Gemeinde Nagold musste unter anderem für den Bauplatz, die Kirchenstühle, Orgel, Glocken und die Uhr sorgen.