Ob im April wirklich der Nagolder Frühling stattfinden kann? (Archivfoto) Foto: Fritsch

Verkaufsoffene Sonntage fürs laufende Jahr in Nagold – geht das überhaupt? Rein planungstechnisch natürlich – sagen Stadtverwaltung; und mit der Nagolder Gemeinderat. Letzterer hat jüngst zwei solche Sonntage für eine erlaubte Öffnung des Einzelhandels freigegeben.

Nagold - Wie – eigentlich – in den Vorjahren immer auch, sollen jeweils an einem Sonntag im Frühling und einem im Herbst die Geschäfte der Stadt öffnen dürfen. So in diesem Jahr am 25. April im Rahmen des "Nagolder Frühlings" und in Verbindung mit der Veranstaltung "Nagold modelt" sowie einem Street-Food-Markt in der Markt-, Turm- und der Hirschstraße. Des weiteren soll am 3. Oktober ein Verkaufssonntag in Verbindung mit dem "Urschelherbst" folgen. Gleichzeitig wird dann in der Marktstraße ein Kunsthandwerkermarkt und in der Turm- und Hirschstraße ein Bauernmarkt veranstaltet.

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Soweit die aktuelle und offizielle Planung, wie sie vom Werbering im Gewerbeverein Nagold mit Schreiben vom 9. November 2020 bei der Stadt offiziell beantragt wurde. Und wie es, so Oberbürgermeister Jürgen Großmann in seinen ergänzenden Erläuterungen vor dem Gemeinderat, "der Nagolder Linie" bei der Genehmigung und Durchführung solcher verkaufsoffener Sonntage entspräche. Denn grundsätzlich, so ist es in der zugehörigen Sitzungsunterlage zur jüngsten Sitzung des Gremiums nachzulesen, erlaube das "Gesetz über die Ladenöffnung in Baden-Württemberg (LadÖG)", örtliche Verkaufsstellen aus Anlass von Festen, Märkten, Messen und ähnlichen Veranstaltungen jährlich sogar an bis zu drei Sonn- und Feiertagen geöffnet zu halten. Und das für maximal "fünf zusammenhängende Stunden", wobei der Verkauf um spätestens 18 Uhr enden müsse, und dabei die Verkaufszeiten immer außerhalb "der Zeit des Hauptgottesdienstes" liegen sollten.

Vor allem Gastronomie und Einzelhandel leiden unter Lockdown

Allerdings ist in diesem Jahr – gerade auch nach der Erfahrungen des vergangenen Jahres – allen Beteiligten klar, dass der erste der beiden geplanten Nagolder verkaufsoffenen Sonntage im April wohl mutmaßlich "entfallen" dürfte. Natürlich aufgrund der Corona-Lage, von der weder Nagolds Ordnungsamtsleiter Achim Gräschus, noch OB Großmann selbst wesentliche Besserungen bis Ende April erwarten. Zumindest keine, die dann bereits solche Massenveranstaltungen wie den "Nagolder Frühling" mit Tausenden von Besuchern dicht gedrängt in die Stadt locken würde. Weshalb der gesamte Entscheid zu den diesjährigen verkaufsoffenen Sonntagen auch "unter Vorbehalt" erfolge, wie Großmann konkretisierte.

Weshalb sich irgendwie die Überlegung nach etwas mehr Flexibilität bei der Gewährung solcher Verkaufssonntage aufdrängen könnte – wo doch gerade der stationäre Einzelhandel und die Gastronomie von den Lockdowns in der Pandemie ganz besonders betroffen sind. Und leiden. Dachte sich zumindest wohl Stadtrat Günther Schöttle (AfD). Und schlug deshalb mehr oder weniger spontan vor, zum Wohle dieser Gewerbetreibenden in Nagold für den Fall, dass tatsächlich ein verkaufsoffener Sonntag wegen Corona abgesagt werden müsste, stattdessen flexibel zwei andere verkaufsoffene Sonntage im weiteren, sicheren Verlauf des Jahres zu gewähren. Sowas müsse doch möglich sein. Und würde zeigen, dass man die Menschen wirklich ernst nehme.

