Geduld, Fingerspitzengefühl und eine Ahnung von Farben sind nötig, um die von Künstler Sebastian Osterrieder geschaffenen Krippenfiguren aufzufrischen. Darum sind sie bei Malermeister Helmut Sell in besten Händen.Foto: Kost Foto: Schwarzwälder Bote

Kirchenkunst: Helmut Sell frischt mit viel Feingefühl die Osterrieder-Krippe aus der Schlosskirche wieder auf

Kein Zweifel: Die Haigerlocher Schlosskirche ist ein Ort mit einer gigantischen Fülle an kirchenkulturellen Schätzen. Einer davon ist aber immer nur zu Weihnachten zu sehen: Eine Krippenszene, erschaffen vom bekannten Künstler Sebastian Osterrieder. Ihr widmet sich derzeit Malermeister Helmut Sell.

Haigerloch. In seiner kleiner Werkstatt in der Großbayerstraße liegen derzeit 26 Krippenfiguren. Darunter natürlich die Heilige Familie mit Josef, Maria und dem Christuskind aber auch Hirten, Engel und Schafe. Alle bedürfen einer Auffrischung, denn die Figuren sind sehr alt.

Ob die Krippe Ende der 40er Jahre oder Anfang der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts angeschafft wurden, vermag der heute 82-jährige Malermeister nicht mehr zu sagen. Eines weiß er aber gewiss: als der damalige Stadtpfarrer Monsignore Marquard Gulde sie angeschafft hat, war er noch ein kleiner Bub.

Helmut Sell erinnert sich noch gut daran, wie Gulde seinerzeit sogar unter den Schulkindern Geld gesammelt hat, um die Krippe für die Schlosskirche zu kaufen. Dort ist sie immer zur Weihnachtszeit zu sehen und dann wandern die Figuren wieder in eine alten Kiste und werden in Papier eingewickelt.

Und genau das ist das Problem: Das ständige Einpacken und Aufbauen der Krippenszene ist den Figuren nicht wirklich zuträglich. Dabei platzt hier mal ein Stück Farbe ab, dort eine Fingerkuppe – man kennt das ja vom eigenen Weihnachtsschmuck.

Sebastian Osterrieder (siehe Info-Rubrik) hat für die Erstellung von Krippenfiguren ein Verfahren angewandt, dass als "französischen Hartguss" bekannt ist. Aus Gelatine oder Kautschuk entsteht dabei eine Art Rohling. In diese Gussform wird zuerst eine Drahtarmierung eingebracht, die Form wird dann mit einer Mischung aus Champagnerkreide, Gips und Hasenleim ausgegossen.

Die Rohlinge der Figuren werden dann zusammengesetzt, bemalt und Textilien darüber drapiert, die mit Hasenleim getränkt sind. Auf diese Weise entstehen äußerst filigrane und ausdrucksstarke Kunstwerke, an denen die Faltenwürfe jedes Kleides oder Mantels absolut realistisch aussehen.

Als Handwerker alter Schule hat Malermeister Sell vor einer derart aufwändigen und fingerfertigen Arbeit natürlich größten Respekt. Vor allem die ausdrucksstarken Gesichter der Figuren begeistern ihn immer wieder aufs Neue.

Seit Februar befinden sich die Krippenfiguren in Sells Werkstatt. Zunächst hat er sie einer Grundreinigung unterzogen. Zum Nachstreichen mischt Helmut Sell aus Dispersionsfarbenden Farbton, der der bereits vorhandenen Farbe entspricht. Helmut Sell bemalt die Figuren aber nicht nur und überzieht sie zum besseren Schutz am Ende mit einem Acryl-Lack, er bessert auch manche Stellen aus. So hat er zum Beispiel dem Heiligen Josef mit entsprechendem Material ein paar neue Finger verpasst, weil die alten abgebrochen waren. "Dem Jesuskind habe ich eine neue Windel angezogen, die alte war nämlich dreckig", witzelt er – klar, das ist bei kleinen Kindern nun mal von Zeit zu Zeit nötig. Helmut Sell hat auf jeden Fall noch eine ganze Weile zu tun, bis die Krippenfiguren komplett aufgefrischt sind.

Eines aber fällt auf: Wo stecken die Heiligen Drei Könige? Hat für sie das von Monsignore Gulde gesammelte Geld schlicht nicht mehr gereicht? Sind sie im Laufe der Zeit verschütt gegangen? Das wissen weder Helmut Sell noch Claudia Sailer von der Kirchengemeinde Haigerloch. "Vielleicht haben sie ganz einfach den Weg zur Schlosskirche nicht gefunden", meint der Malermeister mit seinem trockenem Humor.

Sell und Sailer würden sich aber freuen, wenn die Krippe nach ihrer Instandsetzung das ganze Jahr über in der Schlosskirche zu sehen wären. Dafür könnte man sie auf einen fahrbaren Untersatz stellen, den man bei kirchlichen Anlässen wie der großen Pfingstmesse einfach aus dem Altarraum fährt.

Sebastian Osterrieder wurde am 19. Januar 1864 in Abensberg – eine Kleinstadt im niederbayerischen Landkreis Kelheim – geboren und starb am 5. Juni 1932 in München. Dort studierte er an der Akademie der Bildenden Künste Bildhauerei. Osterrieder gilt als Mann, der die Weihnachtskrippe künstlerisch erneuerte und zu neuer Blüte führte. Viele seiner Krippen sind heute zwar verschollen, es existieren aber auch noch welche, unter anderem in Lautlingen, in Bad Wurzach oder im Bayerischen Nationalmuseum. Auch im Missionshaus der Weißen Väter stand eine Krippe von Osterrieder – sogar mit einer Elefantenfigur.