"Durch die Hausarzt-zentrierte Versorgung werde ich als Allgemeinmediziner gestärkt", betont der Haigerlocher Arzt Karl-Albrecht Rapp. Foto: Privat Foto: Schwarzwälder Bote

Gesundheit: Zehn Jahre Versorgungsverträge mit der Kasse: Laut AOK wird die ambulante Versorgung vor Ort gestärkt

Vor zehn Jahren wurde vom Hausärzteverband MEDI und der AOK Baden-Württemberg der bundesweit erste Vertrag zur Hausarzt-zentrierten Versorgung (HZV) unterzeichnet. Im Zollernalbkreis können sich AOK-Versicherte an mehr als 80 Ärzte wenden. Darunter sind 36 Fachärzte.

Zollernalbkreis. Damit ist der Hausarzt der "Lotse im Gesundheitssystem". Landesweit nehmen 1,6 Millionen AOK-Versicherte am Hausärztevertrag teil. Derzeit wirde die HZV für die gesamte Republik empfohlen.

"Nach zehn Jahren intensiver Arbeit ist es gelungen, den HZV als alternative Regelversorgung zu verankern, die allen Beteiligten nutzt: unseren Versicherten, der Ärzteschaft und der AOK", stellt Klaus Knoll, Geschäftsführer der AOK-Bezirksdirektion Neckar-Alb, fest. "Mit dem Hausärztevertrag wurde erfolgreich ein neuer Weg beschritten, der die ambulante Versorgung vor Ort nachhaltig stärkt", unterstreicht der Haigerlocher Arzt Karl-Albrecht Rapp.

In der Region Neckar-Alb beteiligen sich mehr als 300 Hausärzte an dem Modell, und es werden mehr als 159 000 AOK-Patienten behandelt. Hinzu kommen 131 Fachärzte der Bereiche Kardiologie, Gastroenterologie, Psychiatrie/Neurologie/Psychotherapie, Orthopädie, Rheumatologie, Urologie und Diabetologie.

"Der Anteil von HZV-Ärzten im Landkreis beträgt 76 Prozent. Gleiches gilt für die Teilnahmequote von 45 Prozent unserer AOK-Kunden", so Patric Schweizer vom Arztpartnerservice der AOK. Die Gruppe der über 50-Jährigen stelle die Mehrzahl der eingeschriebenen HZV-Versicherten dar.

"Durch die HZV werde ich als Allgemeinmediziner gestärkt", betont Rapp. Als qualifizierter "Rundum-Versorger" vor Ort behandle er nicht nur alle Patienten, sondern stehe als Koordinator im engen Austausch mit seinen Fachkollegen. "Ich habe so den Überblick und steuere damit die Behandlung", erklärt Rapp, der in Haigerloch eine Praxis führt. Dadurch würden Fehlmedikation und unnötige und belastende Doppeluntersuchungen vermieden. Außerdem seien die im Vertrag vorgesehenen engmaschigen Betreuungsmodule für die Gesundheit chronisch erkrankter Personen bedeutsam.

Diese Feststellung belegen die begleitenden Evaluationen der Universitäten Frankfurt/Main und Heidelberg. Demnach weisen HZV-Patienten mit koronaren Herzerkrankungen landesweit pro Jahr 1900 weniger Krankenhausaufenthalte und etwa 17 000 Krankenhaustage weniger aufgrund kürzerer Liegezeiten auf. Bei Diabetikern sind deutlich weniger schwerwiegende Komplikationen zu beobachten. Über einen Beobachtungszeitraum von sechs Jahren (2011 bis 2016) seien rund 4000 schwerwiegende Komplikationen wie Amputation, Dialyse, Erblindung, Herzinfarkt oder Schlaganfall in der HZV-Gruppe vermieden worden. Im Fünf-Jahres-Zeitraum (2012 bis 2016) zeige sich, dass das Risiko, zu versterben, in der HZV geringer sei als in der Regelversorgung. Die Statistik weise knapp 1700 verhinderte Todesfällen bei HZV-Patienten aus.

Auch die Ärzte profitieren: "Die leistungsgerechte Honorierung in festen Eurobeträgen ohne Budgetierung sichert die wirtschaftliche Zukunft unserer Praxen und bietet Planungssicherheit für Investitionen und laufende Kosten", sagt Rapp. Und mit der Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis – der VERAH – stehe die HZV für moderne, teamorientierte Praxisstrukturen. Denn die VERAH entlaste die Mediziner etwa bei der Versorgung der älteren und multimorbiden Patienten, führe Hausbesuche durch und übernehme medizinische Tätigkeiten, die nicht zwingend vom Arzt ausgeführt werden müssen. Letztlich seien HZV-Praxen auch ein Mittel gegen den Ärztemangel im ländlichen Raum.

Die AOK-Versicherten im HZV profitieren außerdem von zusätzlichen Serviceleistungen, zum Beispiel kürzeren Wartezeiten, umfangreichen Vorsorgeuntersuchungen oder Befreiung von Zuzahlungen.

Die HZV entwickelt sich nach Angaben der AOK weiter: Mit Nephrologie, Pulmologie und HNO werde die alternative Regelversorgung der Facharztverträge in diesem Jahr erweitert.