Uli Seeger blickt mit gemischten Gefühlen auf sein Debüt im Haiterbacher Gemeinderat. Er baut auf die Maxime, keine Angriffsfläche zu bieten. Foto: Buck Foto: Schwarzwälder Bote

Interview: Gemeinderats-Nachrücker Uli Seeger spricht über den Umgangston im Gremium, die Nato und seine politischen Ziele

Nachdem der UBL-Fraktionsvorsitzende Gerhard Gutekunst die Arbeit im Haiterbacher Gemeinderat hingeschmissen hat, rückt der 58-jährige Uli Seeger ins Gremium nach. Der dreifache Familienvater ist sowohl im Tennis als auch im Kirchenchor aktiv. Jetzt kommt der Gemeinderat noch dazu. Ein Gespräch über volle Terminkalender, seine politischen Anfänge und die unechte Teilortswahl.

Herr Seeger, Ihre erste Sitzung im Gemeinderat ist am Mittwoch, 24. Januar. Kribbelt es schon?

Ja klar, jetzt beginnt für mich irgendwo ein neuer Lebensabschnitt. Ich komme mit Themen in Berührung, wo bisher wenig Schnittmenge da war. Man interessiert sich als Bürger der Stadt natürlich auch für die Kommunalpolitik und kann in den Gemeinderat gehen. Aber durch die ganzen Diskussionen um das Gremium, wie es da zugehen soll, dachte ich mir, dass man sich das auch sparen kann. Wenn ich Theater brauche, kann ich in die Mäulesmühle zu Hannes und der Bürgermeister gehen.

Trotzdem rücken Sie jetzt für Gerhard Gutekunst in den Rat nach. Wie geht man damit um? Ein solcher Vorgang ist ja nicht alltäglich.

Ich habe erst gedacht, der Kelch geht an mir vorüber. Natürlich war meine Grundsatzentscheidung 2009 zu kandidieren. Da waren die Rahmenbedingungen sehr gut. Aber die letzten zwei, drei Jahre hat es an Dynamik zugenommen und das begleitet so ein Amt etwas mit Schwermut. Auch für Gutekunst waren ja nicht nur die familiären Gründe ausschlaggebend für seine Entscheidung, sondern auch die persönlichen Angriffe. Ich weiß auch nicht, warum die Sache jetzt so eskaliert ist.

Wie werden Sie mit möglichen Angriffen umgehen?

Ich glaube, dass mich das eher nicht tangiert, da ich momentan keine Angriffsfläche biete. Ich war in den letzten Jahren in keiner Gemeinderatssitzung, bei keiner Fraktionssitzung. Also bin ich im Prinzip chemisch rein. Falls es doch zu Angriffen kommt, werde ich versuchen, mich taktisch zu verhalten. Ich will einfach keine Plattform bieten dafür.

Glauben Sie, dass die Situation besser wird – und vor allem wie?

Ich denke, zu Argumentieren ist der richtige Schritt. Man kann sich nicht von Leuten, die das Demokratieverständnis ändern wollen oder ihre persönlichen Dinge in den Vordergrund stellen, klein machen lassen. Da braucht man eine feste Meinung und muss auch einfach sagen: nein, so geht es nicht.

Sie sind 2009 und 2014 an der unechten Teilortswahl gescheitert. Wollen Sie da etwas ändern, auch aus Ihrem persönlichen Schicksal heraus?

Auf jeden Fall. Mit der unechten Teilortswahl bin ich absolut nicht einverstanden. Das spiegelt nicht den Wählerwillen wider. Das höre ich auch von vielen Leuten. Andere Städte haben das Relikt aus dem Jahr 1972 schon lange abgeschafft. Ich kann nicht verstehen, warum die Ortschaftsräte da dagegen waren.

Sie sagten vorhin, dass Sie dachten, der Kelch gehe an Ihnen vorüber. Haben Sie schlicht nicht mehr damit gerechnet, reinzukommen – oder sagen Sie, das müsste jetzt nicht mehr sein?

Die nächste Wahl findet ja schon im Mai oder Juni 2019 statt. Von daher dachte ich, dass die knapp eineinhalb Jahre vollends ruhig vorbeigehen. Und ich ging davon aus, dass alle, also auch Gerhard Gutekunst, weitermachen. Der Rücktritt kam für mich total überraschend.

