Literatur: Gymnasiasten befassen sich mit dem von den Nazis schikanierten Wortkünstler Erich Kästner
Erich Kästner ist ein vielschichtiger Wortkünstler. Der Literatur- und Theaterkurs aus der Oberstufe des Haigerlocher Gymnasiums nahm sich ihm und seinem Werk jetzt an. Der Abend in der Schulaula stand unter dem Motto "Die Welt … ist ein Theaterstück".
Haigerloch. Erich Kästner ist hauptsächlich bekannt als Autor von Kinderbüchern wie "Emil und die Detektive", "Das Doppelte Lottchen" oder dem "Fliegenden Klassenzimmer" und zahlreicher bezaubernder Gedichte.
Aber der am 23. Februar 1889 in Dresden geborene Schriftsteller und Publizist war viel mehr. Er war vor allem einer, der sich als selbst Betroffener intensiv mit dem Nationalsozialismus und seinen verheerenden Folgen auseinandersetzte. Und vieles von dem, was er während der Nazidiktatur und in der Auseinandersetzung mit ihr danach schrieb, ist heute immer noch – oder wieder – von erschreckender Aktualität.
Die Schüler schafften es, in einer Stunde mit kurzen Spielszenen, Gedichten und Zitaten einen ebenso unterhaltsamen wie bewegenden Querschnitt des Lebens und Werks von Erich Kästner zu präsentieren: Mal witzig, mal beklemmend, mal anrührend.
Es beginnt mit einem ganz dunklen Kapitel: Der Bücherverbrennung 1933. Kästner ist zugegen, aber er widerspricht nicht. Warum? Keiner kann die Mutfrage beantworten, bevor die Zumutung eintritt, erklärt der Schriftsteller. Und: Diktaturen müssen bekämpft werden, bevor sie an der Macht sind. Dies sei eine "Angelegenheit des Terminkalenders", stellt er nüchtern fest – Kästners Art, dem Schrecken seine Macht zu nehmen. Der Autor ging trotz Berufsverbots und fortwährender Schikanen durch die Gestapo nicht ins Exil.
Erich Kästner hat sich in seinen Gedichten auch mit dem Zwischenmenschlichen auseinandergesetzt, mit Einsamkeit, der Sprachlosigkeit zwischen einstigen Liebenden ("Sachliche Romanze"), mit den Irrungen und Wirrungen der Menschheit ("Der schöpferische Irrtum"). Er hat trefflich Alltagsszenen ("Im Auto über Land") beschrieben.
Und immer wieder sind da die Erinnerungen an die Kindheit, an Dresden, das vor der Zerstörung 1945 für Kästner der Inbegriff der Schönheit war. Und die Frage nach dem Warum. Dem gelegentlich tiefen Pessimismus, den der Zustand der Welt in dem Schriftsteller auslöste ("Ich kam zur Welt und lebe trotzdem weiter") begegnete er mit Humor und wunderbarer Sprache.
Schön, dass sich der Literatur- und Theaterkurs unter der Leitung von Kerstin Gotthardt so sorgfältig mit dem 1974 in München verstorbenen Autor auseinandergesetzt hat und das Publikum an seinem Werk und seinen nach wie vor aktuellen Gedankengängen und gesellschaftlichen Analysen teilhaben ließ. Begeisterter Applaus honorierte die Leistung der Darsteller. Von Schulleiterin Karin Kriesell gab es zum Dank rote Rosen.
Weitere Informationen: Es spielten: Dilan Akkurt, Anthony Busch, Iman Hipp, Wencke Jannasch, Sophie Lohmüller, Olivia Müller, Janis Pfeffer, Kira Rosencrantz und Rasim Simsek.