Laute Handys und mancherorts auch Sirenengeheul schrecken die Bevölkerung am bundesweiten Warntag auf. Viele Menschen sind allerdings vorher informiert über den Probealarm und bleiben daher gelassen, auch Karl Lauterbach und Olaf Scholz.
Ein Probealarm hat am bundesweiten Warntag in Deutschland Handys und Sirenen laut schrillen, heulen und brummen lassen. Ausgelöst wurde die für etwa 11.00 Uhr angekündigte Warnung am Donnerstag vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn – diesmal überpünktlich. Viele Bürgerinnen und Bürger erhielten über das Cell Broadcast System auf ihren Mobiltelefonen schon um 10.59 Uhr eine Warnung. Bei anderen meldete sich das Handy dann eine Minute später.
Verbreitet wurde der Probealarm auch über Radio- und Fernsehsender und auf Stadtinformationstafeln. Wer nach 11.00 Uhr beispielsweise die App des Deutschlandfunks öffnete, erhielt dort auch den schriftlichen Hinweis: „In Deutschland findet heute der Warntag 2023 mit einer bundesweiten Probewarnung statt. Es besteht keine Gefahr.“
Nina, Katwarn und Cell Broadcast
Wer Warn-Apps wie Nina oder Katwarn auf seinem Smartphone installiert hat, erhielt auf diesem Weg auch einen Hinweis auf die Probewarnung. Manche Leitstellen schickten zudem Lautsprecherwagen auf die Straße.
Bei Cell Broadcast geht die Warnung an alle dafür vorbereiteten Handys in einer bestimmten Funkzelle. Damit wurden also auch Touristen und andere Menschen mit ausländischen Mobilfunknummern, die sich gerade in Deutschland aufhalten, erreicht. Wer mit seiner deutschen SIM-Karte ins Ausland gereist war, erhielt am Donnerstag dagegen nur dann eine laute Warnung, wenn er eine der deutschen Warn-Apps installiert hat.
Mit dem bundesweiten Warntag will das dem Bundesinnenministerium unterstellte BBK herausfinden, wie viele Menschen eine Warnung vor Gefahren im Ernstfall erreichen würde. Eine Online-Umfrage des BBK soll im Anschluss helfen herauszufinden, wie viele Menschen diesmal über welchen Warnkanal erreicht wurden.
Um 11.45 Uhr kam dann wie geplant die Entwarnung. Bei der Warnung über das Cell Broadcast System, über das eine Textnachricht an alle eingeschalteten modernen Handys mit aktueller Software verbreitet wird, war keine Entwarnung vorgesehen.
„Stresstest“ bestanden
Das BBK urteilte, das System habe den „Stresstest“ bestanden. „Die Vielfalt unserer Warnmittel wurde gleichzeitig ausgelöst, hat dieBevölkerung erreicht und gewarnt“, teilte BBK-Präsident Ralph Tiesler mit. Nun wolle man die Rückmeldungen aus Ländern, Kreisen und kreisfreien Städten einsammeln und gemeinsam mit den Erfahrungsberichten der Bevölkerung auswerten. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zog eine positive Bilanz: „Unsere ersten Auswertungen zeigen: Der dritte bundesweite Warntag war ein voller Erfolg.“ Beim Warntag am 8. Dezember 2022 hatten nach Angaben des BBK mehr als 90 Prozent der Bevölkerung auf dem einen oder anderen Kanal eine Warnung empfangen.
Ein Sprecher der Deutschen Telekom sagte, das Unternehmen sei „mit dem Ergebnis des heutigen bundesweiten Warntags in unseren Netzen sehr zufrieden“. Die durch die Behörden ausgelöste Warnmeldung über Cell Broadcast sei „ohne Probleme aufgenommen, weitergeleitet und über unsere Mobilfunkstationen im gesamten Bundesgebiet gesendet“ worden.
Warnkanal „919“ erstmals getestet
In einer Mitteilung von Vodafone hieß es, erstmals sei auch der Warnkanal „919“ getestet worden. Dadurch hätten nun auch ältere Handy-Modelle erreicht werden können. Diese erhielten den Angaben zufolge über das Vodafone-Netz eine einfache Textnachricht - ohne Ton - auf dem Display. Wer diesen von der Art des Geräts unabhängigen Warnkanal nutzen will, muss dies allerdings laut Vodafone zuvor in den Einstellungen des Mobiltelefons ausgewählt haben.
Der auch für Digitales zuständige Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte, auch ihn habe eine Warnung erreicht - „das vermittelt mir die Sicherheit, in Notfällen und bei Katastrophen umgehend und zielgenau gewarnt werden zu können“. Eine Pressekonferenz seines Kabinettskollegen, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), in Berlin wurde durch das laute Schrillen der vielen Mobiltelefone im Raum unterbrochen. Der Minister blieb gelassen, auch als er feststellte, dass die Warnung auf seinem Smartphone zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingegangen war.
Alarm ging während Scholz Rede los
Während einer Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Nationalen Maritimen Konferenz in Bremen setzte das Schrillen der Sirenen und Handys ein als gerade applaudiert wurde. Zuvor hatte der Kanzler zugesichert, dass der Bau von Konverterplattformen in Deutschland vorangetrieben werden soll. Auf solchen Plattformen wird der Strom mehrerer Windparks im Meer gesammelt und von Wechsel- auf Gleichstrom umgerichtet, um möglichst verlustfrei an Land transportiert zu werden.
„Das ist jetzt nicht eine Unterstreichung meines Vortrags, aber das zeigt, dass das mit der kritischen Infrastruktur in Deutschland einigermaßen gut klappt und wir unsere Sicherheit voranbringen“, sagte Scholz in seinem Vortrag zu dem Signalton. Später scherzte er: „In Zukunft möchte ich das jetzt immer an der richtigen Stelle, wenn ich irgendwo in Deutschland spreche.“
Test einmal pro Jahr
Der Bund testet die Warnkanäle einmal pro Jahr, immer am zweiten Donnerstag im September. Wie schon beim Warntag im vergangenen Jahr, so zeigten sich auch diesmal wieder Menschen irritiert, in deren Umgebung keine Sirene zu hören war. Sirenen waren nach dem Ende des Kalten Krieges vielerorts abgebaut oder nicht erneuert worden. Inzwischen gibt es aber Bemühungen, die Zahl von aktuell mindestens rund 38 000 Sirenen bundesweit wieder zu erhöhen.
In Thüringen hätten die Warnkanäle bestens funktioniert, teilte das Innenministerium in Erfurt mit. Außer dem Ilm-Kreis hätten sich alle Kreise und kreisfreien Städte im Freistaat beteiligt. Ab 11.00 Uhr heulte rund die Hälfte der etwa 2400 Sirenen in Thüringen, doppelt so viele wie beim Warntag im vergangenen Jahr. Thüringens Landtag unterbrach wegen des bundesweiten Probealarms vorsorglich seine Sitzung für einige Minuten. Man wolle nicht, dass die schrillen Signale von den Handys der Abgeordneten, Mitarbeiter und Zuschauer die Haushaltsberatung stören, begründete Landtagspräsidentin Birgit Pommer die Entscheidung.