Die ukrainische Familie mit dem an Pitt-Hopkins erkrankten Sohn Denys (rechts) fühlt sich auf dem Schlossfeld in Sicherheit. Mit auf dem Foto ist Friederike Eibachs Tochter Estha, die ebenfalls das Pitt-Hopkins-Syndrom aufweist. Foto: Eibach 

Ortsvorsteher Michael A. C. Ashcroft verschlägt es fast die Sprache: Was er derzeit im Städtle erlebt, ist für ihn ein leuchtendes Beispiel an Mitmenschlichkeit, Solidarität und Hilfsbereitschaft. 17 aus der Ukraine geflüchtete Menschen sind mittlerweile auf dem Schlossfeld untergebracht.

Haigerloch - Dort hat Paul Sebastian Schwenk kostenlos fünf Appartements zur Verfügung gestellt. In diesen leben jetzt zumeist Frauen und Kinder, alle kommen aus dem umkämpften Großraum Kiew. Lediglich zwei Ehemänner sind dabei, weil sie aus Kasachstan und Armenien stammen und vom Kriegsdienst in der Ukraine befreit sind

Das Ganze hat inzwischen eine große Dynamik entwickelt. Unterstützer sind in zwei WhatsApp-Ukraine-Gruppen miteinander vernetzt. Als Übersetzerin hilft übrigens die in Haigerloch lebende Olga Golubev, die selbst Flüchtlinge aufgenommen hat.

Der bürokratische Aufwand für die Geflüchteten ist immens

Koordiniert wird das ganze vom Haigerlocher Verein "Das Zahnrad". Dieser kümmert sich vor allem um das, was jetzt an "Verwaltungskram" ansteht. Die Anmeldung der Menschen bei der Gemeinde, die Stellung eines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, das Ausfüllen von zig Seiten auf Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und, und und... "Das alles könnte doch viel einfacher und vor allem papierloser gestaltet sein, damit es schneller geht", findet Friederike Eibach, stellvertretende Vorsitzende des "Zahnrades". Und wenn man auf ihren mit Formblättern übersäten Schreibtisch im Zahnrad-Büro schaut, glaubt man ihr das aufs Wort.

Kind mit Pitt-Hopkins-Syndrom nach Haigerloch gebracht

Friederike Eibach war es auch, die den Stein ins Rollen gebracht hat. Denn wie man weiß, ist sie Mutter einer Tochter, die an dem extrem seltenen Pitt-Hopkins-Syndrom leidet.

Die "Pitti-Community", wie sie selbst etwas flapsig sagt, ist weltweit gut vernetzt. Und so kam der Kontakt zu der 39-jährigen Hanna zu Stande, die einen zehnjährigen Sohn namens Denys mit ebenfalls Pitt-Hopkins-Syndrom hat.

Sie war nach der Flucht mitsamt Mutter, Schwester und deren Tochter in Polen gestrandet. Nach einer wahren Odyssee durch Polen und einer zweitägigen Autofahrt über Tschechien und Nürnberg landete die Familie schließlich am Sonntag, 13. März, in Haigerloch,

Viele Leute und Firmen als Unterstützer mit an Bord

Es waren aber nicht nur Eibach und Schwenk, die sich involvierten. Die evangelische Kirchengemeinde um Pfarrer Oliver Saia half mit, Barbara Sell, Wohn-Schick aus Owingen, Polster-Flaiz aus Gruol und der Laden für Haushalt und Hobby von Max Stauss sorgten für die Ausstattung der Wohnungen.

Friederike Eibach kümmerte sich auch sofort über die KBF Zollernalb um eine adäquate Betreuung von Denys. Das ging unbürokratisch: zusammen mit seiner Mama kann er die Dreifürstensteinschule in Mössingen jetzt dreimal die Woche vormittags besuchen. Auch einen Reha-Buggy hat sie organisiert.

Zu den "Erstankömmlingen" sind in den Tagen darauf weitere Familien gestoßen, eine kam über die Türkei. Hier hatte die Zahnrad-Vorsitzende Sevilay Dag über ihre türkische Community die Fäden gezogen. Auch sie alle mit Kindern. Zwei davon besuchen bereits die Integrationsklasse an der Eyachtalschule. Weitere sollen an die Grundschule.

Deutsch-Unterricht und Betreuung für Kleininder wäre wichtig

Schwieriger ist es aufgrund des akuten Platzmangels, die Jüngsten in den Haigerlocher Kindergärten unterzubringen. Hier hofft man im "Zahnrad", dass sich vielleicht eine Erzieherin findet, die zwei Vormittage die Woche auf dem Schlossfeld etwas mit den Kindern macht. Auch jemand der mit den Geflüchteten Deutsch lernt, wäre willkommen. Zum Fußballspielen sind die Kinder schon zum SV Bittelbronn chauffiert worden. Friederike Eibach würde sich freuen, wenn man beim zunehmend schönen Wetter den kriegstraumatisierten Menschen ein Highlight präsentieren könnte. Ihr Wunsch "Eine Einladung auf die Burg Hohenzollern, das müsste doch möglich sein."

Weitere Informationen:

Natürlich kann man die Arbeit mit den Geflüchteten auch mit Spenden unterstützen: Und zwar über die Konten des Zahnrads unter dem Stichwort "Flüchtlinge Ukraine" (wichtig). Sparkasse Balingen Zollernalb IBAN: DE64 6535 1260 0134 0492 12 oder Volksbank Hohenzollern-Balingen IBAN: DE60 6416 3225 0011 6910 00 Aber auch mit Sachspenden unter owingen@gmx.de