Walter Maier (links) und Eckhart Kern in anregendem Gespräch mit der Gräfin Dorothea von Üxkyll-Gyllenband. Foto: Schwarzwälder Bote

Historie: Gelungene Exkursion des Vereins für Heimatgeschichte Nagold führt nach Unterschwandorf

Der jährliche Besuch einer der Nagolder Teil- und Nachbarschaftsorte durch den Verein für Heimatgeschichte Nagold hat sich zu einem echten Renner entwickelt. Über 50 Teilnehmer besuchten unter der bewährten Führung von Walter Maier das alte Rittergut Dürrenhardt und den Ort Unterschwandorf mit seinem schmucken Kechlerschen Schloss.

Haiterbach-Unterschwandorf/Nagold. Erste Station: Dürrenhardter Hof. Unter der warmen Frühjahrssonne fanden die Besucher im weitläufigen Innenhof der ehemaligen Wehranlage Platz auf den im Karree aufgestellten Bänken. Walter Maier gab eine lebhafte Einführung in die Genealogie und Geschichte der einstigen Gutsherren. Ab 1287 werden Adlige mit dem Beinamen Kechler von Schwandorf urkundlich erwähnt, die sich im Lauf der Zeit in die verschiedenen Linien derer von Talheim, von Gündringen/Dürrenhardt, von Schwandorf und von Diedelsheim verzweigten. Diese Kechlerschen Ortsadligen waren ursprünglich Lehensleute und ritterliche Dienstleute, sogenannte Ministeriale, zunächst der Grafen von Tübingen, dann der Grafen von Hohenberg. Ab 1363 wurden sie mit "Stadt und Amt Nagold" lehensabhängig von der Grafschaft Württemberg. 1805 unterstellte das damalige Noch-Kurfürstentum Württemberg Gündringen und Dürrenhardt dem Oberamt Horb, hingegen Schwandorf dem Oberamt Nagold. Heute gehören alle drei Orte zum Kreis Calw.

Walter Maier griff einige besondere Begebenheiten aus der langen Geschichte der Kechler heraus. So überfielen zum Beispiel im Dreißigjährigen Krieg kaiserliche-katholische Truppen den Dürrenhardter Hof, verwüsteten ihn und setzten den 70-jährigen protestantischen Hans Kaspar (III) Kechler in Rottenburg gefangen. Mit dessen Freilassung wurde dann sein Sohn Hans Melchior Kechler erpresst. Geforderte Gegenleistung war allein die Rekatholisierung der Kechlerschen Ortschaft Gündringen. Der Sohn nahm an und konvertierte 1636, mit ihm gezwungenermaßen Gündringen.

So wurde Gündingen wieder katholisch

Immer noch im Innenhof des Rittergutes begrüßte dann die heutige Eigentümerin des landwirtschaftlich genutzten Hofes, Gräfin Dorothea von Üxkyll-Gyllenband, die Besucher herzlich und machte sie in lebendigen Worten mit der Geschichte ihres Geschlechts und den jetzigen Verhältnissen der Anlage bekannt. Die weit verzweigte Familie gelangte vor allem im Baltikum und in Württemberg zu Besitz und Ansehen. Hans Franz von Kechler (1653-1681) war der letzte männliche Spross der Gündringen/Dürrenhardter Linie. Durch wiederholte Verkäufe gelangte das Gut 1805 an Christian von Münch, in dessen Nachfolge eine Erbengemeinschaft das Gut wiederholt verpachtete. 1940 kam der Besitz durch Heirat an die Freiherrn von Podewils und an die Grafen von Üxkyll. 1953 hatte mit Graf Wilhelm von Üxkyll-Gyllenband ein passionierter Landwirt das Rittergut übernommen und bis zu seinem Tod die 130 Hektar Nutzfläche erfolgreich bewirtschaftet. Heute wohnt seine Tochter Dorothea auf dem Hof und betreibt eine Ponyzucht. Die Landwirtschaft ihres Hofes wurde an die Betreibergemeinschaft Sauter (Bondorf) und Walter (Jettingen) verpachtet und teilweise verkauft. Der Gräfin war eine wirklich gute Gastgeberin.

