Landschaftsarchitektin Isabel David (rechts Ortsvorsteher Michael A.C. Ashcroft) zeigte in der gut besuchten Ortschaftsratssitzung im Bürgerhaus Perspektiven auf, wie man das Städtle wieder attraktiver machen könnte. Foto: Kost Foto: Schwarzwälder Bote

Ortschaftsrat: Landschaftsarchitektin Isabel David zeigt Wege zur Wiederbelebung des alten Stadtkerns auf

Es ist offensichtlich: Der alte Haigerlocher Stadtkern hat sich an etlichen Stellen nicht gerade zu seinem Vorteil entwickelt. Doch noch ist es wohl nicht zu spät: Eine Wiederbelebung und Attraktivitätssteigerung des Städtle scheint weiterhin möglich – auch mit kleinen und einfachen Maßnahmen.

Haigerloch. Zu dieser Überzeugung gelangt jedenfalls die Landschaftsarchitektin Isabel David. Bei der ersten Sitzung des Haigerlocher Ortschaftsrats nach den Sommerferien im Bürgerhaus hielt sie vor gut 30 höchst aufmerksamen Zuhörern einen stellenweise leidenschaftlichen Vortrag.

Dass Stadtbelebung nicht unbedingt ein mit hohen Investitionen verknüpfter Luxus ist, sondern etwas, wovon allen profitieren, belegte sie mit Zahlen. Mehr als 51 Prozent der Menschen, so die seit 15 Jahren mit Stadtbelebung und Denkmalpflege beschäftigte Landschaftsarchitektin, verbinden mit dem Begriff "Heimat" ein Gebäude.

Schöne Altstädte schaffen Heimatgefühl

Und damit würden die Menschen nicht unbedingt an neu gebaute Häuser denken, sondern an markante Gebäude des Heimatortes. Diese sind den Menschen von Kindesbeinen an vertraut. Je älter ein Gebäude sei, desto mehr werde dessen kultureller Wert geschätzt. 57 Prozent der Bürger würden laut ihr zudem das Wohnen in Altbauten bevorzugen. "Neubaugebiete", so David, "stiften keine Identität", Altstädte dagegen Heimatverbundenheit.

Während jedoch in großen Städten alte Gebäudesubstanz erhalten und gepflegt werde, sehe es im ländlichen Raum etwas anders aus. Dort seien 31 Prozent des alten Gebäudebestandes gefährdet. Und dabei sei dessen Überlebensdauer deutlich höher als die von modernen Einfamilienhäuser (60 bis 100 Jahre)

Dass es sich lohnt, in eine Altstadt zu investieren, bestätigt Isabel David ein Blick in die Entwicklung des Tourismus. Städtetourismus boome und habe in jüngster Vergangenheit einen Zuwachs von 70 Prozent erfahren, betonte sie. Insbesondere in Orten mit reichhaltiger Geschichte und alter Architektur. Davon habe Haigerloch eine ganze Menge zu bieten. Und wo es eine attraktive Innenstadt gebe, da sei sie nicht nur für die Besucher interessant, sondern auch für die Einheimischen und Geschäfte. David: "Baukultur ist ein wichtiger Standortfaktor."

Von den Ideen anderer Städte lernen

Was aber kann man anders machen? Für Isabel David heißt das zunächst einmal, von anderen Städten lernen. Beispielhaft zeigte sie Fotos von Kommunen wie Ettenheim, Esslingen oder Engen, aber auch aus Städten in der Nachbarschaft wie Horb, Rottenburg oder Rosenfeld. Dort, so zeigten die Bilder, ist Stadtentwicklung entweder nahezu mustergültig oder zumindest in guten Ansätzen realisiert worden.

Auch in Haigerloch sei das möglich, ist sie überzeugt. Als 1974 die Stadterneuerung eingeleitet worden sei, erklärte Isabel David, sei ein kluger Rahmenplan von "ganz hoher Qualität und mit vielen guten Ideen" entstanden. Davon sei zwar einiges umgesetzt worden, aber eben nicht alles. Und obwohl der Plan Empfehlungen für eine Weiterentwicklung gebe, sei das alles irgendwann zum Stillstand gekommen.

Die damaligen Planer hätten zum Beispiel empfohlen, eine Altstadtsatzung zu erlassen, wie sie viele andere Städte haben. "Das wurde aber nie umgesetzt", bedauert die Referentin. Dabei sei eine solche Satzung von enormer Bedeutung, um die Gesamtanlage eine alten Stadt und deren Außenbild zu schützen und Fehlentwicklungen zu vermeiden.

Beispielhaft zeigte sie schließlich auf, wo man in Haigerloch ansetzen könnte. Dabei müsse man "nicht immer viel bauen, sondern könne auch mit kleinen Eingriffen viel bewirken." Trotz der Neugestaltung der Eyachauen und dem Bau eines Radweges in der Unterstadt vermisst sie einen direkten Zugang zum Wasser. Die höfischen Gartenterrassen seien dem Verfall preisgegeben. Haigerloch habe zudem im Haag oder an der Ölmühle Plätze mit enormen Potenzial, die man viel stärker gestalten könnte, um ein mediterranes Lebensgefühl zu erzeugen.

Lieber Krapfen-Stadt als Donut-Kommune sein

Und im Gegensatz zu manch anderen Zeitgenossen plädiert die Landschaftsarchitektin auch dafür, den Pflasterbelag in der Oberstadtstraße unbedingt zu erhalten. Dieser werde Jahrhunderte alt. Wenn er an manchen Stelle nicht funktioniere, dann liege es am Aufbau des Belages.

Aus den Ideen und Hinweisen leitete Isabel David am Ende ihres Vortrages auch einige Handlungsempfehlungen ab:

 Altbausanierungen haben Vorrang vor Neubauten.

 Es braucht ein Leerstandsmanagement; Leerstände sind über attraktive Preise zu vermarkten. Ein amtlicher Ansprechpartner für Baukultur ist wichtig.

 Der Tourismus ist zu fördern und die Kultur zu stärken. Es bedarf einer stärkeren Durchgrünung der Stadt.

 Bürgerinitiativen sollten sich gründen; sie können privates Engagement bündeln und Druck auf politische Entscheidungsträger ausüben.

Und, nicht zu vergessen: Es gibt über 90 Förderprogramme für den ländlichen Raum. David: "Man muss sich nur schlau machen, wo man Geld abholen kann."

Was also soll aus dem Städtle werden? Eine Donut-Kommune mit einem Loch in der Mitte und fetten Rändern? Oder doch lieber eine Krapfen-Stadt mit reich gefülltem Kern, der nach außen ausstrahlt? Für die Zuhörer war die Antwort eindeutig, wie die lebhafte Diskussion zeigte (wir werden noch berichten).