Alljährlich im Frühjahr kommen Albstadts Viertklässler zum Schnuppern ans Gymnasium. Die danach dorthin wechseln, entscheiden sich so gut wie ausschließlich für G9: neun Jahre bis zum Abitur. Foto: Doldinger

Die Stadt Albstadt wird die Verlängerung des G9-Schulversuchs am Gymnasium Ebingen um weitere fünf Jahre beantragen – das hat der Gemeinderat am Donnerstagabend mehrheitlich beschlossen.

Albstadt-Ebingen - Die Stadt folgt damit einem Wunsch der Schulleitung und der Gesamtlehrerkonferenz, die sich einmütig für eine Fortsetzung des Schulversuchs aussprechen. Erstens, weil die G9 das Gymnasium Ebingen, eine von 44 G9-Modellschulen im Land, fraglos attraktiver macht: Die Gesamtschülerzahl ist im Lauf des vergangenen Jahrzehnts stetig von 782 auf 849 gestiegen, während die Schülerzahlen an den benachbarten G8-Gymnasien respektive -Progymnasien in Meßstetten und Tailfingen zurückgingen. Die Präferenzen der Schüler und Eltern sind eindeutig: Alljährlich bewerben sich zwischen 80 und 120 Grundschulabgänger für den G9-Zug; für den G8-Zug haben sich seit 2015 nur noch drei Schüler angemeldet; im Regelfall ist das Interesse gleich null.

Woran es liegt, geht aus der weiteren Argumentation in Schulleiter Christian Schenks Schreiben an die Stadt Albstadt hervor: Der Lehrstoff verteile sich auf neun statt acht Jahren; das bedeute weniger Druck und mehr Zeit zum Üben, dazu mehr Erfolgserlebnisse. Auch Eltern, die großen Respekt vor den Anforderungen des Gymnasiums hätten, fühlten sich durch G9 ermutigt, es trotzdem zu versuchen; das habe sich in einem fast zehnprozentigen Anstieg der Übergangsquote niedergeschlagen.

Heider: Anderswo werden Lehrer dringender gebraucht

Diese Argumente leuchteten einer Mehrheit der Gemeinderäte ein – allerdings nicht allen. Manuela Heider, Fraktionschefin der Freien Wähler und selbst Lehrerin, verwies darauf, dass für die landesweite Rückkehr zu G9 zusätzliche 1400 Lehrerstellen erforderlich wären, die anderswo wesentlich dringender benötigt würden: Sowohl aus strategischen als auch aus Gründen der Bildungsgerechtigkeit sei es geboten, das Geld in die Grundschulen, Werkrealschulen und Realschulen zu investieren und nicht ins Gymnasium.

Feil: Kein Plus an Schulbildung

Susanne Feil von den Grünen pflichtete bei und gab zu bedenken, dass G9 faktisch keine Alternative zu G8 darstelle, sondern lediglich dessen auf acht Schuljahre zusammengestrichenen Lehrstoff strecke. Ein Plus an Schulbildung sei damit nicht verbunden, die respektablen Notendurchschnitte durchaus irreführend, wenn man den Vertretern der Hochschulen glauben dürfe – die beklagten bekanntlich ein sinkendes Bildungs- und Leistungsniveau der Studienanfänger. Im Übrigen sei es sehr bedenklich, wenn das Gymnasium Ebingen dem PGT und dem Gymnasium Meßstetten in Sachen Schülerzahlen die Butter vom Brot nehme – beide seien gute Schulen, die es nicht verdient hätten, aufs Abstellgleis geschoben zu werden.

Sollten zehn Jahre nicht für ein Experiment genügen?

Mehrheitsfähig waren diese Meinungen nicht: Daniela Steinhart-Schwab von der CDU und Ulrich Deufel von der FDP brachen Lanzen für das entspanntere Lernen, Lara Herter von der SPD – "ich bin hier wohl die einzige, die G8 am eigenen Leib erfahren hat" – merkte an, dass sich der durch die Corona-Pandemie verursachte stoffliche und pädagogische Nachholbedarf dank G9 besser bewältigen lasse. Am Ende war man sich vor allem darin einig, dass die Ratsentscheidung in dieser Sache ohnehin eher unmaßgeblich sei – und dass schwer nachzuvollziehen sei, weshalb ein Schulversuch, der bereits zehn Jahre dauere, noch länger fortgesetzt werden müsse: Eigentlich sei ein klares Entweder-Oder an der Zeit. Gegen die Verlängerung von G9 votierten acht Ratsmitglieder, zwei enthielten sich, alle anderen waren dafür.