Attila Hildmann im Juni 2020 bei einer Demonstration gegen die Coronamaßnahmen in Berlin. Foto: AFP/STEFANIE LOOS

Gegen den prominenten veganen Koch und Autor Attila Hildmann ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft. Nun liegt offenbar ein Haftbefehl vor. Doch wo sich der 39-Jährige derzeit aufhält, scheint unklar.

Berlin - Einst prominenter Koch und Vorzeige-Veganer, ist Attila Hildmann längst zu einem der Sprachrohre der Corona-Verschwörungserzählungen geworden – und offen auch rechtsradikal. Nun scheint ein Haftbefehl gegen den 39-Jährigen vorzuliegen. Das geht zumindest aus Medienberichten hervor, die sich auf Ermittlerkenntnisse berufen. Sowohl das Amtsgericht Tiergarten als auch die Staatsanwaltschaft Berlin wollten sich auf Nachfrage unserer Zeitung nicht zu den Vorgängen äußern.

Haftbefehl ist draußen“

Seit Anfang Februar würden keine Informationen über den Aufenthaltsort von Hildmann vorliegen. Er sei abgetaucht, heißt es aus diesen Ermittlerkreisen. Unklar ist, wie die Information über den erlassenen Haftbefehl an den Kochbuchautor durchgesickert sein soll – oder ob Hildmann dies zur neuerlichen Profilschärfung nutzte, als er auf seinem Telegram-Kanal verkündete: „Haftbefehl ist draußen, es geht um Aussagen auf meinem Telegram und es wird mir Hochverrat vorgeworfen.“

Denn um Hochverrat geht es in der Ermittlungssache Hildmann nicht, sondern um den Verdacht der Volksverhetzung, Beleidigung, Bedrohung und der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten. Im Dezember erwirkte die Staatsanwaltschaft Berlin per richterlichem Beschluss die Auswertung mehrerer Laptops, Handys und Speichermedien aus Hildmanns Besitz. Mehr als 1000 von dessen online geäußerten Kommentaren werden seither überprüft.

Selbstdarsteller und Unternehmer

Laut war Attila Klaus Peter Hildmann seit jeher. Zehn Jahre lang missionierte er fürs Kochen ohne tierische Produkte, ging durch die Talkshows und gab den Vorkämpfer des veganen Lebensstils derart leidenschaftlich, man hätte beinahe annehmen können, er hätte das alles selbst erfunden. Dabei hat Hildmann lediglich früh erkannt, wie man sich eine florierende Bewegung zunutze und geschäftlich rentabel macht – Hildmann stilisierte sich als den Teufelskerl, der nicht trotz veganer Ernährung ein muskelbepackter Kerl ist, sondern gerade wegen seines alternativen Ernährungsstils.

Er verkaufte Kochbücher, vegane Produkte im eigenen Internetshop, belieferte Supermarktketten – 5000 Gläser vegane Bolognese am Tag würde er verkaufen, sagte er. Hildmann eröffnete zwei vegane Schnellrestaurants in Berlin, ein erfolgreicher Unternehmer mit dem Hang zur Selbstdarstellung.

Laut und dünnhäutig

Als Hildmann sich einen Porsche mit Ledersitzen kaufte, kam das nicht gut an in der veganen Gemeinschaft, dünnhäutig war seine Reaktion auf die Kritik. Eine schlechte Bewertung eines seiner Schnellrestaurants beantwortete er 2017 mit wüsten Beschimpfungen in Richtung der Urheberin und verlieh seiner Wut Nachdruck, indem er mit Schusswaffen im Internet posierte.

Als ihn die Berliner Polizei wegen Falschparkens am Wickel hatte, rastete Hildmann öffentlichkeitswirksam aus. Er würde halt brennen für seine Sache und schamlos Werbung für „seine Sache“ betreiben, sagte man da. Und politisch fragwürdig agierte er bereits 2015 als er im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise allerlei rassistische Stereotypen zu Protokoll gab.

Verschwörungs-Influencer

Spätestens mit Beginn der Coronakrise hat Hildmann dann eine neue Sache für sich entdeckt. Er wird zum Verschwörungs-Influencer und stilisiert sich als den letzten Kämpfer für die Freiheit in Deutschland. Anfang Mai 2020 verkündet er, sich fortan in den Untergrund zurückzuziehen, weil „sie“ ihn ermorden wollen. Mit „sie“ meint Hildmann die sogenannte Neue Weltordnung, die am Stichtag 15. Mai 2020 in Kraft treten würde – angezettelt von Geheimbündlern.

Das Ende der Demokratie sei nahe, das Virus sei eine Erfindung, um dieses Ende einzuleiten. In einer Mischung aus gängigen Verschwörungserzählungen, zunehmend rechtsradikalen Kommentaren und militanter werdenden Drohungen gegen Politiker wie Volker Beck (Grüne) hetzt Hildmann fortan gegen die Coronapolitik der Bundesregierung, gegen Virologen, und Kritiker und ruft zum Kampf gegen „das System“ auf. Er bezeichnet sich selbst als „ultra rechts“, erzählt von „Corona-KZs“, erklärt „Hitler war ein Segen für Deutschland im Vergleich zu Merkel dieser Kommunistin“ und fordert die Todesstrafe für Politiker.

Über 120 000 Menschen folgen Hildmann auf seinem Telegram-Kanal. Wie viele davon Kämpfer für seine Sache oder gar die „Armee“ sind, die er hinter sich wähnt, ist unklar. Die Vermutung liegt nahe: Es sind auch Schaulustige unter den Followern.