Eine Backstube ist heute ein hochkomplexe Anlage, die viel Energie verbraucht. Foto: Morlok

Starke Preisanstiege im Energiebereich und explodierende Kosten bei der Rohstoffbeschaffung machen derzeit dem Bäckerhandwerk das Leben schwer.

Horb/Region - Es sind offene Kostenspiralen, bei denen nach oben kein Ende in Sicht ist. Sie sind schuld, dass das Weckle, das Brot oder die Brezel so ganz langsam zum Luxusgut werden. Mal schnell eine Brezel auf die Hand beim Bäcker mitzunehmen, dass überlegt sich so mancher, denn die 1-Euro-Grenze für das Laugengebäck ist keine Schallmauer mehr, sondern wird bald ganz normal sein.

Energiekosten verdreifach

Der Eutinger Bäckermeister Tobias Plaz machte dieser Tage seine Gasrechnung für das Betriebsgebäude öffentlich. Nicht um sich über die hohen Kosten zu beklagen, sondern um seine Kunden auf die unvermeidbaren Preiserhöhungen hinzuweisen, die auf sie zukommen werden. Musste er bislang für sein Betriebsgebäude und die Wohnungen, für die er pro Jahr rund 80 000 kW/h Gas benötigt, pro kW/h 9,73 Cent bezahlen, so kostet ihn das Gleiche ab 1. Oktober 2022 satte 34,96 Cent. Seine Abschlagszahlungen an den Energielieferanten steigen dadurch von bislang 721 Euro auf monatlich 2588 Euro.

Doch das ist noch lang nicht alles. Für seine Backöfen, die rund 120 000 kW/h Gas verbrauchen, hat er nur noch bis Ende des Jahres einen festen Gaslieferungsvertrag. Steigen hier die Kosten in derselben Dimension, dann zahlt das Familienunternehmen ab 2023 anstatt 11 676 Euro aufs Jahr gesehen 41 952 Euro. Also mehr als 30 000 Euro Aufschlag. Und dafür muss ein Bäcker lange backen und viel verkaufen, bis er allein diese Kosten wieder erwirtschaftet hat.

Weiteres Thema: Rohstoffpreise

Und wie dem Eutinger Unternehmer, so geht es den meisten seinen Berufskollegen. Für den Senior-Chef der gleichnamigen Horber Bäckerei Hans-Peter Saur war die Energieversorgung mit Gas bislang das Sorglospaket überhaupt. Mit der EnBW kam das Gas und damit die Preissicherheit ins Industriegebiet "Steigle", erinnerte er sich im Gespräch mit unserer Zeitung. Doch das hat sich gewandelt. Auch er steht mit seinen fünf großen Backöfen und dem gesamten Betrieb, in dem Gas der Energielieferant Nummer eins ist, ohne Alternative da. Ihm bleibt nicht anderes übrig, als jede Preiserhöhung zu schlucken oder den Laden dicht zu machen.

Doch nicht nur die Energiekosten, die von den großen Angebots-Oligopolisten diktiert werden, bringen die kleinen und mittleren Bäckereien an den Rand des Existenzminimums. Auch die enorm gestiegenen Rohstoffpreise machen der Branche das Leben schwer. So kostete beispielsweise das Kilo Zucker letzte Woche 52 Cent, aktuell 96 Cent und für das Jahresende wird mit einem Preis um die 1,60 Euro gerechnet, wusste Saur. Ähnlich sieht es auf dem gesamten Markt aus. "Kürbiskerne aus der Steiermark oder Aprikosenmarmelade, eine unverzichtbare Zutat bei Kuchen, sind fast nicht mehr bezahlbar und nur schwer zu bekommen", so Saur weiter, der ergänzte, dass selbst einfachste Dinge, wie beispielsweise Tüten oder Verpackungsmaterial zwischenzeitlich, wenn überhaupt, nur zu astronomischen Preisen am Markt erhältlich sind. Für die Firmeninhaber Saur und Plaz wird immer deutlicher, dass es einige Brot- und Gebäcksorten bald nicht mehr im Programm geben wird.

"Und das liegt nicht allein am Ukrainekrieg", ist sich der Horber Unternehmer sicher.

Regio-Handwerk im Nachteil?

Für ihn steht fest, dass die Schere von den Handwerksbäckereien zu den Discounter-Produkten immer weiter auseinanderklafft und Backwaren für die Region aus regionalen Produkten traditionell hergestellt, immer mehr in den Hintergrund rückt.

Die gleiche Befürchtung teilt auch Innungsobermeister Jochen Knörzer aus Freudenstadt. "Die Kosten gehen langsam ins Uferlose und für uns stellt sich die Frage, wie weit können wir die Preise noch anpassen, ohne dass uns die Kunden ganz abspringen?" Er beobachtet schon seit einiger Zeit, dass die Kunden immer weniger kaufen. "Selbst die Backwaren vom Vortag, die wir preiswert abgegeben, bleiben liegen."

