Karl Braun vor seiner "Wall of Fame". Der Haiterbacher Kommunalpolitiker tritt zur Kommunalwahl 2019 nicht mehr an. Foto: Kunert Foto: Schwarzwälder Bote

Persönlichkeit: 81-jähriger Haiterbacher Gemeinde- und Kreisrat tritt zur nächsten Kommunalwahl 2019 nicht mehr an

Da geht eine echte Ära zu Ende: Nach fast 40 Jahren – davon fast 20 Jahre als damit dienstältestes Mitglied des Calwer Kreistags – tritt Karl Braun aus Haiterbach mit der Kommunalwahl im kommenden Jahr von der politischen Bühne ab.

Haiterbach. Es ist einer dieser sonnigen Nachmittage dieses nicht enden wollenden Wahnsinns-Sommers. Sehr geschäftig geht es nicht zu im Haiterbacher Industriegebiet. Karl Braun, der gelernte Tischlermeister und erfolgreiche Innenausbau-Unternehmer, residiert mit seiner Firma an der Straße "Lange Umbrüche 1 – 5" – nomen es omen, möchte man sagen: Umbrüche gab es einige im Leben von Karl Braun; auch jetzt steht wieder einer an.

Und die insgesamt drei Hausnummern seines Firmengrundstücks belegen: Hier ist "Think big" zuhause. Groß denken, groß handeln. Als Unternehmer, aber auch als Politiker.

Auch Karl Brauns Büro ist riesig. Das Wohnzimmer seiner ehemaligen privaten Wohnräume gleich neben den Betriebsgebäuden. Die Firmenleitung hat er längst an seine Söhne abgegeben, aber er ist weiterhin ihr Berater, auch Geschäftsführer der Luxemburger Niederlassung der Firma, die nach wie vor seinen Namen trägt. 81 Jahre sei er mittlerweile alt, erzählt Karl Braun – mit auch müden Augen. "Ich hatte gerade einen Bandscheibenvorfall." Die Kräfte ließen spürbar nach. "Man merkt jedes neue Jahr." Da klingt auch echter Schmerz durch – nicht mehr genug Kraft zu haben für die Kämpfe, die es noch zu kämpfen gäbe.

"Ja, ich würde gerne noch ein wenig weiterkämpfen", wenn er nur jünger wäre. Um die Zukunft der kommunalen Krankenhäuser im Kreis Calw zum Beispiel – sein Lieblingsthema seit über einem Jahrzehnt.

Zuerst ging es damals – noch unter dem Vorgänger des jetzigen Landrats – um die Zusammenarbeit mit dem Kreis Böblingen und dessen Krankenhäusern: Kooperation oder Fusion? Braun kämpfte mit Leidenschaft und Elan, aber am Ende leider ohne das nötige Maß an Fortune für die Kooperations-Lösung.

Denn der Entscheid der Kreistage Calw und Böblingen ging bekanntlich in die andere Richtung: Fusion. "Verheerend", findet Braun noch heute. Und die letztlich mit dem "Moloch" Klinikverbund Südwest realisierten ewigen Defizite führt er als Beleg für seine ungehörten Warnungen von damals an. Dann die anstehende Neuausrichtung, Modernisierung und letztlich der komplette Neubau des Kreiskrankenhauses Calw und die Erweiterung in Nagold.

Karl Braun hat sich für dieses Interview, wie es seine Art ist, minutiös vorbereitet: lange Listen mit Argumenten, Statements, "Meilensteinen" – und eben auch Fehlentscheidungen derer, die nicht auf ihn hören wollten.

Die Kostenexplosion der hiesigen Krankenhaus-Pläne in den letzten Monaten und Jahren: Kreisrat-"Prophet" Karl Braun hat sie schon vor Jahren vorhergesagt. Immer wieder wies er auf enorme Einsparpotenziale in der Klinik-Führung hin – reihenweise von ihm aufgelistete kommunale Krankenhäuser im Land, die kostendeckend arbeiteten, belegten das. Aber er sei halt zu oft "der einsame Rufer in der Wüste" gewesen. Deshalb sei schon "ein bisschen Enttäuschung" bei ihm heute da. Zum Beispiel darüber, dass die Kollegen im Kreistag seiner eigenen Expertise in Sachen "Projekt-Planungen" beim Thema Krankenhaus nicht gefolgt seien.

Als Unternehmer hat der Tischlermeister, der 1966 als Ein-Mann-Unternehmen gestartet ist, einen europäischen Marktführer gebaut – für den Ausbau von Sport- und Mehrzweckhallen.

