Für Trainer Jens Bürkle und sein Team wird es ab Sonntag wieder ernst. Foto: Kara

Handball: Balingen-Weilstetten-Trainer lobt großes Engagement  und hofft auf mehr Tempo im Spiel nach vorne. Mit Interview

Für den Handball-Bundesligisten HBW Balingen-Weilstetten fällt der Startschuss für die Saison 2020/21 am kommenden Sonntag mit dem Heimspiel gegen die MT Melsungen (16 Uhr, Sparkassen-Arena). Trainer Jens Bürkle spricht darüber, wie er die lange Zeit der Vorbereitung seiner Mannschaft einschätzt.

Wie beurteilen Sie die doch recht lange Zeit der Vorbereitung und den aktuellen Zustand der Mannschaft?

Wichtig war, dass wir mit Ausnahme der Verletzung von Marcel Niemeyer nur mit einigen kleinen Blessuren durchgekommen sind. Die Mannschaft hat über die lange Zeit ein sehr hohes Engagement gezeigt und auch viele gute Ergebnisse erzielt. Und man hat auch gesehen, dass es eigentlich bei allen Mannschaften Ergebnis-Ausrutscher gab. In der vergangenen Woche waren wir doch recht müde, aber nach ein paar Tagen der Ruhe werden wir in Sachen Fitness bis zum Start wieder in die Spur kommen. Wir sind weitestgehend eingespielt und schicken, auch wenn nach und nach die Verletzten zurückkommen, eine vernünftige Truppe ins Rennen.

Haben sie am Spielsystem im Vergleich zur vergangenen Saison viele Änderungen vorgenommen?

Das Große und Ganze ist sehr ähnlich, es ging mehr um die Details und darum, das System auf unsere neuen Leute anzupassen. Auch das Problem mit der Niemeyer-Verletzung haben wir in der Abwehr gut gelöst. Wir sind zu Umstellungen gezwungen worden, die wirklich gut sind. Im Angriff werden wir andere Lösungen finden müssen, weil das Mismatch-Spiel ohne ›Manni‹ so nicht funktioniert. Außerdem haben wir an den Abwehr-Angriff-Wechseln etwas verändert.

Auf welchem Level der Integration sehen Sie die Neuzugänge?

Bei Moritz Strosack ist es am einfachsten. Er ist schon am längsten dabei und hatte einen sehr sanften Übergang von ab und zu mal dabei gewesen und hat inzwischen schon fast alle Hallen gesehen. Fabian Wiederstein macht das sehr gut. Er bringt viele Sachen ein, die wir brauchen. Er hat aber noch ein paar Themen, die er abarbeiten muss, bevor ich sagen kann: Boah, der ist 100-prozentig drin. Junior Scott ist insgesamt noch am weitesten weg, hat aber auch eine extrem hohe Qualität in vielen Dingen. Wenn er sicherer wird, in dem, was wir wollen, wie wir es wollen, ist bei ihm das größte Potenzial da, weil er ein paar Sachen hat, die ganz speziell sind. Wenn er eine gute Balance findet, ohne seine Stärke zu verlieren, wir er sich innerhalb unseres System richtig schön entfalten können. Björn Zintel kommt immer besser rein, hat zuletzt gegen Konstanz im Angriff ein gutes Spiel gemacht, viele Aktionen losgetreten, selber ein paar Tore geschossen. Er wird uns vorne helfen, weil er etwas hat, was wir bis dato so nicht hatten. Er hat sich schnell akklimatisiert mit unseren Dingen, jetzt geht es darum, dass er sich noch stärker einbringt. Wir brauchen die 1:1-, wir brauchen die Passqualität.

Was kann das Team besser als in der Saison 2019/20?

Wir haben in der letzten Saison sehr viel gelernt. Für viele unserer Spieler war es das erste Bundesliga-Jahr in entscheidenden Rollen. Insofern sind wir erfahrener geworden. Und es wird uns gelingen den Aspekt Abwehr-Torwart zu optimieren. Ich hoffe, dass wir im Angriff noch mehr Tempo reinbekommen.

Wie aufschlussreich waren die Testspiele für Sie?

Da bin ich mir nicht ganz sicher. Die Wahrheit wird wohl irgendwo in der Mitte liegen. Mich hat gewundert, dass Göppingen oder die Rhein-Neckar Löwen bestimmte Dinge nicht bestraft hat, das hat dann vor einer Woche die HSG Konstanz getan. Wir sind aber eine junge Mannschaft, mit recht wenigen Bundesliga-Spielen. Da ist es schwieriger eine Konstanz zu erreichen – damit meine ich die Leistungen und nicht die Ergebnisse. Die Mannschaft hat immer wieder gezeigt, dass sie dazu in der Lage ist, für Überraschungen zu sorgen.

Nach dem Karriereende von Martin Strobel war das Amt des Kapitäns vakant. Wer führt das Team jetzt als Spielführer aus die Platte?

Wir haben Jona Schoch zum Kapitän bestimmt. Gregor Thomann ist Vize, und wir haben im Mannschaftsrat noch Lukas Saueressig und Oddur Grétarsson.

Wieso wurde der Kapitän nicht von der Mannschaft gewählt?

Ich habe das früher auch wählen lassen, bin Lauf der Jahre aber davon abgekommen, weil es immer wieder Beliebtheits-Wahlen zustande kommen. und nicht die Sachen, die wirklich gut sind für die Mannschaft. Es kann manchmal sein, dass es gut ist, manchmal aber eben auch nicht. Ich habe auch seit ein paar Jahren eine feste Vorstellung davon, was auch so ein Mannschaftsrat oder der Führungskreis zu tun hat und gehe das sehr systematisch durch. Ich glaube, dass wir diese vier, die wir bestimmt haben, das sehr, sehr gut abdecken.

Worauf legen Sie dabei großen Wert?

Wir haben drei Leute, die sich sehr ähnlich sind, die aus der Region kommen und eine lange Vereinshistorie haben. Das ist Oddur auch ein Gegenpol. Es geht um Eigenschaften, die die Leute mitbringen – dass sie führen wollen, dass sie sehr konstant sind in ihrem Tun, wenn sie jeden Tag zur Arbeit kommen, dass sie offen sind für neue Dinge, aber auch darum, eine sehr, sehr große Akzeptanz in der Mannschaft zu haben, um die Dinge mittragen und vorantreiben zu können.

Wie nahe sind die Perspektivspieler aus dem Drittliga-Team an die Erstliga-Mannschaft herangerückt?

Sie sind schon nahe dran. Niklas Diebel hat in der Vorbereitung gute Spiele gemacht, Tobias Heinzelmann und Lars Röller auch. Bei Mario Ruminsky kann schon sagen, dass er den Sprung zu uns geschafft hat.

Welche Mannschaften werden für Sie die schärfsten Konkurrenten?

Das weiß ich nicht, weil ich nicht weiß, wo wir landen werden. Ich will, dass wir Woche für Woche auf uns schauen und in jedem Spiel das Maximale an Emotion, an Qualität und an Einsatz reinwerfen

Wer wird Deutscher Meister?

Einer der üblichen Verdächtigen. Kiel hat mit Sander Sagosen einen Top-Transfer vollzogen, aber wen die Rhein-Neckar Löwen einen Lauf bekommen, können sie auch ganz vorne landen, dasselbe gilt für die SG Flensburg-Handewitt. Die Reihe lässt sich mit den Füchsen Berlin, den SC Magdeburg oder der MT Melsungen fortsetzen.  

Die Fragen stellte Ulrich Mußler.