Zweite Station: Das Unterschwandorfer Schloss. In der Kapelle des einstigen Schlosses der Freiherrn von Kechler wurde die große Gruppe von Elisabeth Waldschütz begrüßt. Ihr Ehemann, der Schlossherr Guenther Graef, hat das Anwesen geerbt und bemüht sich ganz offensichtlich mit Erfolg, unter Einsatz von Kraft und Geld, um eine angemessene Restaurierung. Elisabeth Waldschütz, Historikerin, hielt eine Powerpoint- Präsentation über die Geschichte des Schlosses und seiner Bewohner. Das Schloss liegt erhöht auf einem Tuffsteinfels und ist in seiner jetzigen Gestalt ein Werk des bekannten württembergischen Renaissance-Baumeisters Heinrich Schickhardt aus Herrenberg. Waldschütz beschrieb kurz einige der vielfältigen Zeugnisse seiner Bau- und Ingenieurskunst, die noch in über 40 Orten des ehemaligen Herzogtums zu finden sind.

Das Schwandorfer Schloss besteht aus drei Stockwerken, hat zwei Flügel und sein Schmuckstück ist ohne Zweifel die sorgsam renovierte, gotische Kapelle mit ihren schlanken Maßwerkfenstern und dem aufstrebenden Netzgewölbe. Einer ihrer Schlusssteine zeigt das Kechlersche Wappen, den vorwärts gekrümmten Karpfen. Die Rednerin berichtete kurz über die Schwandorfer Kechler und ging dann näher auf die Geschichte der Juden in Schwandorf im 19. Jahrhundert ein, über die sie 1992 mit einer Projektgruppe von Schülern und weiteren Lehrern des OHG Nagold eine bemerkenswerte 800-Seiten-Dokumentation erarbeitet hat.

Einst stand im Ort eine Synagoge

Theodor Carl Adolph von Kechler (1751-1806) war hoch verschuldet, als er am Ende des 18. Jahrhunderts auf den rettenden Gedanken kam, gegen Schutzgeld heimatlose "Colonisten", vor allem Juden und Katholiken – die im evangelischen Württemberg nicht gern gesehen waren – bei sich aufzunehmen. Die Juden durften den heute noch außerorts existierenden Friedhof anlegen und 1804 ein Synagoge erbauen. 1830 hatte Unterschwandorf sogar einen jüdischen Bürgermeister und 110 jüdische Bewohner. Die erdrückenden Abgaben an die Herrschaft allerdings veranlassten diese um die Jahrhundertmitte zur Ab- und Auswanderung, so dass die Synagoge bereits 1860 öffentlich versteigert wurde. Vier Jahre später gab es nur noch einen jüdischen Einwohner im Ort.

Dritte Station: Die kleine Unterschwandorfer Marienkapelle und ihr Friedhof. Zuletzt hieß der junge Ortsvorsteher Markus Häußler die immer noch neugierigen Besucher vor dem Feuerwehrhaus willkommen und führte sie zur 1886 erbauten katholischen Marienkapelle, auf deren Bedeutung Walter Maier einging. Damals hatte Unterschwandorf 163 Einwohner, wovon 140 katholische Colonisten waren. Zum Bau der erwünschten Kapelle sammelte Pfarrer Gnant aus Gündringen unermüdlich Spenden. Die aufgebrachten 5000 Mark reichten zum Bau der Kapelle aus. Die Gemeinde hätte gerne auch den Platz neben der Kirche für einen eigenen Friedhof (statt Gündringen) gehabt. Der letzte Freiherr von Kechler gab aber seine Einwilligung dazu erst kurz vor seinem Tod im Jahre 1924. Er, der Letzte seines Geschlechts, wurde nun als Erster auf dem neuen Friedhof beerdigt. Sein Grabstein wurde natürlich von der Gruppe in genauen Augenschein genommen.

Über vier Stunden auf Spurensuche in der Kechlerschen Vergangenheit brachte den Heimatkundlern viel Neues, und das nur wenige Kilometer von Nagold entfernt. Dazu passte der gesellige Ausklang im gastfreundlich gerichteten Feuerwehrhaus von Unterschwandorf bei Getränken und Wurstvesper.