Matt Damon in „Promised Land“ Foto: Verleih

Als Independent-Regisseur mit einem Auge für unangepasste Jugendliche beginnt Gus van Sant Ende der 1980er Jahre seine Karriere. Mit „Good Will Hunting“ gelingt ihm 1997 ein Publikumserfolg. Jetzt hat er das Drama „Promised Land“ über die Ölgewinnung durch Fracking gedreht.

Stuttgart - Als Independent-Regisseur mit einem Auge für unangepasste Jugendliche beginnt Gus van Sant Ende der 1980er Jahre seine Karriere. Mit „Good Will Hunting“ gelingt ihm 1997 ein Publikumserfolg. Jetzt hat er das Drama „Promised Land“ über die Ölgewinnung durch Fracking gedreht.


Herr van Sant, Filme, die sich mit der Umweltschutz-Problematik auseinandersetzen, haben merklich abgenommen. Sind Sie der einzige Aktivist, der in Hollywood noch übrig geblieben ist?
Ja, da ist wahrscheinlich was dran, dass man sich in Hollywood nur wenig darum schert, aber meines Erachtens war das nie viel anders. Comicbücher zu verfilmen, ist lukrativer, aber in Nordosten der USA ist es eine große Streitfrage geworden, Nutzen und Gefahren das Verfahren zur Erdgasgewinnung, dem so genannten Fracking, abzuwägen. Besonders in New York City hat sich Widerstand breit gemacht, und dort leben nun mal Millionen von Menschen. Wir sind mit unserem Film also nicht die einzigen, die aktiv geworden sind.

Was ist mit den Menschen auf dem Land, die doch eigentlich betroffen sind?
In letzter Zeit habe ich öfters auf dem Land gelebt, wo ich mir selbst ein Bild von den Menschen machen konnte. Die Kluft zwischen Stadt- und Landbewohnern ist durch den schnellen Informationsaustausch gewiss kleiner geworden, aber sie besteht noch. Ich habe festgestellt, dass besondern junge, kritisch denkende Amerikaner aus den Städten oft nicht wissen, wie es wirklich auf dem Land zugeht. Ihre Kommentare über die dortigen Probleme sind für mich einfach nur noch absurd, weil sie keine Ahnung haben.

Fühlen Sie sich mehr auf dem Land oder in der Stadt wohl?
Ich lebe am liebsten in den Außenbezirken einer Stadt, wo man sowohl schnell mal weiter aufs Land als auch nach Downtown fahren kann. Momentan wohne ich in einem Vorstadthaus in Los Angeles, was aber offiziell noch zu Hollywood gehört. Ganz aufs Land zu ziehen, kann ich mir allerdings nicht vorstellen. Dort geschieht alles langsamer, was für mich nur schwer auszuhalten ist.

Wie viel wussten Sie eigentlich vorher übers Fracking?
Ich wusste vorher nicht mal, was Fracking bedeutet. Insofern habe ich sehr viel durch den Film gelernt. Wo wir drehten, waren bereits etliche Fracking-Firmen vor Ort, um ihre Geschäfte abzuwickeln. In den Hotels, in denen wir wohnten, gab es sogar Kongresse, um sich auszutauschen. Die Szenen, in denen Grundbesitzern das Land abgekauft wird, ob darauf nach Erdgas zu bohren, drehten wir mit Laiendarsteller, die dort lebten und betroffen waren. Das Casting fand in den Hotels statt, wo sich auch die Geschäftsleute befanden, die das gern nutzten, um nochmals ihren Standpunkt klarzustellen.

„Promised Land“ gab Ihnen 15 Jahre nach „Good Will Hunting“ Gelegenheit, wieder mit Matt Damon zusammenzuarbeiten, den Sie damals zum Superstar machten...
Neben der Tatsache, dass mich das Drehbuch ansprach und ich gerade nichts zu tun hatte, war die Aussicht, mit Matt einen weiteren Film zu drehen, gewiss ein Grund, bei „Promised Land“ die Regie zu übernehmen. Matt und ich sprachen über das Drehbuch und wie es umgesetzt werden soll, danach wird einfach ohne große Diskussionen gedreht. In meinen Augen hat er sich zu einem sehr erfahrenden Schauspieler entwickelt.

Zusammen mit John Krasinski schrieb Matt Damon auch das Drehbuch. Stimmt es, dass er ursprünglich auch die Regie übernehmen wollte?
Ja, bis er merkte, dass er das einfach zeitlich nicht schafft. Ich freue mich natürlich, dass ich aushelfen konnte, aber ich finde, er sollte sich wirklich mal als Regisseur ausprobieren. Das wäre eine gute Erfahrung für ihn, um herauszufinden, ob ihn das liegt. Ben Affleck, mit dem Matt das Drehbuch zu „Good Will Hunting“, hat zuletzt mit „Argo“ bewiesen, dass er auch hinter der Kamera was kann. Er wird sicherlich weiterhin Regie führen, und für Matt bleibt es eine Frage der Zeit.

„Argo“ wurde bei der Oscarverleihung im Februar zum besten Film gekürt, „Promised Land“ ist noch nicht mal nominiert gewesen...
Ja, das ist interessant, und ich kann nichts sagen, was passiert ist. Vielleicht kommt für die Wähler und fürs Publikum zu wenig Fantasy im Film vor. Viele halten „Promised Land“ sogar für einen Dokumentarfilm, weil es um ein aktuelles Thema geht. Trotzdem wäre das für mich kein Grund, jetzt andere Stoffe zu verfilmen. Filme wie „Promised Land“ dürfen nicht aus der Mode kommen.

Noch in den 1970er Jahren entstanden in Hollywood viele sozialkritische Filme. Was hat sich verändert?
Das stimmt, in den 1970er Jahren hatte Hollywood noch eine Stimme. So könnte es noch heute sein, aber es entstehen nicht nur weniger Filme mit politischen Inhalten, sondern überhaupt weniger dramatische Filme. Heute beherrschen Actionfilme den Markt, damals gehörten Dramen zum Hauptgeschäft. Obwohl Fracking in „Promised Land“ ein großes Thema ist, geht es mir hauptsächlich um die Figur von Matt Damon – ein Geschäftsmann, der seine eigene Firma hinterfragt, die durch ihre Machenschaften zum Dämon geworden ist.

Wie sehr ist das Filmgeschäft zum Dämon geworden?
Das Problem ist, dass es nur noch um Gewinnmaximierung geht. Daher entstehen vor allem Filme, die von möglichst vielen Altersgruppen gesehen werden können, um hohe Einspielergebnisse zu erzielen. Das geht immer mehr in Richtung Fastfood wie etwa McDonald’s. Nur noch die Beilagen werden zusammengebracht, die dem Massengeschmack entsprechen.