Gabriele Aberle mit einem ihrer Bollenhüte. Foto: Patrick Seeger/dpa

Gabriele Aberle ist eine der Letzten, die Handwerkskunst beherrschen. Spagat zwischen Tradition und Moderne.

Gutach - Der Bollenhut ist neben Kirschtorte und Kuckucksuhr das Wahrzeichen des Schwarzwaldes. Vor 222 Jahren wurde er erstmals urkundlich erwähnt, doch seine Historie reicht weiter zurück. Für Gabriele Aberle ist der Schwarzwälder Bollenhut mehr als nur eine Kopfbedeckung. "Er symbolisiert Heimat und Tradition. Und er erzählt Geschichte", sagt die 65-Jährige aus Gutach im Schwarzwald.

Aberle ist Bollenhutmacherin. Ein Beruf, den es früher häufiger gab. Heute ist sie eine der letzten Bollenhutmacherinnen im Schwarzwald, wie ein Sprecher der Schwarzwald-Tourismus-Gesellschaft erklärt.

"Der Bollenhut begleitet mich schon mein ganzes Leben", sagt die Schwarzwälderin, die in Gutach in einem historischen Bauernhaus lebt und arbeitet. Dort hat sie ihre Bollenhutwerkstatt. Das traditionsreiche Handwerk hat Aberle, die im Schwarzwald geboren und aufgewachsen ist, in der Familie gelernt. Schon ihre Großmutter und die Mutter stellten Bollenhüte her. Aberle half mit und eignete sich so das Wissen an, das ihr heute hilft.

In ihrem früheren Beruf als Bankkauffrau arbeitet sie nicht mehr. Sie hat sich Ende der 1990er-Jahre als Bollenhutmacherin selbstständig gemacht. "Es macht mir Spaß und ich sehe darin einen Beitrag zur Pflege unseres Brauchtums", sagt Aberle.

Der Bollenhut als Original gehöre zu ihrer Heimat. Und er werde auch heute noch von Einheimischen getragen. Gefertigt werden die Hüte von ihr in Handarbeit und mit traditioneller Handwerkskunst - unter anderem mit Stroh, Wolle, mit Schere und Nähfaden. Auf einen Strohhut kommen 14 große Wollknäuel, sogenannte Bollen. Sie geben dem Hut den Namen. "Die Bollen mache ich aus zwei Kilogramm Wolle", sagt die Frau, die in traditioneller Tracht arbeitet.

Die Bollen werden in einer festgelegten Formation, in Form eines Kreuzes, auf den Hut genäht. Kleben ist tabu, sagt die 65-Jährige. Damit die Bollen halten, muss der Strohhut zuvor stabilisiert und mit reichlich Gips eingestrichen werden.

Die Trägerin - Bollenhüte werden nur von Frauen getragen - spürt das später. Ist der Hut fertig, wiegt er 1,5 bis 2 Kilogramm. Festgelegt sind auch die Farben: Unverheiratete haben rote Bollen auf dem Hut. Nach der Heirat sind leuchtend rote Farben tabu. Dann kommen schwarze Bollen auf den Hut. Unter ihm wird Kopftuch getragen.

Für einen Hut, sagt Aberle, brauche sie eine Woche. Kunden sind Einheimische, die den Bollenhut zur traditionellen Schwarzwälder Tracht tragen. Aber auch für Ausstellungen fertigt die Schwarzwälderin Hüte. Wichtig sei ihr, dass der Bollenhut so hergestellt wird wie früher auch: "Das unterscheidet uns hier im Schwarzwald von Billig-Exporten aus China."

Als schnelles Souvenir mag Aberle den Hut nicht verkaufen. Wie viel Hüte sie im Jahr herstellt, bleibt ihr Geheimnis. Nur den Preis pro Hut nennt sie: 285 Euro. "Dafür hält der Hut ein Leben lang - und kann sogar an die nachfolgenden Generationen weitergereicht werden."

Um die seit mehr als zwei Jahrhunderten bestehende Handwerkskunst Einheimischen und Touristen näher zu bringen, ist Aberle im Sommer regelmäßig zu Gast im Schwarzwälder Freilichtmuseum Vogtsbauernhof in Gutach. Es ist nicht weit von ihrem Wohn- und Arbeitshaus entfernt.

"Der Bollenhut steht weltweit für den Schwarzwald", sagt die Geschäftsführerin des Museums, Margit Langer. Doch in Wirklichkeit wird die auffällige Kopfbedeckung, die rund um den Globus Bekanntheit erlangt hat, nur in drei Orten getragen: In Gutach und den beiden Nachbarorten Wolfach-Kirnbach und Hornberg-Reichenbach. Hier wurde sie 1797 erstmals urkundlich erwähnt.

Es gab sie aber schon früher, sagt der wissenschaftliche Leiter des Museums, Thomas Hafen. "Es ist ein Spagat zwischen Tradition und Moderne", sagt die Bollenhutmacherin. Seinen Reiz verloren habe der Bollenhut nicht. Er werde häufig zu Werbezwecken, für Kommerz oder als extravaganter, modischer Hingucker verwendet. Ihr ist wichtig, dass der Bollenhut seinen Ursprung und den Bezug zur Heimat nicht verliert. Getragen wird er an kirchlichen Festtagen oder bei Brauchtumsveranstaltungen - und immer verbunden mit der traditionellen Schwarzwälder Tracht.