Aus Haiterbach kamen aber auch Einbauschränke für das Schloss Bellevue, dem Wohnsitz des Bundespräsidenten. Sowie komplette Ausbauten für renommierte Hochschulen selbst in Übersee oder Sibirien. Immer: höchste Qualität aus dem Schwarzwald, penibel geplant bis in die letzte Schraube hinein, auf den Tag genau umgesetzt – wie stets den Kunden vorhergesagt. Bedingungslos akkurat.

So – genauso – hat sich Karl Braun auch immer kommunale Planung gewünscht. Und vorgestellt. Und ist, so wirkt es auf den Betrachter, zumindest hier immer auch wieder an der Unperfektheit der Mitmenschen gescheitert.

Karl Brauns Parteien-Karriere ist da eine ganz ähnliche Geschichte: Er hat 1980 mit Start seiner politischen Arbeit den Haiterbacher CDU-Stadtverband gegründet. 1997 trat er aus der Partei aus – nach parteiinternen Querelen in seinem Heimatverband. Im Interview nennt er "Ross und Reiter", erläutert detailliert die Hintergründe – die seitdem offenbar nie aus seinem Bewusstsein verschwunden sind. Vielleicht auch das eine Quelle seines Schmerzes: Karl Braun vergisst nie und nichts.

In der FDP fand Braun schließlich eine neue Heimat; aber auch nicht immer "Seelenverwandte" und/oder Fürsprecher, die ihn und seine Anliegen verstehen. Zum Beispiel wieder beim Thema Krankenhäuser im Kreis Calw. Einst der FDP-Fraktionsvorsitzende im Calwer Kreistag, warf er den Büttel auch dort irgendwann tief frustriert hin. "Macht euren Scheiß doch allein!", habe er damals gedacht – "aber nicht gesagt." Oder auch: "Macht was ihr wollt!" Das war bereits 2007 – das Thema: Klinik-Fusion. Trotzdem ließ sich Braun dann 2009 doch wieder zur Kandidatur überreden – und erhielt die höchste Stimmenzahl, die je ein FDP-Kandidat im Kreis Calw errungen hat. Das gab reichlich Elan für die folgenden Jahre.

Bis zur nächsten Ernüchterung – bei der nächsten Wahl 2014: Da fuhr Karl Braun mit einem Mal ein "ultimativ desaströses Ergebnis" ein. Gerade so noch der Einzug in den Kreistag. Brauns bitteres Resümee auf der Liste mit seinen Interview-Stichworten: "Die Erkenntnis (…) für mich: stromlinienförmiges Verhalten ist besser als Engagement"; aber: "kein gutes Zeugnis für die Wählerschaft". Auch das wohl ein Grund, warum Karl Braun 2019 nicht wieder antreten möchte. Der Denkzettel von der letzten Wahl wirkt noch deutlich nach.

Doch wofür all der Kampf, die Enttäuschungen, auch Niederlagen? "Ich bin immer der Arbeit nachgelaufen", sagt Karl Braun einen Schlüsselsatz seines Lebens. Er meint damit zwar in erster Linie die Arbeit und Aufträge für seine Unternehmen, mit denen er in aller Welt wuchs – wo es eben gerade etwas für sein Gewerk zu tun gab. Aber es gilt wohl auch für sein politisches Engagement, für sein Wirken im Ehrenamt. Und was immer bleibt, ist das persönliche Reifen. Der eigene Horizont, der weiter wirkt.

Braun hat aus einer Wand seines riesigen Büros so etwas wie eine "Wall of Fame", eine Ruhmeswand, mit Bildern all der Prominenten und Stars gemacht, die er mit den Jahren getroffen hat. Wegmarken. Meilensteine. Erinnerungs-Juwelen.

Karl Braun kommt auf die Jazz-Musik zu sprechen – seine ganz private Leidenschaft. Als Louis Armstrong starb, habe er geweint. Sein erstes Jazz-Happening habe er als junger Mann in Mannheim erlebt – "wahnsinnige Musik", die aus einem Jazz-Keller zu ihm hinauf auf den Gehsteig tönte. Er habe den Kellner bestochen, um noch einen Platz zu finden – und dem Posaunisten Chris Barber zu lauschen. Karl Braun hatte sein Glück gefunden. Seine Energiequelle.

Wenn dieses Interview zu Ende ist, dann werde er ins Auto steigen. Kurz in Lindau ein Projekt der Firma besuchen – "dann drei Tage Jazz in den Schweizer Bergen genießen". Und für ein paar tolle, inspirierende Konzerte alle Politik und Krankenhäuser dieser Welt hinter sich lassen.