In der Frage, wie viel der Kosten nach einem Erdrutsch an der Versicherung der Geländeeigentümerin haften bleiben, verhandelte die Zivilkammer des Landgerichts Rottweil.
Muss ein Eigentümer eines Grundstücks dafür haften wenn der Vorbesitzer eine Aufschüttung veranlasst hat, die später zu einem Hangrutsch führt?
Das Landgericht Rottweil sagt nach derzeitiger Rechtsprechung dazu eher nein – indes höhere Instanzen könnten jedoch anders entscheiden.
So drängte die zweite Zivilkammer des Landgerichts stark darauf nochmals einen Vergleich zwischen den Parteien – einer Grundstückseigentümerin aus der Schramberger Nordstadt, von deren ehemaligen Parkplatz eine Schlammlawine ausgegangen war, der Gebäudeversicherung eines betroffenen Marktes sowie der Stadt Schramberg und dem Landkreis Rottweil – zu schließen.
Vergleich bisher abgelehnt
Bereits vor einem Jahr war außergerichtlich ein Vergleich versucht worden, bei dem die Versicherung der Beklagten ein Drittel übernehmen hätte. Die Versicherungsgesellschaft des betroffenen Gebäudes hätte auf einen Drittel ihrer Ansprüche verzichten und die Stadt ein weiteres Drittel beisteuern sollen. Damals hatte allerdings die Versicherung der Stadt eine Summe von mehr 100 000 Euro abgelehnt – insgesamt geht es für alle Parteien um einen Betrag von über 1,1, Millionen Euro.
Der Vizepräsident des Landgerichts, Torsten Hub, schlug aufgrund seiner Rechtsauffassung einen neuen Versuch mit einer leicht geänderten Aufteilung vor. Dabei sollte die Gebäudeversicherung auf die Hälfte ihrer Ansprüche verzichten, so dass auf die Stadt und deren Versicherung nur ein Sechstel zukommen würde. Weiterhin würde die Grundstückseigentümerin mit rund 390 000 Euro belastet. Sollten alle Parteien innerhalb von vier Wochen diesem Vorschlag zustimmen können, wäre ein weiteres Verfahren obsolet.
In dem Schadenersatzprozess am Montag ging Richter Hub hinsichtlich der rechtlichen Würdigung auf die Hauptfrage ein, ob für die heutige Grundstückseigentümerin eine so genannte Störerhaftung greift, wie sie das Bürgerliche Gesetzbuch als Voraussetzung für Schadenersatz sieht.
Öffentliches Interesse
Hier tendiere das Gericht – unter anderem aufgrund des öffentlichen Interesses gab es keine Einzelrichtersitzung – dazu, dass dies eher nicht der Fall sei. In der Rechtsprechung gebe es wenig Fälle, die nach einer solchen Situation entschieden worden seien. Hub sah nur dann die Chance einer Verurteilung der Beklagten, wenn etwas willentlich Getragenes fortgesetzt werde. Aber nachdem das Grundstück an die jetzige Eigentümerin übergegangen sei, habe es keine Auffüllungen mehr gegeben, wie die Beklagte zuvor deutlich gemacht hatte. Die Störereigenschaft der Beklagten müsse von Klägerseite bewiesen werden, so der Richter. Allerdings gebe es keine Beweise dieser Art auf Klägerseite, von daher könnte es schwierig sein, die Ansprüche durchzusetzen.
Keine Unterlagen
Und ein Bestreiten mit Nichtwissen sei auf Klägerseite nicht förderlich, ergänzte Hub. Die Stadt selbst habe nämlich keine Unterlagen über die Aufschüttungen, die laut Beklagten in den 1950er-Jahren nach dem Hochwasser sowie dem Bau des Krankenhauses und des Hammergrabens seitens der Stadt oder beauftragter Baufirmen getätigt worden seien. Sie selbst könne sich noch daran erinnern, dass ihr Vater gesagt habe, dass sich er mit dem Bauamt der Stadt auf eine Ablagerung geeinigt habe – unentgeltlich, weil auch er froh gewesen sei, dass ein „Loch“ zugeschüttet worden sei, wie die Beklagte auf Nachfrage sagte.
Was ging vor fünf Jahren zu Tal?
Woher kommt ursprünglich das Material, das am 14. Januar 2019 in einem kurzen Rutsch von der Schilteck durch einen Dobel bis auf den Parkplatz vor dem Thomas-Philipps-Markt rutschte und dabei insgesamt für Schäden von mehr als 1,1 Millionen Euro führte?
In der Verhandlung des Landgerichts wurde dieses Thema so genau nicht abgeklärt. Während die Sparkassen-Versicherung augenscheinlich von einer „wilden Deponie“ ab 1967 ausgeht, gibt es laut dem Anwalt der Beklagten, Jürgen Bett, Zeugen, die von einer vorherigen Befüllung des Geländes wissen.
Bett wies in der Verhandlung auch darauf hin, dass bei einem Urteil – falls es zu keinem Vergleich komme – sicherlich eine weitere Instanz angerufen werde, was auch für die Stadt Schramberg hinsichtlich der Amtshaftung nachteilig sein könne.
Juristisch nicht einfach
Die juristische Vertreterin der Sparkassenversicherung sah bei einem möglichen Urteil das Problem, dass „wenn alles das stimmt, was die Beklagte vorträgt, stünde ein Regress gegen die Stadt Schramberg im Raum.“ Wenn es zu einem Vergleich komme, werde aber das eigentliche Problem, wer haften müsse, nicht aufgeklärt. Deswegen sei zum jetzigen Zeitpunkt ein Vergleich nur unter Einbeziehung der Streithelfer Stadt und Landkreis möglich.
Mit "Nichtwissen" nichts bestätigen
Bett machte zudem deutlich, dass die Stadt nicht „mit Nichtwissen etwas bestätigen“ könne. Zumal das abgegangene Material zu großen Teilen eine zähflüssige Masse „breiiger Triberger Granit“ gewesen sei. Eine „eigene“ Auffüllung durch den früheren Eigentümer, der weder Bagger noch Lastwagen besessen habe, sondern ein „einfacher Landwirt“ gewesen sei, der lediglich mit der Auffüllung etwas mehr Grasfläche gewollt habe, schließt er aus.
Der städtische Fachbereichsleiter Matthias Rehfuß betonte in der Verhandlung hinsichtlich der Zeitfrage, bis wann klar sei, ob es einen Vergleich geben könne, die Stadt wolle schon eine gute Lösung, aber es gebe eben nicht nur die Beklagte, sondern die Stadt arbeite eben mit Steuermitteln. Dies müsse berücksichtigt werden.