Symbolfoto. Foto: Spata

Steigende Wildschweinpopulation stellt Jäger im Kinzigtal vor große Herausforderung.

Gutach - Hans-Jürgen Schneider hebt den Finger und deutet in den Wald. Da war ein leises Knacken – vielleicht von einem Wildschwein, das auf einen Ast getreten ist? Vom Hochsitz blickt der Jäger mit dem Fernglas in Richtung einer Kirrung.

Immer mehr Wildschweine sind im Kinzigtal unterwegs. "Die Vermehrungsrate des Schwarzwilds hat in den vergangenen 15 Jahren exorbitant zugenommen", berichtet Hans-Jürgen Schneider, Kreisjägermeister der Vereinigung Kinzigtal und Bezirksjägermeister für Freiburg.

Aber nicht nur im heimischen Revier, sondern auch in Baden-Württemberg, Deutschland und in ganz Europa sei die "Schwarzkittel"-Population um sage und schreibe 300 Prozent gestiegen, so Schneider – und das bereite Probleme in Landwirtschaft und Straßenverkehr. Zudem nehme die Gefahr des Ausbruchs von Tierseuchen zu. Mittlerweile würden die Wildschweine sogar bis in städtische Gebiete vordringen. "Gegen diese Vermehrungsrate kommen wir mit jagdlichen Mitteln nicht mehr an", weiß Schneider. Es gebe in der Bevölkerung Vorwürfe, dass Jäger zu wenig schießen und die Tiere zu viel füttern würden. "Das stimmt aber nicht", betont Schneider.

Das Gegenteil sei der Fall: Davon geht das Institut für Wildtierkunde und Ökologie (Fiwi) der Veterinärmedizinischen Universität Wien aus. Ein Forschungsteam um Sebastian Vetter veröffentlichte im vergangenen Jahr eine Studie. Demnach spiele der Klimawandel eine entscheidende Rolle bei der zahlenmäßigen Zunahme des Schwarzwilds.

Mehr Futter für Frischlinge

Wildschweine sind Allesfresser – und sind ganzjährig mit Futter versorgt. "Das hängt nur minimal mit dem Maisanbau zusammen", betont Kreisjägermeister Schneider. Der Studie zufolge würden fruchttragende Waldbäume, wie Eichen und Buchen, immer mehr Futter für die Borstentiere abwerfen. Durch den Klimawandel seien die Zeiträume zwischen den Vollmastjahren von sechs bis acht Jahren auf weniger als vier Jahre gesunken. Dem Schwarzwild falle sein Essen direkt vor die Füße – und davon profitiere vor allen Dingen der Nachwuchs.

Aufgrund der milden Winter erfrieren immer weniger Frischlinge, die gegen Ende Februar, Anfang März auf die Welt kommen. Den jungen Wildschweinen, so die Wiener Studie, steht eine große Menge Futter zur Verfügung. Junge Bachen (weibliche Wildschweine) würden dadurch bereits im darauffolgenden Herbst auf ein Körpergewicht von 22 bis 25 Kilo kommen und seien somit bereits im ersten Lebensjahr – also noch als Frischlinge – geschlechtsreif.

"Ansonsten beteiligen sich die Bachen erst ab anderthalb Jahren an der Fortpflanzung", erklärt Hans-Jürgen Schneider. Das sei ein jagdliches Problem: Aus tierschutzrechtlichen Gründen dürfen Jäger keine Muttertiere erlegen, die Junge mit sich führen. "Und das auch zurecht", betont Schneider. Auf der Jagd könne man aber zunehmend schlechter entscheiden, ob es sich bei den Bachen tatsächlich um ein Muttertier oder einen Frischling handele.

Das "Mehr" an Wildschweinen führe zunächst zu Fraßschäden in der Landwirtschaft. "Das Schwarzwild geht in die Maisfelder und richtet dort große Schäden an, sodass der Maisertrag minimiert wird", berichtet Schneider. Zudem würden die Schwarzkittel verstärkt aufs Grünland gehen. Durch die hohe Überdüngung gebe es immer mehr Würmer und Käfer unter der Grasnarbe. "Das haben die Schweine mitbekommen und pflügen das Grün um, damit sie an das Futter kommen", sagt Schneider. Letztlich hätten dann die Jäger die Aufgabe, das Grünland wieder herzurichten.

Dass Wildschweine eine Bedrohung für Menschen seien, verneint der Kreisjägermeister. "Von Bedrohung kann man nicht sprechen", sagt er. Gelegentlich könne es bei Waldspaziergängen zu Zusammenstößen mit einer führenden Bache kommen. Wenn einem Spaziergänger ein Wildschwein begegnet, solle er, so rät Schneider, sich ganz ruhig zurückziehen.

Das Wildschwein sei jedoch Träger von Krankheiten. Die Schweinepest sei laut Schneider für den Menschen zwar ungefährlich, aber auf Hausschweine übertragbar. Wenn ganze Hausschweinbestände infiziert seien, ergebe das einen großen wirtschaftlichen Schaden. Um der hohen Schwarzwildpopulation entgegenzutreten, sei, so Hans-Jürgen Schneider, der Arbeitsaufwand für alle Jäger deutlich gestiegen.