"Der Mantel der Geschichte": Mit einer szenischen Lesung erinnerten Schüler des Gymnasiums Haigerloch gestern bei einer Gedenkfeier in der Ehemaligen Synagoge an die Reichspogromnacht am 9. November 1938. Eines war danach sicher: Der Mantel des Vergessens darf nie über die Gräueltaten der Nationalsozialisten an den Juden fallen. Foto: Fechter Foto: Schwarzwälder-Bote

Gedenkfeier in der Ehemaligen Synagoge: Schüler erinnern an die Schreckensnacht 1938

Von Birgit Fechter

Haigerloch. Stille. Mäntel hängen an Haken von der Decke in der Ehemaligen Synagoge. Dies ist keine "normale" Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht, zu der der Vorsitzende des Gesprächskreis Ehemalige Synagoge in Haigerloch, Klaus Schubert, gestern die Gäste begrüßt.

Fünf Schülerinnen und Schüler aus dem Literaturkurs des Haigerlocher Gymnasiums unter der Leitung von Kerstin Gotthardt nähern sich dieser Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 und dem ganzen Grauen, das darauf folgte mit einer szenischen Lesung. Titel: "Der Mantel der Geschichte".

Der Mantel der Geschichte – wer trägt ihn? Für Könige und Herrscher bedeutete er ein Symbol von Macht und Stärke. Aber auch die Mäntel des Alltags haben Geschichte geschrieben. Da ist die Muttergottes Maria, deren Mantel ist Schutz und Schild; der Heilige Martin, dessen Mantel Barmherzigkeit symbolisiert.

Da sind aber auch die markanten, Ulster genannten Mäntel der SA- und Gestapo-Mitarbeiter und der Polizisten, die sich, als in Deutschland 1938 die Synagogen brennen, wegdrehen und der Gewalt ihren Lauf lassen. Mänteln des Schreckens. Die Schüler verlesen Augenzeugenberichte und Erinnerungen von Überlebenden der Judenverfolgung, die das Grauen persönlich machen:

Der Mantel der Stigmatisierung ist der nächste Schritt, die Pflicht zum Tragen des Judensterns. Als die Naziherrschaft beendet ist, folgt der Mantel des Schweigens. Der lange Zeit nicht nur die Schuld der Täter, sondern auch das Leid der Opfer zudeckte. Auch in Filmen, die sich mit dem Nazi-Terror auseinandersetzen, spielen Mäntel eine Rolle: In Schindlers Liste etwa geht es um ein Kind in einem roten Mantel. Das Mädchen überlebt das Krakauer Ghetto und lernt als Erwachsene durch den Film 1994 sich ihrer Vergangenheit zu stellen.

Es bleibt der Mantel der Trauer: Im Jüdischen Glauben wird bei einem Todesfall ein Schnitt in den Mantel der Angehörigen gemacht, der den Riss im Herzen symbolisiert. Nach der Lesung: Stille. Die Schüler treten ab. Erst als Klaus Schubert sich bei den Gymnasiasten Lisa Fechter, Marie Waiblinger, Sophie Pflumm, Felix Kern und Christian Strobel bedankt, applaudieren die Zuschauer lange.