Reichspogromnacht: Gedenkfeier mit Präsentation eines neuen Kurzfilmes
Wer ihn nicht kennt, hat Mühe ihn zu finden, so versteckt liegt er. Am Samstag aber, bei der Gedenkfeier zur Reichspogromnacht, stand er im Mittelpunkt: Der erste Friedhof der Haigerlocher Juden im Wald zwischen Gruol und Weildorf.
Haigerloch. Über ihn ist jetzt ein mehrminütiger Kurzfilm entstanden, der bei der Gedenkfeier am Samstag in der Ehemaligen Synagoge Premiere feierte. Er wird in Zukunft als fester Bestandteil der Ausstellung "Spurensicherung – jüdische Geschichte in Hohenzollern" in einer der Video-Boxen in der ehemaligen Synagoge gezeigt.
Der Film zeigt Mira und Moritz Bacher sowie Felix Beck, drei Absolventen der Eyachtalschule Haigerloch, die sich auf den Weg in den Weildorfer Wald begeben und sich dort vor laufender Kamera Gedanken über den Friedhof, dessen Tote und eine Jahrhunderte alte jüdische Geschichte machen, die so eng mit ihrer Heimat Haigerloch verwoben ist.
Die Entstehung des Films und die Wahl der drei Akteure sind kein Zufall. Mira, Moritz und Felix haben im Sommer ihre Realschul-Abschlussprüfung gemacht und sich bei der fächerübergreifenden Kompetenzprüfung das komplexe Thema "Das Zusammenleben zwischen Juden und Christen im Gebiet Haigerloch" ausgewählt.
Das kam Helmut Opferkuch, Vorsitzender des Gesprächskreises Ehemalige Synagoge zu Ohren. Gemeinsam mit dem in Stuttgart ansässigen Haus der Geschichte Baden-Württemberg, entschloss man sich, aus diesem Thema einen Film zu machen.
Und so wurden die Fernseh- und Filmproduktionsgesellschaft "Bildmanufaktur" in Stuttgart beauftragt und am 22. August trafen sich die drei jungen Leute mit einem Team um Regisseur Aaron Hüttemann auf dem jüdischen Friedhof zu etwa fünfstündigen Dreharbeiten.
Was daraus entstanden ist, fanden Mira, Moritz und Felix als "ziemlich cool", wie sie im Rahmen der Filmpräsentation meinten, als sie Helmut Opferkuch zu einer kleinen Interview-Runde vor versammelter Zuhörerschaft bat. Alle drei fanden, dass man aus einer solchen Vergangenheit für die Zukunft lernen und für Toleranz und gegen Gewalt und Rassismus einstehen müsse. Einen speziellen Wunsch hatte Mira Bacher. Man solle an Bäumen im Wald kleine Orientierungsschilder anbringen, damit man den Friedhof besser finde. Dieser Idee schloss sich Helmut Opferkuch an.
Auch Rainer Schimpf vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg empfand den jüdischen Friedhof im Wald als faszinierenden Ort, auf dem das älteste Grab aus dem Jahr 1567 datiert. Diese Friedhof könne einiges über die Jahrhunderte alte und damit tiefe Verwurzelung der Juden in Haigerloch erzählen.
In der Gedenkstunde erinnerte Helmut Opferkuch an den 9. November 1938 und "die grauenvollen Taten, die sich die Nazis für diese Nacht ausgedacht hatten."
In Haigerloch waren es etwa 40 SA-Leute aus Sulz und Haigerloch, die das Innere der Synagoge im Haag verwüsteten. Auch die Wohnung von Rabbinatsverweser Gustav Spier wurde damals kurz und klein geschlagen und zwölf jüdische Bürger wurden nach dieser Nacht in "Schutzhaft" genommen. Da sich der Attentatsversuch des aus Hermaringen/ Königsbronn bei Heidenheim stammenden Georg Friedrich Elser am 8. November 1939 auf den im Münchner Bürgerbräukeller auftretenden Adolf Hitler zum 80. Mal jährte, erinnerte Opferkuch auch an diesen Widerstandskämpfer.
Angesichts des Anschlages auf die Synagoge in Halle, der NSU-Morde und der Ermordung des hessischen CDU-Politikers und Regierungspräsidenten Walter Lübcke, mutmaßlich durch einen Rechtsextremisten, zog der Gesprächskreisvorsitzende eine eher düstere Bilanz. Antisemitismus, so Opferkuch, sei wieder auf dem Vormarsch und man erlebe eine sprachliche Verrohung wie lange nicht mehr. Opferkuch: "Es ist deshalb unsere Aufgabe, gegen Gewalt, Intoleranz und Rassismus aufzustehen und für Grundwerte und Toleranz einzustehen."
Umrahmt wurde die Gedenkfeier von Carlotta Koch und Vanessa Noschka, die auf ihren Geigen einfühlsame Stücke spielten. Zudem trugen Eva Ehmann, Ida Becker, Lukas Lieten und Jannis Pfeffer vom Gymnasium Haigerloch ein dreiteiliges Gedicht von Bertolt Brecht vor. Es ist zwischen 1934 und 1938 entstanden und wirft einen kritischen Blick auf den Nationalsozialismus und dessen Wurzeln in der Weimarer Republik.