Handball: Kapitän des HBW Balingen-Weilstetten über den Weg zum Comeback und weitere Pläne. Mit Interview

Bei der Handball-Weltmeisterschaft hatte sich Martin Strobel schwer am Knie verletzt. Kreuzbandriss und Innenbandriss lautete die herbe Diagnose. Derzeit schuftet der Kapitän des Zweitliga-Meisters HBW Balingen-Weilstetten für seine Rückkehr aufs Parkett. Im Oktober will der 33-Jährige wieder ins Geschehen eingreifen. Wie sein Weg zum Comeback aussieht, und was er sich von der Aufstiegssaison 2019/20 in der 1. Bundesliga erwartet, verriet er dem Schwarzwälder Boten.

Herr Strobel, wie sieht momentan ihr Handball-Alltag aus?

Das ist derzeit ein Mix aus Athletik-, Kraft- und Lauftraining und seit zwei Wochen mache ich auch Teile in der Halle. Ein paar Schlag- und Sprungwürfe, Vorwärts-Rückwärtsbewegungen mit dem Ball, ein kontrolliertes Eins gegen Eins, Einspringen, Körpertäuschungen. Aber alles noch im kontrollierten Bereich, ohne Körperkontakt.

Wann kommt der Tag X, an dem Sie voll einsteigen?

Es geht jetzt darum, diesen Punkt herauszufinden. Die Intensität ständig zu steigern und zu schauen wie das Knie auf die Belastungen reagiert und welches Gefühl ich nach den Einheiten habe. Fakt ist, dass es noch Nachholbedarf bei einigen Dingen, wie etwa der Sprungkraft gibt. Aber jetzt kommen die ganzen explosiven Dinge, um auf ein Niveau zu kommen, das dann auch sinnvoll ist, um in die Spielformen einzusteigen. Da kommen dann auch noch Kontrolltermine beim Arzt hinzu. Wenn der sagt, dass alles gut aussieht, geht man noch einmal anders rein.

Wie aufwendig ist die Arbeit in der Rehabilitation im Vergleich zum "normalen" Training während des Spielbetriebs?

Es ist mindestens das Doppelte an Arbeit. Gerade am Anfang habe vielleicht einmal einen Tag, maximal eineinhalb Tage in der Woche nichts gemacht. Das sind sehr häufig zwei Trainingseinheiten mit bis zu zwei Stunden pro Tag, außerdem kommen die Behandlungen hinzu. Es ist aber schon bei jeder kleineren Verletzung so, dass man einfach mehr tun muss, wenn man schnell wieder fit werden möchte.

Zum Zeitpunkt der Verletzung wussten Sie in etwa, wie lange es dauern wird, bis Sie aufs Parkett zurückkehren. Motivieren Sie sich dabei mit dem Blick aufs Comeback oder mit einer Politik der kleinen Schritte?

Da geht viel über die kleinen Schritte. Und die sind am Anfang ja meistens in eine Rhythmus von vier bis sechs Wochen vorgegeben. Die erste Zeit an Krücken, dann ohne, dann darf man wieder dies und jenes machen, dann geht es auf den Zeitpunkt zu, ab dem man wieder leicht joggen darf. So hangelt man sich immer weiter und zieht sich an den kleinen Dingen nach oben. Für mich war es gut, dass ich keine Rückschläge erlitten habe und diese Phasen nicht länger gedauert haben. Manchmal bin ich trotzdem an meine Grenzen gestoßen. Dann habe ich neue Impulse gesetzt, indem ich das Trainingsprogramm umgestellt habe. Es war schon wichtig, Abwechslung hineinzubekommen. Das Ziel ist es, so fit sein, wie nie zuvor.

Wie schwierig war es, Ihren Kollege beim Spielen zuzuschauen?

Am Anfang war ich von dem Ganzen so weit weg, da hat es mich gar nicht einmal so gejuckt. Zu der Zeit war ich ja nicht regelmäßig bei den Trainingseinheiten oder auch mal drei Wochen zur Reha in Rheinfelden. Aber man ist immer Teil der Mannschaft und hält den Kontakt. Später gab es schon ein paar Spiele, wie etwa in Coburg, in denen ich gerne dabei gewesen wäre. Dann habe ich den Jungs auch mal gesagt, dass sie froh sein sollen, solche Spiele bestreiten zu dürfen. Ich habe mich dann um so mehr gefreut, wenn es erfolgreich lief. Wir waren immer in einem guten Austausch, es geht aber auch darum, sich manchmal zurückzunehmen.

