Gericht glaubt Aussagen des Opfers. Stieftochter 553-mal missbraucht, davon 49-mal schwer.

Haigerloch/Hechingen - Wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilte das Amtsgericht Hechingen gestern einen Mann aus Haigerloch zu vier Jahren Haft. Das Gericht unter dem Vorsitz von Ernst Wührl sah es als erwiesen an, dass der Mann seine Stieftochter 553-mal missbraucht hat, davon 49-mal schwer.

Das Gericht, so Wührl, hatte nach ausgiebiger und sorgfältiger Beratung "keine begründeten Zweifel" an den Aussagen der Betroffenen, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit als Zeugin vernommen worden war. Die Missbrauchsfälle hätten sich über einen sehr langen Zeitraum hingezogen.

Die junge Frau habe die Taten detailliert geschildert. Demnach seien die Übergriffe im Laufe der Zeit schlimmer und häufiger geworden. Sie habe Zeiträume und Schauplätze schildern können. "Wer denkt sich einen so langwierigen, komplizierten Sachverhalt aus?", so der Richter überzeugt. Außerdem habe die junge Frau glaubhaft ihre Gefühlslagen geschildert, nach denen sie Angst gehabt habe, mit dem Angeklagten allein zu sein. Ihre Mutter habe dies bestätigt.

Die von der Verteidigung ins Feld geführten Widersprüche in den Angaben der jungen Frau bei der polizeilichen und der richterlichen Vernehmung hätten durch konkretes Nachfragen ausgeräumt werden können. Die Unsicherheiten bei lange zurückliegenden Ereignissen, als das Mädchen noch sehr jung war, seien plausibel und nachvollziehbar.

Die Stieftochter habe auch nie "dick aufgetragen", um den Angeklagten ins Gefängnis zu bringen. Sie habe sich bei der Schilderung von Gewalt, Schmerzen oder Drohungen sehr zurückgehalten. Dass sie die Taten so spät angezeigt habe liegt nach Überzeugng des Richters zum einen daran, dass ihr bei ihrem ersten Hilferuf im Jahr 2003 vor allem die Mutter nicht geglaubt habe. Zur Anzeige habe sie sich entschlossen, weil sie befürchtete, dass ihrer kleinen Schwester ein ähnliches Schicksal drohe.

Richter Wührl ging von einem durchgängigen Missbrauch über beinahe zehn Jahre aus und kam daher auf mehr Taten als die Staatsanwältin: Sie war bei den Plädoyers vor zehn Tagen von 301 Missbrauchstaten, davon sechs schweren, ausgegangen war. Daher müsse die Strafe höher liegen als die von der Staatsanwältin geforderten dreieinhalb Jahre.

Das Gericht sei mit der Gesamtstrafe von vier Jahren am "unteren Rand" des Strafmaßes geblieben. Der Verteidiger hatte Freispruch gefordert, da aus seiner Sicht die Taten nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnten.