Andrea Rohr ist 35 Jahre alt und wohnt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Hausach. Im Spätsommer eröffnet sie eine neue Hausaarztpraxis in Gutach. Foto: privat

35-jährige Andrea Rohr lässt sich im Sommer im Ortskern nieder. Praxis im ehemaligen Edeka.

Gutach - Andrea Rohr lässt sich im kommenden Sommer mit einer Hausarztpraxis in Gutach nieder. Die 35-jährige Allgemeinmedizinerin verfolgt schon seit ihrem Studium das Ziel, sich als Landärztin mit einer eigenen Praxis selbstständig zu machen. Im Gespräch mit dem Schwabo berichtet sie über ihre Motivation für diesen Schritt – und warum es eben doch junge Mediziner gibt, die für den Hausarztberuf brennen.

Andrea Rohr ist 35 Jahre und stammt gebürtig aus der Eifel. Nach ihrem Medizinstudium in Bonn arbeitete sie im Rahmen ihrer Facharztausbildung unter anderem in Kliniken in Wolfach und Offenburg sowie einer Hausarztpraxis in Hornberg. Im September 2019 absolvierte sie ihre Prüfung zur Fachärztin der Allgemeinmedizin und Palliativmedizin. Ihr Mann Björn Rohr arbeitet als Anästhesist und Notarzt am Ortenau-Klinkikum in Wolfach. Die neue Gutacher Hausarztpraxis öffnet voraussichtlich im kommenden Spätsommer in den Räumen des ehemaligen Edeka-Lebensmittelmarkts. Auf der Internetseite informiert Rohr über die Umbauarbeiten und das Eröffnungsdatum ihrer Praxis.

Frau Rohr, warum sind Sie Hausärztin geworden?

Ich komme gebürtig aus einem kleinen Dorf in der Eifel und habe während meines Medizinstudiums in Bonn mehrere Famulaturen (ärztliche Praktika) bei verschiedenen Landärzten gemacht, die mir gezeigt haben, dass man die traditionelle hausärztliche Behandlung mit moderner, wissenschaftlich fundierter Medizin verbinden kann. Da habe ich gemerkt, dass diese Fachrichtung für mich die Richtige ist. Meine Weiterbildung habe ich ab diesem Zeitpunkt auf das Ziel ausgerichtet, Hausärztin zu werden.

Was gefällt Ihnen besonders an der Allgemeinmedizin?

Vor allem die Vielfältigkeit! Meine Patienten sind Männer und Frauen, Kinder und Hochbetagte, Menschen mit den unterschiedlichsten Berufen und kulturellen Hintergründen. Durch Hausbesuche lerne ich das Lebensumfeld der Menschen kennen, was sehr schön ist. Es kommen Patienten mit leichten oder sehr schweren Erkrankungen - und das aus allen möglichen Fachbereichen. Ich brauche also einen guten Überblick über die verschiedenen medizinischen Disziplinen, und arbeite gleichzeitig eng mit den jeweiligen Fachspezialisten zusammen.

Warum eröffnen Sie ganz bewusst eine Praxis auf dem Land?

Eine eigene Praxis war schon immer mein Ziel. Mein Fachgebiet ist einfach für die Praxis und nicht für das Krankenhaus gemacht. Es liegt sicher auch daran, dass ich selbst ein "Landei" bin. Ich mag es, die familiären und sozialen Beziehungen meiner Patienten zu kennen, und selbst ein Teil des dörflichen Netzwerks zu sein.

Ist es tatsächlich so, dass Medizinstudenten sich nicht für den Hausarztberuf beziehungsweise eine Praxisgründung interessieren?

Ich denke, das sind falsche Eindrücke. Umfragen zeigen, dass etwa ein Drittel der Medizinstudenten kurz vor dem Abschluss sagen, dass der Hausarztberuf für sie in Frage kommt. Die Arbeit in einer Praxis reizt meiner Ansicht nach auch viele Nachwuchsmediziner, da man - im Gegensatz zum Krankenhaus - keine Nacht- oder Wochenenddienste hat. Zwar gibt es die Notdienste, diese wurden aber in den vergangenen Jahren stark reduziert. Und im Prinzip hat man geregelte Arbeitszeiten: Natürlich arbeiten Hausärzte viel, aber geregelt, das heißt mit einem Feierabend und freien Wochenenden. Was aber weniger Mediziner in meiner Generation möchten, ist, so denke ich, die Selbstständigkeit.

Woran liegt das?

Tatsächlich ist es mühsam, sich niederzulassen. Immerhin habe ich auch fünf Monate auf meine Zulassung für meine Hausarztpraxis gewartet. Die Bürokratie ist sehr aufwendig und teils frustrierend. Auf der anderen Seite ist die Sorge einiger Studenten, dass man auf dem Land weniger verdient, völlig unbegründet. Ganz im Gegenteil, man verdient gut. Natürlich nehme ich jetzt auch viel Geld in die Hand, um die Praxis zu eröffnen. Aber das finanzielle Risiko ist nicht so groß wie viele befürchten. Ich hatte das Glück, schon früh moderne und motivierte Hausärzte kennenzulernen, die sich als meine Mentoren gesehen haben und mich mit ihrem Fachwissen und ihrer Begeisterung für unseren Beruf unterstützt haben. Gerade im Moment bin ich sehr dankbar für diese Kontakte. Ich hoffe, dass ich diese Unterstützung irgendwann an junge Kollegen weitergeben kann.

Warum lassen Sie sich gerade in Gutach nieder?

Gutach ist für mich der ideale Praxisstandort. Da ich mit meiner Familie in Hausach wohne, habe ich einerseits keinen weiten Fahrweg und andererseits wiederum etwas Abstand zwischen meinem Wohn- und Arbeitsort. Die Lage der Räume im Ortskern mit vorhandenen Parkflächen und barrierefreien Zugängen ist optimal. Die Gemeinde Gutach, mit Bürgermeister Siegfried Eckert und dem Gemeinderat, hat mich dabei sehr unterstützt und eigens für den notwendigen Bauantrag eine Sitzung einberufen. Hoffentlich ist der Standort auch für die Patienten ein guter Kompromiss, die von der Praxisschließung in Hornberg betroffen sind.

Haben Sie schon Anfragen von potenziellen Patienten?

Ja, ich habe auf meiner Homepage mittlerweile auch schon einen Vermerk veröffentlicht, dass ich derzeit noch keine Patienten annehmen kann. Ich hoffe daher, dass die Praxis mit der Eröffnung gut anläuft.

Was können Kommunen oder bestehende Praxen aus Ihrer Sicht dafür tun, um junge Nachwuchsmediziner auf das Land zu holen?

Ich denke, dass der Schlüssel vor allem bei den Menschen liegt, die tatsächlich auch aus der Region kommen. Ein eingefleischter Großstädter wird sich vermutlich nicht dazu entschließen, eine Praxis im Kinzigtal zu eröffnen. Ich habe beispielsweise von Gemeinden gehört, in denen der Bürgermeister und der örtliche Hausarzt Abiturienten einladen und sich umhören, wer Interesse an einem Medizinstudium hat. Während des Studiums bleiben sie dann als Mentoren mit den Studenten in Kontakt, bieten Praktika an und bauen sich somit ein Netzwerk aus Nachwuchsärzten auf.

Und darüber hinaus?

Ein wichtiger Faktor für alle berufstätigen Eltern ist sicherlich auch das Angebot einer guten Kinderbetreuung. Im Kinzigtal bietet aktuell nur Oberwolfach eine Vollzeitbetreuung an. Meine Generation will Familie und Beruf miteinander vereinen. Die Zeiten, in denen der Hausarzt 80 Stunden pro Woche arbeitet und seine Frau zu Hause bei den Kindern bleibt, sind einfach vorbei. Die meisten Ärzte sind tatsächlich Frauen - und gute Kindergarten- und Schulstrukturen sind nicht nur Voraussetzungen, um Hausärzte in eine Gemeinde zu holen, sondern dienen allen Bürgern.