Bei häuslicher Gewalt sollen Täter dazu verpflichtet werden können, eine „elektronische Fußfessel“ zu tragen. Das hat das Bundeskabinett noch kurz vor der Wahl beschlossen. Wir haben mit Sandra Stahl vom Weißen Ring im Kreis Calw darüber gesprochen. Sie sieht großes Potenzial für den Schutz von misshandelten Frauen. Und meint: Auch für den Täter kann das Gerät von Vorteil sein.
Das Bundeskabinett hat kurz vor der Wahl noch beschlossen, dass bei häuslicher Gewalt Täter, die als sogenannte „Hochrisikofälle“ geführt werden, für drei Monate zum Tragen einer „elektronische Fußfessel“ verurteilt werden können, mit Option auf Verlängerung um drei Monate.
Eine elektronische Fußfessel ist ein kleines elektronisches Kästchen, das am Fußgelenk befestigt wird. Vorlage ist das „spanische Modell“ – in Spanien wird die elektronische Fußfessel schon seit 2009 bei häuslicher Gewalt eingesetzt.
Diese tragen sowohl Täter als auch Opfer. Die beiden Geräte sind miteinander verbunden und geben beiden ein Alarmzeichen, wenn sie entsprechend nah beieinander sind. In der Regel betrage eine „Bannmeile“ 300 Meter. Das ist einerseits für das Opfer gut: Es kann sich entfernen oder Hilfe rufen. Außerdem kann es sehen, wie nahe der Täter tatsächlich ist – in der Querstraße oder doch „nur“ am Rand der Bannmeile? Ist der Täter entsprechend nah, wird auch ein Notalarm ausgelöst.
Auch Täter kann von Fußfessel profitieren
Aber auch der Täter kann davon profitieren. Denn nicht immer wird die Distanz absichtlich unterschritten. So komme es vor, dass sich Täter und Opfer zufällig im gleichen Supermarkt aufhalten – der Täter muss dann sofort die Distanz wieder herstellen, um sich nicht strafbar zu machen. „Da gab es schon Fälle, dass ein Mann mit halb rasiertem Kopf den Friseursalon verlassen musste“, berichtet Stahl.
Absicht oder nicht: Die Bedrohung für von häuslicher Gewalt betroffene Frauen soll so minimiert werden. Im Jahr 2023 gab es in Deutschland 360 Femizide, also eine Tötung einer Frau oder eines Mädchens wegen ihres Geschlechts, berichtet Stahl.
In mindestens 100 Fällen sei bekannt, dass sie vorher um Hilfe baten, schlussendlich vergeblich. Im vergangenen Jahr betreute sie selbst 40 Fälle von häuslicher Gewalt. Der Bedarf wäre aber weitaus höher, meint sie. „Ich denke, keiner der Fälle wäre abgeneigt gewesen“, antwortet sie auf die Frage nach der Fußfessel.
Schon vor der elektronischen Fußfessel gab und gibt es Hilfsmittel für die Opfer häuslicher Gewalt: etwa ein Notrufarmband, ähnlich dem, das ältere Menschen manchmal tragen und mit einem Knopfdruck den Rettungsdienst alarmieren können. Nur, dass dieses Armband direkt zur Polizei geht.
Aber: Die sind oft nicht vorrätig und müssen bestellt werden. Das dauert dann durchaus vier bis sieben Tage. „Und in diesen vier bis sieben Tagen passiert vielleicht ein Femizid“, meint Stahl.
Nachbarn sind wichtige Hilfe
Besonders wichtig seien auch das Umfeld, wie etwa Nachbarn. „Nachbarn sind so wichtig“, sagt Stahl. Sie empfiehlt Opfern, andere um Hilfe zu bitten. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Menschen helfen“, sagt sie. Und im Fall der Fälle: Lärm machen – denn das schafft Aufmerksamkeit. Im Gegenzug sollten Nachbarn aufeinander aufpassen und „lieber einmal zu viel“ die Polizei alarmieren.
Jedoch kommt es auch vor, dass Frauen ihren gewalttätigen Partner zuerst verlassen oder sich Hilfe holen – dann aber trotzdem bei ihm bleiben. Diesen Fall kennt Stahl. Aber: „Ich denke, sie hat bestimmt noch eine Chance.“ Sei die Frau dieses Mal einen Schritt gegangen, gehe sie beim nächsten Mal vielleicht zwei.
Wie der Weiße Ring Opfern von häuslicher Gewalt helfen kann
– anwaltliche Beratung
– Begleitung und Unterstützung bei Terminen– je nach Fall kann eine Prozessbegleitung vermittelt werden
– psychotraumatologische Beratungen
– finanzielle Hilfe
für Umzüge, neue Einrichtung, Überwachungskameras und Alarme
– Aktivierung einer Handy-Notruf-Funktion
– Notrufarmband,
kann auch finanziert werden
– Zusammenarbeit
mit der Polizei (aber Hilfe ist auch ohne Hinzuziehen der Polizei möglich), Jugendamt, Onyx (Beratungsstelle für Opfer von sexualisierter Gewalt), Frauenhaus, Seehaus (Jugendstrafvollzug), bios-bw (Behandlungsinitiative Opferschutz), Internationaler Bund (Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit)