Nicht immer dürfen sich die Händler in der Stuttgarter Innenstadt über eine so hohe Frequenz freuen. Foto: dpa

Die Umsätze im baden-württembergischen Einzelhandel sind 2016 hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Unternehmen in Stuttgart beklagen einen Attraktivitätsverlust der Innenstadt, der sich durch die angekündigten Fahrverbote noch verschärfen könnte.

Stuttgart - Die Einzelhändler im Land blicken auf ein durchwachsenes Jahr 2016 zurück. Am Ende stand nach Angaben des Statistischen Landesamtes ein schmeichelhaftes Wachstum von 1,0 Prozent zu Buche. Damit fiel der baden-württembergische Einzelhandel nicht nur hinter die eigene Prognose von 2,0 Prozent zurück, sondern er lag auch deutlich unter dem Bundesschnitt von immerhin 2,7 Prozent. Im laufenden Jahr könnte die Kluft zwischen Land und Bund noch größer werden: Während die gut 40 000 Einzelhändler im Südwesten im Januar nur um 0,9 Prozent zulegen konnten, stiegen die Umsätze bundesweit um 4,5 Prozent an.

Mit einer Erklärung für die Diskrepanz taten sich am Freitag sowohl die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands im Land, Sabine Hagmann, als auch dessen neuer Präsident Hermann Hutter schwer: „Vielleicht sparen wir im Südwesten schon wieder mehr“, spekulierte Hagmann, während Hutter vermutete, das Geld werde derzeit lieber für Wohneigentum oder ein neues Auto ausgegeben. Auch bei der Prognose für das laufende Jahr sind die Verbandsvertreter zurückhaltend: Das erwartete Plus betrage „mindestens ein Prozent, aber höchstens zwei Prozent“, sagte Hagmann.

Nur jedes dritte Unternehmen erwartet Wachstum

Diesen Schluss legen auch die Ergebnisse einer aktuellen Befragung von 383 Handelsunternehmen im Land nahe. Demnach rechnet nur gut jedes dritte befragte Unternehmen für das erste Halbjahr 2017 mit einem Wachstum. Ein weiteres Drittel erwartet eine Stabilisierung auf Vorjahresniveau, das übrige Drittel befürchtet einen Umsatzrückgang. Die Zahl ihrer Mitarbeiter will die überwiegende Mehrheit der Arbeitgeber (75 Prozent) in den ersten sechs Monaten dieses Jahres konstant halten. Als größte Herausforderungen sehen die Unternehmen den hohen Wettbewerbsdruck, die Konkurrenz des Online-Handels sowie den drohenden Attraktivitätsverlust der Innenstädte.

Mit welchen Widrigkeiten die Einzelhändler gerade in der Landeshauptstadt konfrontiert werden, schilderte Sven Oliver Maier. Er ist stellvertretender Verbandspräsident und Inhaber des Bettwarenhauses Schwäbische Traum-Fabrik, das neben Häusern in Bad Boll und Leinfelden-Echterdingen seit genau fünf Jahren auch ein Fachgeschäft in der Stuttgarter Innenstadt besitzt. Wenn sich samstagmorgens die obligatorischen Demonstrationszüge in der angrenzenden Theodor-Heuss-Straße bildeten, erläuterte Maier, „könnten wir eigentlich auch für eine Stunde zusperren“.

Kunden würden sich dann nicht in die Nähe der immer häufiger mit großem Polizeiaufgebot gesicherten Menschenmengen trauen – und damit auch nicht in den Laden. Verbandsgeschäftsführerin Hagmann sprach von 1400 Veranstaltungen pro Jahr in der City, die nicht nur zu „enormen Verkehrsstaus“, sondern auch zu „Frequenzverlusten der Händler“ führten. „Wir fühlen uns hier alleingelassen“, sagte Maier.

Fahrverbote verunsichern die Kunden zusätzlich

Für Verunsicherung unter den Kunden haben auch die anhaltende Feinstaubdebatte und die für 2018 angekündigten Fahrverbote für ältere Dieselautos gesorgt, bemängelte Maier. „Wie reagiert ein Kunde dann? Er bestellt lieber gleich vom Sofa aus.“ Um den Kundenschwund zu bremsen, fordert der Handelsverband einen Masterplan von der Politik, der an einem Runden Tisch zusammen mit Vertretern des Handels entwickelt werden könne. Dabei geht es um die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs sowohl in der Stadt als auch in der Peripherie. Dafür nannte Maier Beispiele wie den fehlenden S-Bahn-Anschluss Göppingenssowie fehlende Park-and-ride-Parkplätze in Kirchheim. Für die Innenstadt verlangt der Verband intelligente Verkehrsleitsysteme mit grünen Wellen und Unterstützung bei der Parkplatzsuche sowie ein besseres Baustellenmanagement. „Es geht darum, wie wir die Innenstadt für die Kunden interessant machen können – das klappt nicht mit höheren Parkgebühren und Fahrverboten“, so Maier.

In der Diskussion um verkaufsoffene Sonntage fordert Verbandspräsident Hermann Hutter die Gewerkschaft Verdi und die Kirchen zur Mäßigung auf. Man verlange schließlich keine zehn Aktionstage pro Jahr wie in Berlin, sondern lediglich eine allgemein verbindliche Regelung für jährlich drei Aktionen. Bisher seien es landesweit im Schnitt weniger als zwei, in der Stuttgarter City gab es sogar seit mehr als zehn Jahren keinen offenen Sonntag mehr.