Keinen leichten Stand hatte der Angeklagte vor dem Gericht. Foto: Archiv

63-Jähriger aus Hardt erhält achtmonatige Gefängnisstrafe. Staatsanwältin: "Es reicht jetzt".

Rottweil/Hardt - Quietschende Reifen, Rauch, eine Verfolgungsjagd mit der Polizei in einem Affenzahn durch mehrere Dörfer und schließlich ein krachender Unfall: Mit diesem Szenario hat sich das Landgericht Rottweil beschäftigt.

Auf der "Sünderbank" saß ein 63-Jähriger aus Hardt, der bei Gericht und Polizei wohl bekannt ist. So dauerte es elf Minuten, bis Richter Thomas Geiger alle Vorstrafen – die zum Teil bereits Jahrzehnte zurückliegen – des Angeklagten verlesen hatte. Dazu zählten neben Fahrens ohne Fahrerlaubnis unter anderem auch Betrug, Diebstahl, Steuerhinterziehung sowie Urkundenfälschung. Erstmals straffällig wurde er bereits im Alter von zwölf Jahren. Einmal, so der Richter, habe der Angeklagte ein Auto für 350 Euro verkauft. Das Geld habe er kassiert, ein Auto sei hingegen nie geliefert worden.

Berufung gegen Urteil

Der Angeklagte war bereits vom Amtsgericht Oberndorf zu einer achtmonatigen Haftstrafe verurteilt worden – legte aber gegen dieses Urteil Berufung ein. Und das kam so: Der Angeklagte war im Februar 2017 nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis, fuhr aber mit seinem damaligen Auto, als ihn eine Streife der Polizei entdeckte und kontrollieren wollte. Daraufhin gab der 63-Jährige Gummi – und zwar gewaltig. Er brauste die Weilerstraße in Hardt hinunter und weiter über Weiler, Fischbach, Erdmannsweiler, Burgberg und Königsfeld. Immer im Schlepptau war die Polizeistreife mit Blaulicht und Martinshorn. Lautsprecherdurchsagen ignorierte der Angeklagte geflissentlich.

140 Sachen auf dem Tacho

"Bis zu 140 Stundenkilometer ist er gefahren", sagte der als Zeuge geladene Polizeibeamte – und das mit einem klapprigen Auto, das beinahe 20 Jahre auf dem Buckel hatte. Die Polizei hatte große Mühe, den Anschluss nicht zu verlieren. "Eine solche Verfolgungsfahrt geht an die Substanz", bekannte der Polizeibeamte im besten Alter. "Er fuhr einen heißen Reifen", fügte er hinzu.

Am Kreisverkehr am Ortsausgang Königsfeld schüttelte der Angeklagte die inzwischen zwei Polizeiautos ab, doch einige hundert Meter weiter war das Rennen zu Ende. Er verlor die Kontrolle übers Fahrzeug und prallte gegen ein Auto, dessen Fahrerin dabei glücklicherweise nur leicht verletzt wurde. Den Unfall selbst habe der Polizeibeamte nicht gesehen, da er wenige Sekunden nach dem Crash eintraf und dort alles vernebelt gewesen sei.

Richter platzt der Kragen

In einer ersten Verhandlung vor dem Amtsgericht Oberndorf wollte der dortige Richter die Strafe erst zur Bewährung aussetzen. Als der Angeklagte aber nur wenige Tage nach dem ersten Gerichtstermin schon wieder unerlaubterweise hinter dem Steuer erwischt wurde, platzte dem Richter der Kragen – und er strich die Bewährung.

Dieses Vorgehen missfiel Sabine Pfaff-Mrokon, der Verteidigerin des Angeklagten, weshalb man nun in Berufung gegen dieses Urteil gegangen sei. "Mein Mandant wird wegen einer Tat verurteilt, die noch nicht einmal rechtskräftig ist und die nur im Ermittlungsverfahren ist", empörte sie sich, angesichts der Vorgehensweise von Polizei und Gericht. "Hier gilt die Unschuldsvermutung", schob sie hinterher. Allerdings räumte auch sie ein: "Klar baut er ständig Mist."

Der Angeklagte selbst machte nur wenige Angaben, trank ab und zu aus seiner Speziflasche und ließ das Ganze über sich ergehen. Der Richter fragte ihn, ob er sich zu den Vorfällen äußern möchte. Daraufhin überlegte der Angeklagte eine Weile, um dann zu sagen: "Ich möchte mich nicht äußern."

Nur ein paar Schrammen?

In der Vernehmung bei der Polizei, so Richter Geiger, habe der Mann sein Handeln bagatellisiert. Das Unfallopfer habe doch nur ein paar Schrammen, habe er gesagt. Sachverständiger Ralf Greber erklärte, der Angeklagte habe genau gewusst, was er tue. Er habe auch gesagt, er werde immer Auto fahren – egal ob mit oder ohne Führerschein. "Das gehört zu seiner Lebensphilosophie", sagte er.

"Ein unglaubliches Vorstrafenregister", schüttelte Staatsanwältin Alexandra Schaumann in ihrem Plädoyer den Kopf. Bei der Staatsanwaltschaft sei sie Sonderzuständige für den Angeklagten, da er ständig negativ auffalle. Die Fahrt habe ihm Vergnügen bereitet, das Davonfahren habe ihm einen Kick gegeben, sagte die Staatsanwältin. Sie fragte sich, wie jemand in dem schlechten körperlichen Zustand des Angeklagten derart Auto fahren könne.

Eine günstige Sozialprognose wollte sie dem Angeklagten nicht ausstellen. Insbesondere deshalb nicht, da er nur dreieinhalb Wochen nach der letzten Gerichtsverhandlung wieder mit dem Auto vor der Polizei flüchtete und in Zimmern durch einen Unfall gestoppt wurde. Zu diesem Vorfall wird es eine gesonderte Gerichtsverhandlung geben. "Es reicht jetzt", schnaubte sie und sprach sich gegen eine Bewährungsstrafe aus.

Wie im Fernsehen

Richter Thomas Geiger schloss sich dem an und bestätigte damit die achtmonatige Gefängnisstrafe, die das Amtsgericht Oberndorf ausgesprochen hatte. "So etwas sieht man sonst nur im Fernsehen", sagte er über die wilden Verfolgungsjagden mit der Polizei. "Angesichts der Latte an Vorstrafen sind acht Monate noch milde", sagte Geiger. Wäre die Strafe zur Bewährung ausgesprochen worden, so der Richter, wären weitere Straftaten nur eine Frage der Zeit gewesen.

Der Angeklagte muss die Haftstrafe antreten, sobald ein Platz in einem Gefängniskrankenhaus frei wird. Denn dorthin müsse er wegen seiner angegriffenen Gesundheit, erklärte seine Verteidigerin.