Weg vom Gremium zu Ihnen persönlich. Wie kamen Sie denn mit der Politik in Kontakt?

Mein Vater war jahrelang kommunalpolitisch tätig. Wir hatten eigentlich immer sehr gute Diskussionen, die zum Teil auch kontrovers waren. Das hat schon ein demokratisches Verständnis geweckt. Der Vater war konservativ geprägt, wir Kinder eher nicht, wir haben da das Feuer etwas entfacht. Aber als Staatssekretär Wolfgang Rückert mal bei uns zu Hause war, sagte er zu meinem Vater: "Wilhelm, Deine Kinder sind in Ordnung. Das ist gelebte Demokratie." So sehe ich das auch ein Stück weit für Haiterbach. Man muss akzeptieren, dass es unterschiedliche Meinungen gibt – und die gilt es zu respektieren. Aber auch im Kleinen geht es nur um Macht und Anerkennung.

Wie gehen Sie, auch als christlich geprägter Mensch, mit diesem Streben nach Macht und Anerkennung um?

Das ist so ein Punkt, der einem jeden Tag begegnet. Man sagt ja, der Teufel steckt im Detail. Wenn dann solche Machenschaften einen zu ergreifen versuchen, kannst du nur in die Stille gehen und um Beistand bitten. Letztendlich gibt es eine gewisse Wertvorstellung, der man treu bleiben muss. Man muss das große Ganze sehen und darf sich nicht mit Einzelheiten aufhalten.

Wie sieht diese Wertevorstellung bei Ihnen aus?

Ich habe in den letzten zehn Jahren auch dazugelernt. Bei mir ging es beruflich bergauf und bergab. Das hat mich auch weitergebracht, weil es zwar gewisse Differenzen im Beruf gab vor neun Jahren, ich daraus aber gestärkt hervorgegangen bin. Das hat mir letztendlich auch einen Schub gegeben, mehr Gott zu vertrauen als Menschen.

Zurück zur Politik. Wann sind Sie selbst politisch aktiv geworden?

Ich habe schon mit 17 oder 18 zum ersten Mal demonstriert, damals gegen Pershing II und die Aufrüstung im Kalten Krieg. Da habe ich an der Osterdemonstration in Unterjettingen teilgenommen. Man muss dazu sagen, dass wir als Familie schon immer mit der Bundeswehr zu tun hatten. Unser Bauernhof war Nato-Stützpunkt bei Alarm. Da kam dann das Militär und hat den Bauernhof unter Beschlag genommen. Für mich war das deshalb immer präsent.

Wenn sie diese Erfahrungen haben, wie stehen Sie dann zu den Planungen der Bundeswehr, das Absetzgelände der Fallschirmjäger in Haiterbach einzurichten?

Ich bin mit der Bundeswehr ja quasi groß geworden. Für mich ist das Absprunggelände, wie soll man sagen... Ich sage nicht, man braucht das unbedingt, aber wenn es kommt, dann ist es eben so. Ich kann mit beidem leben, weil ich da keine Berührungsängste habe.

Können Sie die teils heftigen Gegenreden gegen das Absprunggelände nachvollziehen?

Wie bereits erwähnt, das ist gelebte Demokratie. Wenn jemand anderer Meinung ist, dann kann man den nicht einfach verteufeln. Man darf sich da von irgendwelchen Anfeindungen nicht ins Boxhorn jagen lassen.

Ins Boxhorn jagen lassen dürfen Sie sich auch nicht von ihrem Terminkalender. Tennis, Chor, Arbeit und jetzt noch der Gemeinderat. Ist das alles zu schaffen?

Das stimmt, das wird mit den Terminen schon heftig. Bis jetzt hatte ich quasi ein ruhiges Leben. Da muss ich mir jetzt einen Terminkalender machen, den von der Stadt habe ich schon bekommen, da füge ich jetzt die privaten Termine noch hinzu. Wenn es Überschneidungen gibt, muss ich eben überlegen, was mir wichtig ist. Aber das ist machbar, ich bin ja in einem Alter, in dem man noch flexibel ist.   Die Fragen stellte Sebastian Buck