Mit einem packenden Werbespot wollte sich das Handwerk ein besseres Image verpassen. Doch jetzt fällt diese Kampagne in sich zusammen.

Stuttgart - Erst zerbröseln Brötchen, dann lösen sich Tapeten von den Wänden, Möbel fallen auseinander, Häuser stürzen ein und am Ende ganz Berlin. Mit einem packenden Werbespot wollte sich das Handwerk ein besseres Image verpassen und zeigen, dass Deutschland ohne diese Branche ziemlich zusammenfallen würde. Doch jetzt fällt diese Kampagne in sich zusammen. Nach Protesten von TV-Zuschauern, die solche Bilder nach der Erdbebenkatastophe in Haiti als geschmacklos empfanden, wurde der TV- und Kinospot mittlerweile vom Handwerk gestoppt.

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Dass er gerade am Samstag gestartet ist - also drei Tage nach dem Erdbeben - ist mehr als dumm. "Der Spot hätte erst gar nicht anlaufen dürfen", sagt Markus Voeth, Marketingprofessor an der Uni Hohenheim, und spricht von einem schweren handwerklichen Fehler. Und wenn er schon angelaufen ist, hätte er zumindest auf Initiative des Verbandes gleich wieder abgesetzt werden müssen und nicht erst nach Zuschauerprotesten. Die Reaktionsgeschwindigkeit des Handwerksverbands sei nicht gerade ein Ruhmesblatt. Den Werbefilm nennt Voeth "provokant und aufmerksamkeitheischend".

Vom Grundsatz her ist das für Werbung wichtig, wird doch der Konsument täglich mit zig Werbebotschaften zugetextet. Wer auffallen will, muss also etwas Besonderes machen. "Das birgt aber immer das Risiko, dass es einem um die Ohren gehauen wird, wenn die Story von der Realität eingeholt wird", sagt Voeth. Die Zuschauer, die gerade eben noch in den Fernsehnachrichten die schrecklichen Bilder aus der Karibik gesehen hatten, fühlten sich bei den einstürzenden Bauten in dem Werbespot, bei dem die Menschen am Ende desorientiert und nackt in der Öde herumirrten, an Haiti erinnert.

Die Botschaft des Werbefilms sollte zwar lauten: So sähe unsere Gesellschaft aus, wenn es das Handwerk nicht gebe. Doch was der große Wurf für die Branche werden sollte ("Was wäre die Welt ohne das Handwerk"), wurde zum Flop. Die Zuschauer waren über die Story entsetzt, beschwerten sich bei den Sendeanstalten. "Wir haben daher bis auf weiteres die Ausstrahlung des Spots ausgesetzt. Die weiteren Maßnahmen der Imagekampagne werden wie vorgesehen eingesetzt", erklärt Otto Kentzler, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, auf der Internetseite. Wie schwer es dem Verband fällt, sich davon zu distanzieren, zeigt aber auch das Lob, das noch auf der Seite steht. "Viel Beifall hat der TV-Spot zur Imagekampagne gefunden. Er zeigt mit eindrucksvollen Bildern die Bedeutung des Handwerks", heißt es weiter. Die Kampagne, die von der Agentur Scholz & Friends ("Wir können alles. Außer Hochdeutsch") konzipiert wurde, ist auf fünf Jahre angelegt.

Auch andere Spots sind schon von der Realität eingeholt worden. Voeth nennt das Beispiel des Telefonanbieters Telegate, bei dem im Spot ein Flugzeug in einem Hochhaus landete - zwei Tage vor dem 11. September 2001, als diese Katastrophe in New York Realität wurde. Nur: Dort hat man den Spot sofort gestoppt - vor es Zuschauerproteste gab.