Erneut gibt es positive Coronatests in der deutschen Handballmannschaft. Laut Verband sind es die Spieler Sebastian Heymann, Djibril M’Bengue und Christoph Steinert sowie ein Mitglied des Funktionsteams.
Bratislava - Lässig Kaugummi kauend wirkte Bundestrainer Alfred Gislason beim Abschlusstraining der deutschen Handballer so, als wäre nichts geschehen. Dabei hatte der Isländer die nächste Schock-Nachricht bei der Europameisterschaft längst erhalten. Vor dem Klassiker gegen Spanien zum Auftakt der EM-Hauptrunde hat es im DHB-Team vier weitere Corona-Fälle gegeben. Betroffen sind die Rückraumspieler Sebastian Heymann, Djibril M’Bengue und Christoph Steinert sowie ein Mitglied des Funktionsteams.
Nach der neuerlichen Hiobsbotschaft schließt der Deutsche Handballbund einen Rückzug von der Endrunde in Ungarn und der Slowakei offenbar nicht mehr aus. „Wir werden diese neue Lage gemeinsam bewerten müssen“, kündigte DHB-Vorstandschef Mark Schober an. Dazu befinde sich der Verband im engen Austausch mit der Mannschaft, dem Dachverband EHF sowie der Handball-Bundesliga.
Nur 13 Spieler gegen den Titelverteidiger
Gislason steht im Duell mit dem Titelverteidiger an diesem Donnerstag (18.00 Uhr/ARD) in Bratislava nur noch ein Rumpfteam von 13 Spielern zur Verfügung. Die Zahl der positiv getesteten DHB-Spieler bei der Endrunde hat sich mittlerweile auf zwölf erhöht.
Das hat auch die Bundesliga in Alarmstimmung versetzt. „Das ist das, was wir am meisten gefürchtet hatten - aber durchaus auch das, womit man rechnen musste“, sagte Liga-Boss Uwe Schwenker der Deutschen Presse-Agentur. Noch am Mittwochabend sollte es eine Telefonkonferenz zwischen HBL und DHB geben. „Es macht natürlich keinen Sinn, jeden Tag drei bis fünf Spieler aus der Bundesliga nachzunominieren, wenn neue Fälle auftreten“, sagte Schwenker.
Trainer in stoischer Gelassenheit
Vor Ort ist der Verband darum bemüht, die irrwitzige Situation so gut es geht zu meistern. Gislason verfolgte die lockeren Übungen seiner dezimierten Schützlinge am Mittwoch mit stoischer Gelassenheit. Wie es in dem 62 Jahre alten Isländer wirklich aussieht, konnte man nur erahnen. „Die Explosion der Corona-Fälle ist natürlich frustrierend für uns alle, nicht nur für mich“, sagte der Bundestrainer am Mittwochvormittag. Da waren die jüngsten Fälle noch nicht bekannt.
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Das Abschlusstraining am Nachmittag sollte für die Mannschaft eigentlich eine willkommene Abwechslung vom trostlosen EM-Alltag sein. Endlich raus aus den Hotelzimmern, in denen die Gislason-Schützlinge die meiste Zeit des Tages mit dem Warten auf die neuesten Corona-Testergebnisse verbringen müssen. „Wir hängen den ganzen Tag isoliert in unseren Zimmern herum. Es ist eine sehr absurde Situation“, beschrieb Gislason die außergewöhnlichen und teilweise extremen Umstände.
„Das ist wie Einzelhaft.“
Noch drastischer drückte es Rückraum-Ass Steinert aus: „Das ist wie Einzelhaft.“ Aus der gibt es für den 32-Jährigen nun vorerst kein Entrinnen mehr. Steinert, der beim 30:23-Sieg gegen Polen im Vorrundenfinale mit neun Toren bester DHB-Werfer gewesen war, hatte das Unheil schon erahnt. „Wir sind so stringent in dem was wir tun, dass ich mir nur schwer vorstellen kann, dass da noch etwas passiert. Aber sicher sind wir alle nicht. Ich bin der Meinung, das ist Glücksspiel“, hatte der Profi vom HC Erlangen nach dem Polen-Spiel erklärt. Wenige Stunden danach war sein persönlicher EM-Traum brutal geplatzt.
Der sportliche Aspekt des Spiels gegen Spanien rückte mit einem Schlag völlig in den Hintergrund. Ob die Mannschaft den immer neuen Tiefschlägen weiter trotzen kann, ist äußerst fraglich. Auch wenn Gislason nach dem Sieg gegen Polen erklärt hatte: „Ich denke schon, dass eine solche Extremsituation die Mannschaft besonders zusammenschweißt.“
Im Duell mit den Spaniern stehen seine Schützlinge aufgrund der akuten personellen Schwächung vor einer kaum zu bewältigenden Aufgabe. „Das ist eine der abgezocktesten Mannschaften die es gibt. Die haben eine sehr starke Abwehr mit super Torhütern und machen kaum technische Fehler. Wir sind krasser Außenseiter“, sagte Gislason.
Quarantäne nagt am Teamgeist
Vom ursprünglichen EM-Aufgebot sind nur noch Philipp Weber, Patrick Wiencek, Julian Köster, Lukas Zerbe, Simon Ernst und Kapitän Johannes Golla übrig. Immerhin trafen am Mittwoch die Nachrücker Daniel Rebmann und Patrick Zieker im EM-Spielort ein. Nicht beim Training dabei war neben dem Corona-Trio auch Linksaußen Rune Dahmke.
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An eine normale Vorbereitung der völlig neu zusammengewürfelten DHB-Truppe ist nicht zu denken. Und die Ungewissheit bleibt im Hinterkopf der Spieler. Wer gerade noch große EM-Pläne geschmiedet hat, kann im nächsten Moment schon in Quarantäne sitzen. Eine geradezu irrwitzige Situation, die die Gislason-Schützlinge vor allem mental an ihre Grenzen bringt.
Am Handy, Laptop oder Fernseher versuchen sie, sich so gut es geht von der Corona-Krise abzulenken. Der Wunsch, den Spielmacher Weber am Dienstagabend geäußert hatte, wird sich aber nicht mehr erfüllen: „Wir hoffen, dass wir jetzt alle gesund durch das Turnier kommen und eine schöne Hauptrunde haben.“ Dort warten auf die DHB-Auswahl fast nur Hochkaräter. Gut 24 Stunden nach dem Spanien-Spiel geht es am Freitag schon gegen den EM-Dritten Norwegen weiter. Es folgen die Duelle mit dem WM-Zweiten Schweden und Russland. Doch das ist längst nur noch Nebensache.