Menschen mit und ohne Handicap bilden im Sulzer Mittwochstreff „Hand in Hand“ eine Gemeinschaft von Freunden. Sie wollen auch andere aus der Isolation holen – und berichten, wie die „Normalen“ manches komplett missverstehen.
„Inklusion wird bei uns ganz groß geschrieben“, sagt Sabine Ludi. Darum gefällt es der 56-Jährigen im Mittwochstreff in Sulz so gut. Den besucht sie mit einem runden Dutzend anderer Sulzer regelmäßig. „Hier kann man einfach mal so sein wie man ist“, sagt Ludi.
Den Club – das Wort passt nicht ganz – hat Gabriela Jansen, Mitarbeiterin des Sulzer Bürgerengagements, ins Leben gerufen. Zum Mittwochstreff, der jetzt „Hand in Hand“ heißt, darf jeder kommen. „Treffpunkt für Menschen mit und ohne Handicap“ nennt Gabriela Jansen das. Für diese Einrichtung hat es in Sulz offensichtlich Bedarf gegeben.
Die Gruppe trifft sich nicht nur zum Kaffeetrinken und Klönen. Gemeinsam werden die verschiedensten Aktivitäten geplant und umgesetzt, meist zündende Ideen der Teilnehmer. Wie das Grillfest im Hof, bei dem alle dabei waren und bei dem es den Berichten zufolge hoch her gegangen sein muss. „Und ich hab’ meine Zucchini abgefackelt“, weiß Andreas Mischal noch.
Die Betriebswirtin hat früher eine Tafel geleitet
Beim Staudenpflanzen für „Sulz blüht“ waren die „Hand-in-Hand“-Leute dabei, sie haben neben der „Denkwerkstatt“ ein Hochbeet mit Lollo Rosso, Zwiebeln, Salat und Petersilie – bitte nichts klauen – bepflanzt und gemeinsam im Stadtpark Zigarettenkippen eingesammelt.
Demnächst geht es zum Erdbeerenpflücken. Oder es werden auf Wunsch der Rheinländerinnen in der Gruppe gemeinsam Reibekuchen gebacken, um die Vorräte vom Apfelmus aus Streuobst zu verwerten. Im Raum steht der Plan, eine Eselsfarm zu besuchen – „das wird allen gut tun, mit Tieren in Kontakt zu kommen“, ahnt Gabriela Jansen.
Sie ist gelernte Betriebswirtin. Jansen hat aber eine Tafel geleitet, bevor sie vor einigen Jahren aus dem Rheinland nach Sulz kam. Und aus diesen Erfahrungen heraus weiß sie, dass es sehr viele einsame Menschen gibt – und die sieht sie auch in Sulz. „Die trauen sich kaum raus in die Öffentlichkeit, viele schämen sich“, sagt sie, daran wolle sie etwas ändern. Gründe für Isolation gebe es zahlreiche, sagt Jansen. Die Hand-in-Hand-Gruppe könne jedenfalls noch wachsen. Das finden auch die Mitglieder, die schon auf dem besten Wege sind, zu Freunden zu werden.
In der Gruppe sind alle offen und freundlich
Vieles spricht sich über Mundpropaganda herum, aber Jansen geht dennoch aufmerksam durch die Stadt und spricht mögliche Interessenten sogar auf der Straße an. Es gehe darum, Vertrauen aufzubauen, berichtet sie, und dazu müsse man sich oft viel Zeit nehmen. So schaut sie sich etwa auch bei der Tafel in Sulz um oder besucht den evangelischen Mittagstisch, um ins Gespräch zu kommen.
Dort hat sie zum Beispiel Andreas Mischal getroffen. Der 43-Jährige kommt seitdem regelmäßig zu den Treffen. „Viele Menschen sind mir gegenüber verschlossen“, ist seine Erfahrung, „da gehe ich dann auch auf Distanz.“ Das erlebe er täglich. In der Gruppe sei das ganz anders. „Alle sind offen, da kann ich dann auch offen sein.“
Oft kommt es im Alltag zu Missverständnissen
Im Alltag ist der Umgang zwischen Menschen mit und ohne Handicap nicht immer problemfrei. Davon kann Sabine Ludi ein Liedchen singen. Vor allem einem Missverständnis möchte sie begegnen: „Die Behinderung ist nur ein kleiner Teil von uns. Der große Rest ist vollkommen normal.“ Genau so würde sie gern behandelt werden. So geht das auch ihrem Mann Jürgen, der wegen einer Erkrankung halbseitig gelähmt ist und mitunter an Sprachschwierigkeiten leidet.
Die Kommunikation scheitere oft gar nicht unbedingt am guten Willen, sondern manchmal schlicht an Missverständnissen. „Mir ist schon oft von Fremden geholfen worden“, berichtet Sabine Ludi. „Allerdings bin ich nicht immer dorthin geführt worden, wo ich hin wollte.“ Sie nehme Hilfe ja gern an, sagt sie. „Aber man sollte erst fragen. Und bitte nicht böse sein, wenn ich ,nein danke‘ sage.“ Fragen hingegen dürfe man sie alles. „Die einzigen dummen Fragen“, sagt Sabine Ludi, „sind die, die nicht gestellt werden.“
Kontakt und Termine
Ort
„Denkwerkstatt“ in Sulz, Brühlstraße 18
Treffen
Jeden Mittwoch von 14 bis 17 Uhr und nach Absprache
Kontakt
Interessenten können Gabriela Jansen unter Telefon 01 51-18 55 27 71 oder per E-Mail an gabriela.jansen@sulz.de erreichen