Maria (auf dem Richtertisch), zwischen Schöffe und Amtsschreiber, wird der Prozess gemacht. Der Bettelbub (rechts) wartet bange. Foto: Paskal

Heuboden-Akademie im Freilichtmuseum mit badischem Amtsgericht.

Gutach - Museumspädagoge und wissenschaftlicher Leiter Thomas Hafen freute sich am Tag der Deutschen Einheit über die zahlreichen Besucher in der Tenne im Falkenhof des Museums. Sie warteten gespannt auf das szenische Spiel des Gerichtsprozesses mit Wilderern, Brandstiftern und Taschendieben.

Zusammen mit Steffen Czyzweski, Historiker und wissenschaftlicher Volontär, erklärte Thomas Hafen die kriminelle Szene anno dazumal: "Wir wollen einen Blick werfen auf die Menschen früherer Jahrhunderte, die außerhalb der geltenden Rechtsordnung geraten sind." Das sind hauptsächlich kleine Ganoven und Verbrecher.

In der Zeit der großen Bauernkriege in den Jahren 1524 und 1525 verloren viele Bauern ihre Familien und ihren Besitz. Um Überleben zu können, blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu rauben und zu plündern. Sie schlossen sich Banden an. Zu diesen gehörten entflohene Sträflinge, heruntergekommene Ritter, Gaukler und Landstreicher. Anderen Müßiggängern war ein freies Leben lieber als die Leibeigenschaft oder der Frondienst. Als Schlupfwinkel diente der Wald. Verwiesen wurde auf Robin Hood, den Beschützer der Witwen und Waisen. Der legendäre Schinderhannes wurde erwähnt, ebenso Friedrich Schillers "Räuber".

Verfolgt und verurteilt werden konnten sie oft nicht, da Kleinstaaterei herrschte. Es war leicht, von Vorderösterreich nach Württemberg oder Fürstenberg zu entfliehen. Die Grenzen vom unehrenhaften Stand zur Kriminalität waren fließend. Hunderttausende von Menschen lebten im damaligen Württemberg an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert unterhalb der Armutsgrenze. Und so wurde gebettelt, gestohlen und gewildert.

Hier setzt nun das szenische Schauspiel in der Tenne im Falkenhof ein: Aus dem Dunkeln springt Maria aus Horgen (Martina Baumgartner). Sie hat auf dem Josefsmarkt in Schiltach reiche Beute gemacht. Damit ernährt sie ihre vier Kinder.

Plötzlich gesellt sich ein Räuberhauptmann zu ihr an das Lagerfeuer. Sie erschrickt und hält sich den Fremdling mit einem Messer vom Leib. Es ist Martin Wachter (Klaus Grimm) aus der Nähe von Titisee, bekannt als "Der weiße Bettelbub". Er hat einen Steckbrief dabei, auf dem er wegen einfachem Diebstahl und schwerem Raub gesucht wird. Wachter verlangt von Maria, sie solle ihm ihren Unterrock zeigen, in dem ihr Diebesgut versteckt ist. Gemeinsam verspeisen sie das Geraubte. Dabei machen sie sich über die Obrigkeit lustig. Sie können nicht gefangen genommen werden, da sie von einem Staat in den anderen flüchten können.

Auf einmal fallen Schüsse und sie werden trotzdem verhaftet. Während sie auf ihre Verhandlung warten, schilderte Hafen, dass laut Kriminalstatistik Delikte im Großherzogtum Baden auf unterschiedlichen Ebenen verhandelt wurden. Es gab Hof-, Schwur- und Amtsgerichte. Oft wurde einfach auch in Bürgermeisterämtern verhandelt. Die Verurteilten wurden nicht eingesperrt, sondern mussten für die Gemeinde arbeiten. Das ersparte somit die Haftkosten. Gerichte gab es in Hausach, Wolfach und Triberg. Das damals zu Vorderösterreich gehörende Triberg hatte einen Galgen. 15 Hinrichtungen – davon zwölf wegen Hexerei – sind bis ins Jahr 1779 überliefert. Häufigstes Delikt im jetzigen Großherzogtum Baden war im Zeitraum von 1829 bis 1878 in über 122 000 Fällen Diebstahl.

Der bisherige Sachverständige (Ralf Bernd Herden) übernimmt von nun an den richterlichen Vorsitz. Er setzt sich an den Tisch zwischen den Schöffe (Helmut Spinner) und den Amtsschreiber (Richard Weis). Der Gerichtsdiener (Steffen Czyzweski) führt eine Angeklagte herein. Es wird lustig, denn diese spielt im herrlichen badischen Dialekt Billy Sum.

Als sie der Richter nach den Personalien fragt entgegnet sie: "Ich bin die Nothelfer-Theres." Der Richter weiter:"Ihr Alter?" Theres: "Ja der sitzt bestimmt wieder im Wirtshaus und verspielt alles." Die ihr vorgeworfenen Delikte widerlegt sie so ulkig und komisch, dass die Besucher schmunzelten. Sie wird ob ihrer Schläue freigesprochen.

Nicht gut geht es aus für den weißen Bettelbub. Er sitzt im Gefängnis. Als Maria ihn besuchen kommt, erzählt er, dass er seit zwei Tagen besseres Essen bekäme. Maria meinte, das ist die Henkersmahlzeit und die Zimmerleute richten den Galgen bereits auf. Der Verurteilte wünscht den Freitod, der wird ihm aber nicht gewährt.

Die Erklärungen zu früheren Zeiten und das Schauspiel waren eine gelungene Symbiose. Alle Mitwirkenden erhielten zustimmenden Beifall für die kurzweilige Stunde im Falkenhof.