Motiviert es zusätzlich, wenn es bei der Mannschaft gut läuft?

Ja, klar. Die Mannschaft hat das Woche für Woche super gemacht und auch schwierige Phasen überstanden. Ich hatte immer ein großes Vertrauen. Mir war nicht so bange, wie den meisten, als meine Verletzung passiert ist. Es gab zuvor einige Spiele in denen ich wenig oder gar nicht gespielt habe und die Jungs viel Verantwortung übernommen haben. Das hat mir ein gutes Gefühl gegeben, das sich schon in der Vorrunde herauskristallisiert hatte.

Was war für Sie ausschlaggebend für den Aufstieg?

Unser großes Plus war, dass wir charakterlich auf einem Niveau waren, auf dem wir nicht nach links oder nach rechts geschaut haben und uns nicht mit dem zufrieden gegeben haben, was wir bisher erreicht hatten. Dafür haben wir uns dann auch belohnt.

Hat die Mannschaft deshalb die Meisterschaft gewonnen, weil sie sich mit dem Aufstieg nicht zufrieden geben wollte?

Es ist immer schöner, wenn du auf Platz eins stehst. Als der Aufstieg klar war, wollten wir auch Meister der 2. Liga werden. Das Mannschaftsbild mit der Meisterschale hängt nun bei vielen für Jahre an den Wänden. Das bedeutet viel mehr, als wenn man sich mit ein Aufstiegs-T-Shirt ins Tor stellt und fotografieren lässt. Wenn man ein Jahr lang alles macht und tut und viel Schweiß investiert hat und das dann aus Zufriedenheit aus der Hand gibt, kommt man beim nächsten Schritt nicht viel weiter. Und unsere Reise geht ja weiter. Mit den Voraussetzungen ist es besser, als wenn wir nur Zweiter geworden wären.

Sie haben schon größere Titel gewonnen. War die Meisterschaft in der 2. Liga für Sie trotzdem etwas Besonderes?

Nachdem wir vor zwei Jahren abgestiegen waren, war es das oberste Ziel, den Verein wieder in die 1. Liga zu bringen. Dass das schwer wird, haben wir im ersten Zweitliga-Jahr gesehen. Deshalb war es umso schöner als Meister aufzusteigen – was bestimmt nicht einfach war. Für mich war es ein schöner Moment in der Karriere. Es war vielleicht anders als bei einem großen Titeln wie der Europameisterschaft. Aber ich freue mich unglaublich für die vielen jungen Spieler, die sich den Traum von der 1. Liga selbst erfüllt haben.

Was trauen Sie sich und der Mannschaft in der kommenden Saison zu?

Ich bin mir sicher, dass wir dieselbe Charakterstärke wie in der vergangenen Saison an den Tag legen – brennen und Leidenschaft zeigen. Dass wir eingespielt sind, wird uns gut tun. Wir haben eine unglaubliche Heimserie. Natürlich wäre es vermessen zu denken, dass wir die genau so fortsetzen. Aber es muss schon Ziel muss sein, zu Hause nur wenige an uns heranzulassen. Das hat uns letztes Jahr stark gemacht.

Sie sind 33 Jahre alt. Hätten Sie noch einmal Lust für einen großen Klub zu spielen oder wollen Sie ihre Karriere irgendwann beim HBW beenden?

Das lässt sich schwer sagen, weil ich es momentan nicht zu 100 Prozent selbst in der Hand habe. Das Hauptziel ist es erst mal ganz gesund zu werden – auch dahingehend, dass im Alltag alles voll funktionieren und schmerzfrei sein soll. Ich habe mir bei der Weltmeisterschaft bis zu meiner Verletzung Aufmerksamkeit und Respekt erspielt – ob sich das in entsprechenden Angeboten niedergeschlagen hätte, lässt sich nun nicht mehr sagen. Ich habe meinen Auftrag wenn ich fit bin, und das ist das, was zunächst mal zählt.

Planen Sie schon die Karriere nach der Karriere?

