Harry Rowohlt ist tot. Foto: dpa

Er war das bärtige Unikum mit den weisen Sprüchen der Lindenstraße, kongenialer Übersetzer, Sprecher und Schriftsteller. Jetzt ist Harry Rowohlt im Alter von 70 Jahren gestorben.

Hamburg - Trauer um Harry Rowohlt: Der Schriftsteller und Übersetzer, der durch seine legendären Lesungen und seine Auftritte als Obdachloser in der „Lindenstraße“ berühmt wurde, ist nach langer schwerer Krankheit am Montag im Alter von 70 Jahren in Hamburg gestorben. Das bestätigte sein Agent Ertu Eren der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag.

Harry Rowohlt galt als Multitalent. Er war Übersetzer zahlreicher Bücher aus dem Englischen, Vorleser, Autor, Original, Botschafter des irischen Whiskeys und seit 20 Jahren der „Penner“ aus der Dauerserie „Lindenstraße“. Seine Markenzeichen waren die widerspenstige Mähne und der eindrucksvolle Bart.

„Er war ein fantastischer Übersetzer, ein genialer Vorleser und Unterhalter und bei alledem sehr tiefgründig. Seine genialen Übersetzungen werden bleiben“, sagte der Vorsitzende der Fraktion Die Linke, Gregor Gysi. „Mit Harry Rowohlt geht ein facettenreicher Tausendsassa von uns. Der Tod einer so vielschichtigen und durchaus originellen Persönlichkeit ist immer ein Verlust für unsere Kulturszene“, sagte die Vorsitzende der Hambuger Autorenvereinigung, Sabine Witt. Die Redaktion des Magazins „konkret“ bedauerte den Tod ihres Autors und Freundes. „Wir werden ihn vermissen“, twitterte Justizminister Heiko Maaß (SPD).

Geboren wurde Harry Rowohlt am 27. März 1945 in Hamburg als Sohn des Verlegers Ernst Rowohlt und der Schauspielerin Maria Pierenkämper. Nach dem Abitur war er Lehrling im Suhrkamp Verlag. Danach volontierte er kurz im Rowohlt Verlag und fand es „schrecklich“, wie er erzählte. Gegen den Willen des Vaters stieg er danach nicht ins Familienunternehmen ein, sondern ging für eine Weile nach Amerika.

Einen legendären Ruf hatten Rowohlts Lesungen

Zurückgekehrt nach Deutschland verdiente er sich seinen Lebensunterhalt zunächst mit Werbetexten. Nach dem Tod Ernst Rowohlts erbte er 49 Prozent des gleichnamigen Verlags, wollte aber nicht dort einsteigen. Sein Bruder und er verkauften den Verlag Anfang der 1980er Jahre an die Holtzbrinck-Gruppe.

Mit der Übersetzung des Kinderbuches „The Last Man Alive“ von Alexander Sutherland Neill wurde er schlagartig bekannt. Unter dem Titel die „Grüne Wolke“ schaffte das Werk als erstes Kinderbuch 1971 den Sprung in die „Spiegel“-Bestsellerliste. Rowohlts Übersetzungen von „Winnie-the-Pooh“ (Pu der Bär) wurden ebenfalls hoch gelobt, wie seine Übertragungen amerikanischer Literatur ins Deutsche.

Einen legendären Ruf hatten Rowohlts Lesungen. In der Wochenzeitung „Die Zeit“ schilderte er unter dem Titel „Pooh’s Corner“ die Welt aus der Sicht des Bären. „Mit seinen legendären Kolumnen „Pooh’s Corner - Meinungen eines Bären von sehr geringem Verstand“ hat sich Harry Rowohlt seit Ende der 80er-Jahre ins kollektive Gedächtnis der „ZEIT“ geschrieben und ganz nebenbei: den Humor in unser Feuilleton getragen“, sagte Chefredakteur Giovanni di Lorenzo.

Rowohlt, der mit seiner Frau Ulla in Hamburg-Eppendorf lebte, wurde auch als Vorleser und Schauspieler einem großen Publikum bekannt. So wurde er unter anderem für sein sechsteiliges Hörbuch „Pu der Bär“ ausgezeichnet, außerdem erhielt er den Sonderpreis des Deutschen Literaturpreises für sein Gesamtwerk. Seit 2007 litt er an der unheilbaren Nervenkrankheit Polyneuropathie.

Im Fernsehen war Rowohlt seit vielen Jahren in der Dauerserie „Lindenstraße“ zu sehen - als Penner Harry. Die Rolle erhielt er, weil er auf die Frage einer Zeitschrift nach seinem Lieblingsrestaurant vom „Akropolis“ in der „Lindenstraße“ sprach. Der Witz war folgenreich: Rowohlt erhielt die kleine Rolle und wurde festes Ensemblemitglied.