Dominik Weiß hebt ab zum Wurf: Auch der Nationalspieler des TVB 1898 Stuttgart muss sich von der neuen Saison an auf neue Anwurfzeiten einstellen. Foto: Baumann, Colourbox

Der Aufschrei bei den Handball-Fans im Land ist groß: Von der Saison 2017/18 an wird es viel weniger Livespiele im frei empfangbaren Fernsehen geben, dafür ungewohnte Anwurfzeiten am Sonntag um 12.30 Uhr. Der neue TV-Vertrag wirft einige Fragen auf.

Stuttgart - Wie lief es bisher?
Bisher wurde die Handball-Bundesliga (HBL) in 52 Spielen pro Saison im Spartensender Sport 1 gezeigt bei durchschnittlich 250 000 Zuschauern.
Was gab den Ausschlag für den Zuschlag an Sky und die öffentlich-rechtlichen Sender?
Entscheidend für den Vertragsabschluss waren vier maßgebliche Ziele, für das Sky und ARD/ZDF gemeinsam „das beste Angebot“ (HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann) abgegeben haben: Eine ebenso qualitativ wie quantitativ hohe Reichweite, eine hochwertige, professionelle Produktion, ein ausreichendes Lizenzentgelt und die Chance für die Clubs, Rechte zurückzubekommen, die sie nutzen können, um ihr Sponsoring-Geschäft weiterzubetreiben.
Wer hat darüber entschieden?
Das achtköpfige Präsidium der HBL hat die Entscheidung mit 7:1 Stimmen getroffen. Die einzige Gegenstimme kam von Gerd Hofele, dem Geschäftsführer von Frisch Auf Göppingen. Vor der Abstimmung hatte das HBL-Präsidium ein Meinungsbild bei den Vertretern der Erstligisten eingeholt.
Welche Auswirkungen hat die Vereinbarung auf die Spielpläne?
Von der Saison 2017/18 an wird es nur noch zwei feste Spieltage und einen Ausweichtermin geben. Der Vorteil: Die Zersplitterung der Spieletage ist damit Geschichte. Die Regelspieltage sind Donnerstag (vier Spiele, Anwurf 19 Uhr) und Sonntag mit vier Spielen um 12.30 Uhr (auch als Konferenz) sowie ein Topspiel um 15 Uhr. Ausweichtermin ist Samstag um 20.30 Uhr. Dieser ist aber nur für Notfälle vorgesehen.
Gibt es Ausnahmen von dieser Regelung?
Ausnahmen sind die Weihnachtsspiele. Auch am letzten Spieltag werden alle neun Partien wie gewohnt parallel stattfinden. Außerdem ist es denkbar, dass Spieltage am Samstag über die Bühne gehen, wenn die Fußball-Bundesliga spielfrei hat.
Wie lange läuft der neue Medienvertrag?
Die Vereinbarung läuft mindestens vier Jahre bis 2021 und kann mittels Optionen um zwei Jahre verlängert werden.
Werden alle Spiele übertragen?
Das ist der Anspruch, mit dem HBL, Sky und ARD/ZDF in den neuen Vertrag gehen. Bisher steht fest, dass pro Spieltag mindestens fünf Spiele übertragen werden. Ziel ist, dass alle Spiele live gesendet werden.
Wie kann Handball bei Sky geschaut werden?
Der Handball wird Teil des Sportpakets (Abonnement) sein. Das gibt es ab 24,99 Euro pro Monat. Außerdem lässt sich die Bundesliga über verschiedene Ticketformen verfolgen, die Sky anbietet: Tages-, Wochen-, Monatsticket gegen einmalige Zahlung ohne Abonnement. Ob es ein spezielles Handball-Paket geben wird, ist noch offen.
Wie viele Spieler werden im frei empfangbaren Fernsehen übertragen?
Bisher waren bei Sport 1 52 Spiele pro Saison live zu sehen. Künftig werden pro Runde bis zu zwölf Ligaspiele bei der ARD und in den dritten Programmen übertragen, darunter ein Halbfinale und das Endspiel des DHB-Pokals. Außerdem werden ARD und ZDF mehr Zusammenfassungen in ihren Nachrichten- und Sportsendungen zeigen – dies war ein wesentlicher Aspekt, warum die HBL dem Vertrag zustimmte. Der Pay-TV-Sender denkt auch über einige Livespiele beim Nachrichtenkanal Sky News nach, der vom 1. Dezember an frei zu empfangen ist.
Was sagen die Chefs der drei württembergischen Bundesligisten?
Jürgen Schweikardt, der Geschäftsführer des TVB Stuttgart, begrüßt den neuen TV-Vertrag: „Das Ganze ist nicht risikolos, aber eine große Chance für den Handball. Wir bewegen uns künftig in einem Premiumumfeld. Der Großteil der Sky-Abonnenten sind sportaffine Menschen. Das bietet die Möglichkeit, Fußballfans zum Handball zu bringen.“ Schweikardt hat bisher viele kritische Stimmen zum 12.30-Uhr-Termin aus dem Umfeld des Clubs bekommen: „Es ist nun unsere Aufgabe, Konzepte und Ideen zu entwickeln, um den Leuten den Besuch zur ungewohnten Zeit schmackhaft zu machen.“ Bei Frisch Auf Göppingen (3300 Dauerkarten) hat ein sehr traditionsbewusstes Publikum. Der Aufschrei beim Großteil der Fans ist groß, ein Rückgang der Dauerkartenzahl um zehn Prozent nicht ausgeschlossen. Es ist kein Zufall, dass Manager Hofele gegen den TV-Vertrag stimmte: „Es hilft aber nicht zu lamentieren. Wir müssen uns neue Angebote wie einen Frühschoppen oder einen Brunch überlegen.“ Für Wolfgang Strobel, Geschäftsführer des HBW Balingen-Weilstetten, überwiegen die positiven Aspekte: „Es gibt eine große Chance, dass wir eine flächendeckendere Umsetzung haben. In der Spitze über ARD, ZDF und die dritten Programme. In der Breite der Spiele über Sky.“
Wie viel Geld gibt es für die Clubs?
Bisher erhielt jeder Verein pro Saison einen niedrigen sechsstelligen Betrag. Dieser wird sich künftig etwa verdoppeln.