Bei der Vollversammlung der Handwerkskammer Reutlingen, war neben der derzeitigen Konjunkturlage im Bezirk, zu dem der Landkreis Freudenstadt gehört, auch die Sicherung von Fachkräften ein Thema.
Die neue Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer Reutlingen, Christiane Nowottny, hatte nun ihre erste Vollversammlung.
Diese stellte unter anderem den Jahresabschluss 2023 mit Erfolgs- und Finanzrechnung sowie der Schlussbilanz fest, stimmte wichtigen Änderungen und Anpassungen zu und wählte Heike Spaderna-Klein, Leiterin der Stabsstelle Personal, und Richard Schweizer, Leiter des Geschäftsbereichs Recht und Handwerksrolle und Justiziar der Handwerkskammer Reutlingen, zu ständigen Stellvertretern der Hauptgeschäftsführerin.
Präsident Harald Herrmann ehrte und verabschiedete im Anschluss zwölf ausscheidende Vollversammlungsmitglieder, die in der zukünftigen Vollversammlung nicht mehr vertreten sein werden.
Situation der Konjunktur
In seinem Bericht an die Vollversammlung hatte Präsident Herrmann vor allem die konjunkturelle Situation im Kammerbezirk im Blick. Trotz der ausgebliebenen Frühjahrsbelebung seien die Handwerksbetriebe in der Region mit der aktuellen Geschäftslage überwiegend zufrieden.
Nachdem die Wachstumsprognosen schon mehrfach nach unten korrigiert wurden, fehle es jedoch aktuell an Zuversicht, so Herrmann. Trotz der soliden Lage blickten zahlreiche Betriebe eher skeptisch auf die kommenden Monate. Danach bewerteten 64 Prozent der befragten Betriebe in den Landkreisen Freudenstadt, Reutlingen, Sigmaringen, Tübingen und Zollernalb die Geschäftslage im zweiten Quartal als „gut“ (Vorjahresquartal: 68 Prozent). Unzufrieden waren acht Prozent, ein Prozentpunkt weniger als vor zwölf Monaten.
Ein ähnliches Bild zeige sich bei den Erwartungen, denn quer durch alle Branchen rechnen derzeit 28,5 Prozent mit einem Umsatzplus, 18,6 Prozent erwarten einen weiteren Umsatzrückgang.
Lage der Baubetriebe
Angespannt bleibe die Lage der Baubetriebe, vor allem wegen des fehlenden Wohnungsbaus. Im Branchenvergleich liege die Stimmung des Bauhauptgewerbes derzeit auf dem letzten Platz aller befragten acht Gruppen. Die Chancen auf einen baldigen Aufschwung schätzt die Bau- und Ausbaubranche indes gering ein.
„Die baden-württembergischen Handwerkskammern reagierten mit Nachdruck auf die politischen Entscheidungen“, so Herrmann. Durch die Gründung der „Bau-Allianz“, der acht Verbände angehören, werde der Druck auf die Landesregierung erhöht, Ansätze zu finden, um so schnell wie möglich die fehlenden neun Millionen Quadratmeter Wohnfläche zu realisieren.
Forderungen des Handwerks an die Politik
Herrmann sprach auch die Forderungen an die grün-schwarze Landesregierung an, die sich schwertue, noch innerhalb der ihr verbleibenden Zeit, große Themenbereiche wie Wohnungsbauförderung und die Verbesserung der beruflichen Bildung anzugehen. „Wir brauchen in vielen Bereichen sehr schnell zukunftsweisende und mutige politische Grundsatzentscheidungen.
Dies gilt umso mehr für bundespolitische Entscheidungen sowie für Entscheidungen der EU-Kommissionen, mehr Einsatz beim Abbau von Bürokratie und mehr Verständnis für kleine Unternehmen in ihren Fokus zu stellen. Die Wähler haben bei der Europawahl einerseits jene Parteien geschwächt, die für die Belange der Wirtschaft wenig Verständnis gezeigt haben. Andererseits sind aber auch destruktive Kräfte gestärkt worden.“
Abgeschlossene Lehrverträge
Hauptgeschäftsführerin Christiane Nowottny zeigte sich erfreut, dass mit Stand zum 30. Juni 2024 bereits 1058 Jugendliche ihren Lehrvertrag im Handwerk abgeschlossen hätten. Das sei ein Plus von 8,85 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im baden-württembergischen Vergleich läge die Kammer über dem Durchschnitt, der sich bei einem Minus von 1,4 Prozent eingependelt hätte. Dennoch seien noch über 600 Lehrstellen, die in der Ausbildungsbörse verzeichnet sind, zu besetzen.
Stand bei der Ausbildungsbegleitung
Um die Zahl der in der Probezeit gelösten Ausbildungsverhältnisse zu verringern, wurde in der Kammer die Stelle einer Ausbildungsbegleitung geschaffen. „Unsere Mitarbeiterin unterstützt Auszubildende und Betriebe, um gefährdete Ausbildungsverhältnisse zu stabilisieren und die Zahl der Vertragslösungen zu verringern. Hintergrund der Förderung durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus sind die jährlich mehr als 20 Prozent an Ausbildungsverhältnissen, die aus unterschiedlichen Gründen vorzeitig aufgelöst werden.
Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen bedeuten Vertragslösungen eine große, auch finanzielle Belastung. Die Mitarbeiterin begleitet aktuell 22 Auszubildende in allen fünf Landkreisen aus unterschiedlichen Berufen“, berichtete Nowottny vom Projekt.
Fachkräftesicherung durch Berufsbildungsvalidierung
Die Weichen, um die Fachkräftesicherung im Handwerk auch mithilfe der Berufsvalidierung zu stärken, seien gestellt. Das Berufsvalidierungs- und Digitalisierungsgesetz beschlossene Sache. „Die für Handwerksbetriebe durchaus bedeutsame Zielgruppe von Erwachsenen, die durch langjährige Tätigkeit im Handwerk berufliche Kompetenzen erworben, aber keine Ausbildung abgeschlossen haben, bekommt durch die Validierung eine wichtige zweite Chance: ihre Leistung und ihre Kompetenzen werden anerkannt und sie werden in ihrer beruflichen Entwicklung bestärkt“, erklärt Nowottny. Gleichzeitig sei mit der verankerten Altersgrenze von 25 Jahren für den Zugang zur Validierung sichergestellt, dass dieses Verfahren nicht zu Lasten der betrieblichen Ausbildung gehe.