Wechselhafte Stimmung beim Fernsehturm: Nachdem OB Kuhn ihn vor Ostern gesperrt hat, glauben der SWR und sein Gutachter den Weg zur Wiedereröffnung nun gefunden zu haben. Foto: Leif Piechowski

Der Südwestrundfunk (SWR) und sein Brandschutzgutachter halten es für möglich, den gesperrten Fernsehturm mit einem Aufwand von einer halben Million Euro sicherer zu machen. Ob der Stadt die Maßnahmen für eine Wiedereröffnung ausreichen, ist ungewiss – der Zeitablauf auch.

Stuttgart - Nach der Trauerfeier für den Polizeipräsidenten Thomas Züfle und vor einer Aufsichtsratssitzung hat OB Fritz Kuhn am Freitag das Gutachten über den Fernsehturm entgegengenommen. Der OB habe bis zum Abend noch keine Sekunde Zeit, um in das Gutachten zu schauen, sagte Kuhns Sprecher Andreas Scharf. Es würden aber umgehend Kopien an Ordnungsbürgermeister Martin Schairer und Baubürgermeister Matthias Hahn gehen. Die Prüfung könne allerdings einige Zeit dauern. Danach werde es ein Fachgespräch zwischen SWR und Stadt geben, ehe sich Intendant Peter Boudgoust und Kuhn wieder sprechen.

In Kreisen der Aufsichtsräte der SWR Media Services GmbH, die den Turm für den Eigentümer SWR betreibt, wird nicht ausgeschlossen, dass erst am 13. September eine Vorentscheidung über die Zukunft des einstigen Besuchermagneten fallen wird. Dann tagt der Aufsichtsrat wieder.

Die Sachlage: Aus zwölf denkbaren und an ihn herangetragenen Vorschlägen hat der Gutachter der Firma Halfkann und Kirchner nach Auskunft des SWR vier als geeignet beurteilt, um den Brandschutz zu erhöhen. So soll die Rauchableitung im Turmschaft durch eine gezielte Lüftungssteuerung verbessert werden. Die Leistung in den Hochfrequenzkabeln, die im Schaft verlaufen, möchte Udo Kirchner mit einer neuartigen Technik kontinuierlich messen und „abschalten, bevor etwas passiert“. Etwaige Feuerzündgefahren sollen aufgespürt und ausgeräumt werden. Eine weitere wesentliche Maßnahme ist es, die Kabelbrandlasten im Rettungsweg zu beseitigen. Dazu würde um die Kabel herum ein Schacht gebaut und zusätzlich mit Dämmmaterial ausgefüllt werden. Bei dieser „Einblasdämmung“ mit einem nicht brennbaren Material handle es sich um eine innovative Maßnahme des baulichen Brandschutzes, die gerade auch in Fernsehtürmen Anwendung finde, sagte Kirchner: „Dadurch können wir auf Veränderungen der Treppenanlage und der Fahrstühle verzichten.“ Die Aufzugsteuerung allerdings werde man noch einmal prüfen.

Kuhn könne Vorschläge „heute natürlich noch nicht kommentieren“

Nach Auffassung von Boudgoust zeigte der Gutachter auf, wie im Turm „der Brandschutz nochmals verbessert werden kann“ – nachdem der SWR schon früher alles Erdenkliche unternommen habe, um die Sicherheit der Besucher zu gewährleisten. OB Kuhn (Grüne) ließ nach seinem Gespräch mit Boudgoust mitteilen, er könne die Vorschläge „heute natürlich noch nicht kommentieren“. Sein Sprecher fügte auf Anfrage hinzu, das gelte auch für die von den Stuttgarter Nachrichten recherchierten Kosten von rund 500.000 Euro. Die Bewertung des Gutachtens durch das Baurechtsamt und die Branddirektion stehe ja noch aus. Von dem zweiten Rettungsweg, dessen Fehlen zur Schließung des Turms führte, sei in der SWR-Pressemitteilung über das Gutachten nicht die Rede. „Gemeinsam mit dem SWR wollen wir weiterhin eine Wiedereröffnung“, sagte Scharf, „aber die Lösung muss Sicherheit schaffen und die Sperrungsverfügung des Oberbürgermeisters heilen.“

Gutachter Kirchner ist überzeugt davon, dass mit dem Gesamtkonzept der nötige Brandschutz und die Anforderungen der Bauaufsicht erfüllt werden. Auch die Landesbauordnung, auf die sich Kuhn bei seiner Verfügung stützte, verlange einen unabhängigen zweiten Rettungsweg nur dann, wenn der erste Rettungsweg nicht sicher sei.

Im Aufsichtsrat der Turm-Betreibergesellschaft hält man die 500.000 Euro offenbar für die absolute Kostenobergrenze für den SWR. Nur so viel könne der SWR allein binnen fünf Jahren mit Jahresüberschüssen von jeweils etwa 100.000 Euro finanzieren. Dazu müsse die Stadt die Besucherplattform und die Gastronomie wieder freigeben. Mehr Aufwand könne der Sender nicht betreiben, weil er keine Rundfunkgebühren einsetzen dürfe. Sonst riskiere man ein Beihilfeverfahren der EU. Falls die Stadt mehr Maßnahmen wolle, müsse sie mitbezahlen. Andernfalls wäre die dauerhafte Schließung des Turms besiegelt, sagte ein Aufsichtsratsmitglied. Mit einer Verweigerung der Stadt rechnet man aber nicht. Tatsächlich haben die Ratsfraktionen gleich nach der Sperrung signalisiert, dass eine Kostenbeteiligung für das Wahrzeichen der Stadt Stuttgart und des SWR notfalls möglich sei. Der Einbau eines zweiten Rettungswegs wird in Aufsichtsratskreisen wegen der Bauweise des Turms für nicht realisierbar gehalten.