Natürlich mache ich mir Gedanken darüber, was für mich interessant sein kann. Ich hätte schon Lust, die Erfahrung, die ich gemacht habe, auf eine gewisse Art und Weise weiterzugeben.

Als Trainer?

Nein. Ich habe zwar viel Ahnung, was das taktische Spiel angeht, aber als Trainer überhaupt keine Erfahrung. Ich hatte früher nie die Zeit, eine Jugendmannschaft zu trainieren und habe deshalb auch keine Lizenzen gemacht. Das wäre mir dann doch auch alles zu nah – eine sportliche Komponente dabei zu haben ist schön, aber es tut auch mal gut, etwas anderes zu erleben.

Also raus aus der Halle und weg vom Spielsystem?

Ja, weniger das Gestalten von Trainingsprozessen, eher die Arbeit an den Rahmenbedingungen und am Ganzheitlichen. Die Entwicklung Mensch gehört ja auch zu jedem Spieler dazu. Wenn die passt, ist das Leistungsvermögen auch besser abrufbar. Ich glaube, dass es da viele Ansatzpunkte gibt – im Sport aber auch in anderen Bereichen, in denen die Erfahrungen aus dem Leistungssport wertvoll sein können. Etwa, dass ein Gefüge stimmt, zu wissen was man für ein Team man haben will, welche Typen man dafür braucht, aber auch, dass die Typen selbst wissen, was sie tun müssen, damit nachher alles ineinander passt. Natürlich kann man mit zwei Einzelspielern viel erreichen, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass diejenigen mehr erreichen, die an einem Strang ziehen. Sobald Leute aus wichtigen Positionen ausgebrochen sind, wurde es schwierig.

Zurück zur Saison 2019/20. Wer sind für Sie die Titelfavoriten?

Die SG Flensburg-Handewitt, der THW Kiel und die Rhein-Neckar Löwen. Die Rhein-Neckar Löwen werden wieder stärker angreifen und wieder konstanter sein. Aber ganz dicht darauf folgen der SC Magdeburg, die Füchse Berlin und die MT Melsungen. Sie haben das Niveau, jeden der drei davor konstant über die Saison hinweg zu schlagen.

Wen müssen Sie mit dem HBW hinter sich lassen, um die Liga zu halten?

Auf den ersten Blick sind das Mitaufsteiger HSG Nordhorn-Lingen und die Eulen Ludwigshafen. Es wird aber auch auf die Spiele gegen Mannschaften wie den TVB Stuttgart, den TBV Lemgo oder den HC Erlangen ankommen, ob wir am Ende der Saison über dem Strich stehen. Unser Ziel muss ein, zu Hause stark zu bleiben und auswärts auch in großen Hallen diese Coolness zu bewahren, die wir uns in der vergangenen Saison erarbeitet haben. Am Ende kommt es auf die Teamleistung an – das wird ein ganz großer Faktor sein. Wenn wir über die gesamte Zeit konstant als Team agieren, und gegen andere Mannschaften, die nicht so geschlossen auftreten, als Team besser spielen und zusammenhalten, werden wir erfolgreich sein. Qualitativ und spieltaktisch haben wir einiges drin, es ist aber doch noch einmal ein Unterschied zu den Teams im Mittelfeld der 1. Liga. Wir dürfen uns aber auch nicht klein reden. Wir haben vielleicht gegenüber Mannschaften von oben das große Plus, eingespielt zu sein. Wir haben mit Mike Jensen und Vladan Lipovina nur zwei Neue, die sich schon super integriert haben.

Viele Ihrer Teamkollegen haben lange nicht mehr oder noch gar nicht in der 1. Liga gespielt. Ist das ein Nachteil?

Der Druck wird sicher ein ganz anderer. Es kann aber auch von Vorteil sein. Wenn man zehn Jahre lang immer wieder gegen die gleichen Spieler spielt, kennt man ihre Gewohnheiten, aber wenn auf einmal vier Neue aus einer Mannschaft auf einen zukommen, wird es vielleicht wieder ein bisschen schwieriger, sich darauf einzustellen. Außerdem sind wir hungrig. Den Traum, den sich viele bei uns mit dem Aufstieg erfüllt haben, wollen sie nun auch leben. Das sehe ich als gute Sache bei uns. 

Die Fragen stellte Ulrich Mußler.