Bürgerinitiative gegen KSK-Absetzgelände will Ministerpräsidenten nach Haiterbach locken - aber noch ziert er sich.
Haiterbach/Nagold/Herrenberg - Diese Gelegenheit packten die Aktivisten beim Schopf: Bei Winfried Kretschmanns Stippvisite in Herrenberg passten die Bürgerinitiativen gegen das geplante Absetzgelände den Ministerpräsidenten mit einem Geschenkkorb ab. Mit dieser Charmeoffensive wollten sie den Landesvater nach Haiterbach einladen. Fast hätten sie ihn auch rumgekriegt.
Wenn Kretschmann erklärtermaßen den "Dialog mit den Bürgern" sucht, dann kommen nicht nur Grüne Parteifreunde und Fans des beliebten Regierungschefs, sondern auch die AfD, die für den Diesel demonstriert, die Antifa, die dagegen skandiert – und eine gut zwölfköpfige Gruppe, die sich mit einem Geschenkkorb am Haupteingang postiert hat: allesamt Gegner des Absetzgeländes für die Calwer Spezialeinheit Kommando Spezialkräfte, die auf dem Dürrenhardter Hof zwischen Haiterbach und Nagold eines Tages mit ihren Fallschirmen landen sollen.
Die Aktivisten kommen vornehmlich aus Haiterbach mit Jürgen und Birgit Kaupp an der Spitze, von der Nagolder "Aktionsgruppe gegen den Militärflugplatz" haben sich Tilo Martin und Wolfgang Herrling eingereiht, und von der erst wenige Monate alten Bürgerinitiative in Jettingen wartet Ulrike Arend als eine von fünf Sprechern mit auf Kretschmanns Ankunft.
"Ich kann ja nicht alles persönlich machen"
Wer neugierig nachfragt, was die Gruppe mit dem Geschenkkorb voller landwirtschaftlicher Produkte denn bezwecke, bekommt von Bauer Rudolf Sautter, der um die Existenz seines Betriebes fürchtet, wenn das Militärgelände realisiert werden sollte, die etwas überspitzte Antwort: Man sei "wegen dem Flughafen" da.
Und dann schreitet Kretschmann auch schon durch den Haupteingang der Herrenberger Stadthalle schnurstracks auf die Bürgerinitiative zu. Er weiß um deren Ansinnen, bedankt sich freundlich für die Einladung, will aber nicht so recht erkennen, was sein Besuch in Haiterbach bezwecken soll: "Sie glauben, dass sich dadurch was ändert? Ich kann ja nicht alles persönlich machen." Schließlich habe er Minister, Staatsräte und Beamte, die sich solchen Aufgaben widmen würden.
Aber Jürgen Kaupp, der das Wort führt, lässt nicht locker. Kretschmann sei doch der "Verantwortliche". Er sei doch der "Chef", "der Oberste", insistiert Bauer Sautter, der dieser Sache noch eine Wende geben könnte: "Wenn Sie saget, des isch beendet, dann höret se uff."
Kretschmann nimmt sich Zeit
Kretschmann bleibt geduldig. Er nimmt sich Zeit für das Gespräch, nahezu zehn Minuten, während drinnen im Saal Hunderte Bürger auf sein Erscheinen warten. Und Bio-Landwirt Stefan Brezing, der bis zu 30 Prozent seiner landwirtschaftlichen Flächen für das Projekt abgeben müsste, legt nach: "Das hat doch eine gewisse Brisanz, wenn nach dem zweiten Weltkrieg der erste Militärflugplatz – oder Absprunggelände – aufgemacht wird. In einem grün regierten Bundesland!"
Kretschmann unterstreicht jedes seiner Gegenargumente mit einer Geste, als ob er die Lösung förmlich mit den Händen greifen wollte. Schließlich sagt er zu, er wolle alles nochmals mit seiner zuständigen Staatsrätin Gisela Erler besprechen, die neben ihm steht: "Aber versprechen Sie sich nicht zuviel davon." Denn, sagt er, es gehe auch um 1500 Arbeitsplätze bei Bosch. Das Unternehmen will auf dem bisherigen Absetzgelände in Renningen bekanntlich ein Forschungszentrum errichten. Kretschmann verweist auf die wirtschaftlichen Konsequenzen, falls das Projekt scheitern sollte: "Ein so globaler Konzern, der kann auch woanders hingehen. Dann entziehen wir uns der Grundlage für die wirtschaftliche Prosperität."
"An Tatsache wird sich nichts ändern"
Dann meldet sich Staatsrätin Erler an Kretschmanns Seite zu Wort: "Ihre Argumente kennen wir natürlich alle. Er (Kretschmann) kennt sie eigentlich auch." Aber an der Tatsache, stellt sie kategorisch fest, dass dieses Gelände in den Augen der Fachleute nun mal das geeignete sei, "daran wird sich nichts ändern".
Und Kretschmann wird noch deutlicher in seinem schwäbischen Duktus: "Wenn ich woanders hingang, dann sind doch die gleiche Leut’ do wie Sie." Baden-Württemberg sei ein dicht besiedeltes Land: "Wir haben keine Region, die sagt, do gehen wir jetzt hin, do isch nix". Er als Regierungschef sei für die Problemlösung zuständig, er gesteht aber auch: "Dieses Problem ist praktisch nicht lösbar."
Die Zeit drängt, die Zuhörer im Saal warten. Schließlich gibt sich der Landesvater konziliant: "Jetzt guck ich mol, ob ich des nabring, euch zu besucha". Aber versprochen sei nichts. Die Aktivisten sind zufrieden. "Es pressiert ja auch nicht so", meint Jürgen Kaupp. Da nickt auch Staatsrätin Erler verständnisvoll und zeigt auf ihren Chef: "Er regiert ja noch eine Weile."