Etwas entspannter sieht Timo Ziegler von der gleichnamigen Großbäckerei zumindest seine Situation im Bezug auf die Gaspreise. "Wir müssen hier mit Heizöl unsere Energie erzeugen, denn in Schopfloch gibt es kein Gas."

Was die anderen Parameter betrifft, so ist er ganz bei seinen Berufskollegen. "Ich sollte dieser Tage ein Angebot für einen größeres Auftrag abgeben und dieser Kunde wollte wissen, wie lange ich ihm Preissicherheit garantiere. Da konnte ich nur mit den Schultern zucken. So eine Zusage ist in der heutigen Situation unmöglich."

Die von uns befragten Unternehmen haben sich der bundesweiten Initiative des Bäckerhandwerks angeschlossen, die sich gemeinsam an die Bundesregierung gewandt hat, mit der Bitte um einen Rettungsschirm für ihre Branche:

Betriebe brauchen jetzt einen Rettungsschirm

Die Unternehmen sehen sich einem "Kosten-Tsunami" ausgesetzt, da sie einen kurzfristigen, dramatischen Anstieg in den drei größten Kostenbereichen gleichzeitig verzeichnen. Folgendes fordern die Bäcker:

Personalkosten: Die mehrfache Anhebung des Mindestlohns innerhalb weniger Monate führt teilweise zu Personalkostensteigerungen von über 20 Prozent. Es müssen nicht nur Entgelte unter 12 Euro angehoben werden, sondern auch die darüber, um den Abstand zwischen gelernten und ungelernten Tätigkeiten zu wahren.

Materialkosten: Die Preise für Mehl und andere Rohstoffe haben sich in den vergangenen Monaten um bis zu 80 Prozent erhöht. Hinzu kommen dramatisch gestiegene Kosten für Maschinen und deren Instandhaltung.

Energiekosten: Handwerksbäckereien betreiben ihre Öfen zu rund 70 Prozent mit Gas. Hier ist eine Verdreifachung bis Verzehnfachung der Preise zu erwarten, beim Strom eine Verdoppelung bis Verdreifachung. Die Gasumlage verschärft die Situation zusätzlich.

Forderungen der Bäcker

Die Bäcker fordern daher Unterstützung, da Handwerksbäckereien vom Energie-Kosten-Dämpfungs-Programm ausgenommen sind. Sie sehen zudem aufgrund der Konkurrenzsituation zu den Discountern keinen Spielraum für Preiserhöhungen und können ihre Gasbacköfen nur sehr bedingt auf andere Energieträger (Öl oder Strom) umrüsten. Auch Kredite würden die Problematik nur verschieben.

Die Folge ist, dass die gestiegenen Kosten die Unternehmer kurzfristig in existenzbedrohende Schwierigkeiten treiben. "Wenn nicht schnell und unbürokratisch geholfen wird, sind tausende Betriebe und Arbeitsplätze bereits im September gefährdet, und die Versorgung der Bevölkerung, vor allem im ländlichen Raum, droht zusammenzubrechen" fasst die Bäckerinnung die Situation zusammen.

Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks fordert daher:

"Die Bundesregierung muss die Betroffenheit von Handwerksbäckereien als Härtefall anerkennen. Wir erwarten einen finanziellen Rettungsschirm, der schnell und spürbar entlastet. Sei es durch eine Deckelung der Energiekosten oder entsprechende Zuschüsse, eine weitergehende Absenkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel und Gastro-Umsätze oder Ausnahmen von der CO2-Abgabe beziehungsweise Gas-Umlage. Zur Finanzierung muss die Schuldenbremse ausgesetzt werden. Nur so wird Deutschland ohne ernstzunehmenden Schaden die Krise überstehen."

Der Zentralverband fordert auch die Vergünstigung von Strom und Gas, "indem kurzfristig und unideologisch alle Möglichkeiten genutzt werden, um die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten. Dies schließt auch eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke ein."

Kern antwortet

Tim Kern, einer der Lokalpolitiker, der neben Saskia Esken, Klaus Mack und Kathrin Schindele von den hiesigen Bäckern angeschrieben und um Unterstützung gebeten wurde, antwortete darauf: "Das sogenannte Energiekostendämpfungsprogramm wurde bereits im April durch die Bundesregierung beschlossen und ist im August aktiv gegangen. Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen hat die verständliche Forderung, auch Bäckereien und Konditoreien zu berücksichtigen, bereits zurückgewiesen. Daher, und weil das Programm bereits aktiv ist, glaube ich nicht, dass das Programm jetzt noch mal „aufgeschnürt“ werden kann und das Bäckerhandwerk neu berücksichtigt wird."

Er vertröstet zwar mit neuen Diskussionen um weitere Entlastungsmaßnahmen, doch ob dies den Bäckern hilft, das steht auf einem anderen Blatt.

Momentan rauscht der "Brot-Sturm" mit voller Wucht durch die Backstuben des Kreises und des Landes und Abhilfe ist weit und breit nicht in Sicht.