Schattenkämpfe zwischen Christian Lindner (FDP, links) und Robert Habeck (Grüne, rechts) belasten das Klima in der Ampelkoalition. Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Ein Briefwechsel zwischen Robert Habeck (Grüne) und Christian Lindner (FDP) macht deutlich, wie erbittert in der Koalition um den kommenden Haushalt gerungen wird.

In der Ampelkoalition liegen die Nerven blank. Ein in der Sache und im Ton höchst ungewöhnlicher Briefwechsel zwischen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wurde gezielt in die Öffentlichkeit lanciert. Er verdeutlicht, wie massiv der Konflikt das Klima in der Koalition belastet. Es geht nicht nur um Geld. Wir analysieren die Ebenen des Zerwürfnisses.

Die bösen Briefe

Am 14. Februar schreibt Habeck „stellvertretend für die von den Grünen geführten Ministerien“, dass die grünen Minister die Eckwerte für den Bundeshaushalt „so nicht akzeptieren“ können. Die Grünen stellten zwar die Schuldenbremse nicht infrage, es seien im Koalitionsvertrag aber auch andere Projekte vereinbart worden, „die keinesfalls nachrangig zur Einhaltung der Schuldenbremse stehen“. Habeck schlägt vor, „darüber zu beraten, wie wir Einnahmen verbessern“ und „den Abbau umweltschädlicher Subventionen“ vorantreiben.

Lindner antwortet einen Tag später. Er beginnt seinen Brief mit einer ironischen Spitze: „Mit Erleichterung habe ich aufgenommen, dass die von den Grünen geführten Ministerien das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland nicht in Frage stellen.“ Es geht im Ton kühl weiter. Die Ankündigung, die Eckwerte nicht mehr zu akzeptieren, habe ihn „überrascht“. Den Vorschlag, Steuererhöhungen zu prüfen, „möchte ich nicht aufgreifen“, schreibt Lindner.

Der Kern des Konflikts

Auch wenn der Zwist wie eine Parteienfehde zwischen FDP und Grünen wirkt, so hat er einen sachlichen Kern. Die Haushaltsberatungen haben begonnen, für 15. März plant die Bundesregierung den sogenannten Eckwertebeschluss, in dem die großen Linien für den Haushalt 2024 festgezurrt werden. Dass Habeck da Geld für grüne Vorhaben wie die Kindergrundsicherung oder den Klimaschutz fordert, gehört ebenso zum politischen Handwerk wie der Reflex des Finanzministers, auf neue Ausgabewünsche erst einmal abweisend zu reagieren.

Alle Beteiligten wissen, dass der Haushalt 2024 eine besondere Herausforderung darstellt. Kompliziert wird die Lage dadurch, dass es Wünsche gibt, die Lindner kaum ablehnen kann. Dazu gehört mehr Geld für das Verteidigungsministerium oder das Gesundheitsministerium von Karl Lauterbach. Der braucht dringend Geld für seine Pflegereform. Die jüngste Bilanz der Pflegeversicherung wies ein sattes Minus von 2,2 Milliarden Euro aus, und im Koalitionsvertrag stehen noch teure Leistungsverbesserungen. Und als FDP-Chef will auch Lindner Projekte seiner Partei umsetzen, dazu gehört etwa die Aktienrente. So muss er genau prüfen, wie er das vorhandene Geld verteilt, denn Steuererhöhungen lehnt er kategorisch ab.

Die strategische Seite des Konflikts

Es gibt in diesem Ringen auch grundsätzlichere Überlegungen. Lindner und Habeck sind Profis genug, um zu wissen, dass frühe Ankündigungen, einmal in die Welt gesetzt, Fakten schaffen. Von in Aussicht gestellten Vorhaben kann eine Regierung nur schwer abrücken. Lindner hat von der Methode zuletzt reichlich Gebrauch gemacht, bei der Aktienrente, beim Vorstoß, die Umsatzsteuer für die Gastronomie zu ermäßigen und mehr Geld für die Bundeswehr lockerzumachen. Die Grünen fühlen sich dadurch in ihrem Spielraum beschnitten. Daneben gibt es eine Langzeitperspektive. Schon in den lang vergangenen Zeiten, da die Liberalen noch mit der Union Zweierbündnisse formten, diente Streit der FDP mit der CSU beiden Seiten. Das je eigene Milieu wog sich in der Gewissheit, dass ihre Vorkämpfer die Interessen der Basis kraftvoll vertreten.

Die persönliche Seite

Guido Westerwelle hatte in den Zeiten der rot-grünen Regierung schwer unter der öffentlichen Wirkung Joschka Fischers gelitten. Man kann die Frage stellen, ob Lindner ähnlich irritiert über Habecks Beliebtheit ist. Natürlich gibt es eine Rivalität zwischen beiden. Bislang aber ging es zwischen ihnen eher sportlich fair zu.