So ganz fassen konnte Schöttle dann die Reaktion allerdings nicht, die sein so gut gemeinter Vorschlag bei den Ratskollegen und der Verwaltungsspitze auslöste – das sah man seinem erst ziemlich erstaunten, dann auch betretenen Gesichtsausdruck während der als Video-Konferenz abgehaltenen Gemeinderatssitzung an. Denn das war schon ein kleiner, wenn auch sehr sachlich vorgetragener "Shitstorm", der da nun über ihn niederfuhr.

Planung ist schwierig

Eine solche Kurzfristigkeit sei schlicht nicht möglich, wies etwa der OB den Noch-Ratsneuling Schöttle zurecht – weil die verkaufsoffenen Sonntage eben einen formellen Satzungsbeschluss bräuchten, wie man ihn heute zu fällen hätte. Und den man anschließend nicht mal soeben abändern könnte. Auch bräuchte solch eine kurzfristige Änderung immer die Abstimmung mit dem Handel – was allerdings bei den immer ja auch extrem kurzfristig verkündeten Lockdowns der letzten Monate irgendwie "seltsam" klang, bei denen der Handel auch immer "von heute auf morgen" zu reagieren hatte.

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Aber es ging wohl auch eigentlich eher um die Verteidigung der "Nagolder Linie" mit ihrer höheren Wertschätzung für die Unverletzlichkeit des arbeitsfreien Sonntags als anderswo. Was aber so nicht wirklich ausgesprochen wurde. Stattdessen wies Jürgen Gutekunst (FDP) darauf hin, dass es auch eine "Planungssicherheit für die Unternehmen" geben müsse – was aber auch wieder für den unbedarften Zuhörer eher befremdlich klang, denn genau die gibt es doch im aktuellen Lockdown nun ganz generell so ganz und gar nicht.

Restlos die Augen reiben konnte man sich (und das tat Stadtrat Schöttle an dieser Stelle auch tatsächlich), als schließlich sich auch (Schuhhändler) Helmut Raaf (CDU) zum Thema zu Wort meldete, als – wie er wörtlich sagte – "einzigen Betroffenen im Gremium" Was schon mal gleich gar nicht stimmen konnte, denn da gibt es ja auch Siegrid Plaschke (FWV), die mit ihrem Weinhandel sicher auch zu den Nagolder Einzelhändlern zählen dürfte. Die aber zu diesem Thema schwieg. Und vielleicht ja auch sowieso Kollege Raaf zustimmte, als der die Ratskollegen eindringlich mahnte, bloß "nicht dran drehen" zu wollen an eben dieser "Nagolder Linie", die sich so mit ihrer unbedingten Verlässlichkeit den Nagolder Kunden gegenüber sehr nachdrücklich eingeprägt hätte.

"Kurzfristig reagieren" sei schon möglich

Bei soviel konzertierter Widerrede traute sich Stadtrat Schöttle dann nicht mehr, ausdrücklich gegen die Genehmigung der zwei fixen verkaufsoffenen Sonntage zu stimmen – und enthielt sich der Abstimmung. Womit rein formal nach Nagolder Lesart der Entscheid einstimmig durchs Gremium ging.

Allerdings schob Ordnungsamtsleiter Achim Gräschus für sein Amt letztlich dann doch noch nach, dass man aber natürlich, wenn das die Händler – und der Werbering – so wollten, so ganz grundsätzlich "kurzfristig reagieren" könnte, wenn es um die Frage nach einem Ausgleich für ausgefallene verkaufsoffene Sonntag gehe. Das sei dann schon "möglich".

Bleibt noch nachzutragen, dass Stadtrat Daniel Steinrode (SPD-Fraktionssprecher) noch nachgefragt hatte, warum in der Sitzungsvorlage als Formel stehe: "Der Arbeitskreis Christlicher Kirchen (ACK) wurde angehört" – und zwar zum Thema verkaufsoffene Sonntage natürlich; warum man nicht gleich das Ergebnis dieser Anhörung mitteile. Den Grund dafür nannte wieder Ordnungsamtsleister Gräschus: Die Sitzungvorlage sei zeitlich vor der Anhörung des ACKs verfasst worden. Der Arbeitskreis habe aber, so der OB ergänzend, dem Antrag des Werberings und der Beschlussempfehlung der Verwaltung zwischenzeitlich ebenfalls seine Zustimmung erteilt.