Parteiintern in der Kritik: Der alte und neue CDU-Fraktionsvorsitzende Guido Wolf. Foto: dpa

Guido Wolf hat sich am Dienstag von der neuen CDU-Landtagsfraktion als Vorsitzender bestätigen lassen. Aber innerhalb der Partei tobt die Debatte um das Landtagswahlergebnis weiter.

Stuttgart - Die Stimmung in der CDU gleicht dem Wetter: trüb und kalt. Dienstagmittag, kurz vor 14 Uhr. Zwei Tage nach der Wahl trifft sich die Fraktion im Landtag. Sowohl die neuen Abgeordneten sind da als auch jene, die aufhören. Oder aufhören müssen. Es fließen Tränen, mancher übt sich im Schulterklopfen. „Ich habe zehn Jahre lang das Abgeordnetenmandat mit Herzblut ausgeübt. Jetzt aufhören zu müssen schmerzt sehr“, räumt Katrin Schütz ein. Dass es die Karlsruher Landtagsabgeordnete, die obendrein Generalsekretärin der Südwest-CDU ist, beim 27-Prozent-Debakel erwischt hat, spricht Bände für den Zustand der Partei.

Hier gibt es die Ergebnisse für Baden-Württemberg.

Aber die Fraktion, allen voran Fraktionschef und Spitzenkandidat Guido Wolf, will sich jetzt keine Zeit für tief gehende Analysen oder große Rückblicke lassen. Also hat er diese Sitzung einberufen. Zwei Tagesordnungspunkte stehen an: zum einen die Aussprache über das trostlose Ergebnis, zum anderen die Wahl von Wolf, der eigentlich noch bis Ende April gewählt ist, aber seine Position stärken will.

Junge Union will Wahldebakel möglichst schnell analysieren

Die Kritik an diesem Hauruckkurs wird aber immer lauter. Schon in der Nacht zuvor, als die Führungsgremien der Partei stundenlang über die Pleite beraten, werden mahnende Stimmen zum Kandidaten, zum Wahlkampf, zur Strategie laut. „Die Stimmung an der Basis ist katastrophal“, berichtet einer. Andere warnen, vor lauter Machthunger jetzt nicht blind weiterzumachen wie bisher. „Wir können die Analyse für diesen Absturz nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben, sondern müssen jetzt mit den Mitgliedern die Ursachen aufarbeiten“, fordert zum Beispiel Nikolas Löbel, Landeschef der Jungen Union. Manch anderer denkt laut darüber nach, es müsse einen Neuanfang geben – „und zwar ohne Wolf“.

Aber der Spitzenkandidat und seine Getreuen wie die Abgeordneten Nicole Razavi und Winfried Mack wollen von Kritik nichts wissen. Sie halten unbeirrt an ihrem Ziel fest, eine Deutschland-Koalition aus CDU, SPD und FDP zu bilden. Nicht mal der Hinweis aus dem CDU-Präsidium, die SPD habe doch dafür bereits abgesagt, lässt Wolf innehalten. „Es gibt Ansätze von Realitätsverlust“, umschreibt einer die Lage.

Zimmermann hätte Fraktionschefwahl gerne verschoben

So warnt der Kirchheimer Abgeordnete Karl Zimmermann vor unnötiger Hektik. „Ich sehe keine Notwendigkeit, heute einen Fraktionsvorsitzenden zu wählen.“ Im Wahlkampf habe es so viele Fehler gegeben, das müsse man erst einmal aufarbeiten. Zum Beispiel die allzu lange Zurückhaltung der CDU gegenüber Ministerpräsident Winfried Kretschmann: „Wenn ich einen Krieg gewinnen will, muss ich den General vom Pferd holen.“

Sein Frust über „das schlechte CDU-Ergebnis“ sitzt tief. Also meldet sich Zimmermann in der Sitzung zu Wort und fordert, die Fraktionschefwahl zu verschieben. Ob er damit Wolf nicht schwäche, wird er gefragt. Seine bittere Antwort: „Dann ist das halt so.“

Wolf erhält am Ende 34 Ja-Stimmen und sieben Nein-Stimmen

Fast zweieinhalb Stunden wird hinter verschlossenen Türen diskutiert. „Ehrlich und offen“, sagen anschließend die einen. „Selbstkritisch und ohne Umschweife“, berichten andere. Gut 30 Wortmeldungen gibt es. Wolf spricht hernach von „einer sehr guten Diskussion". Er bekommt 34 Ja-Stimmen, sieben Abgeordnete votieren mit Nein, dazu gibt es eine Enthaltung. Er habe Verständnis, dass es „Verwundungen und Verletzungen bei einigen Abgeordneten“ gebe. Die Lage für die Landes-CDU sei bitter. Es sei eben nicht gelungen, die landespolitischen Themen in den Mittelpunkt des Wahlkampfs zu rücken, weil alles von der Flüchtlingskrise überlagert gewesen sei.

Und: Wolf spürt, dass es hinter den Kulissen brodelt. „Ich habe meine Person zur Diskussion gestellt, auch ich mache Fehler“, sagt er. Er räumt ein, dass das Wahlergebnis vom Sonntag „noch einer schonungslosen Analyse“ bedürfe.

Wolf: „Die Fraktion steht hinter mir“

Aber eben nicht jetzt, nicht heute. Wolf will als starker Mann in die anstehenden Sondierungsgespräche gehen. Sein Wahlergebnis interpretiert er so: „Die Fraktion steht hinter mir.“ Und dann berichtet er mit genüsslichem Unterton, dass die SPD nun doch bereit sei, mit der CDU zu sprechen. „Das zeigt doch, dass Bewegung in die Diskussion kommt. Ich bin Nils Schmid dankbar, dass er Bereitschaft zu einem Gespräch erklärt hat.“

Wird Wolf seinen Traum von der Bildung einer Deutschland-Koalition unter seiner Führung also doch noch verwirklichen können? Erst einmal trifft er sich an diesem Mittwoch mit Kretschmann und Co. Begleitet wird er dabei von Parteichef Thomas Strobl, Generalsekretärin Schütz, Inge Gräßle als Landesvorsitzende der Frauen-Union sowie den vier CDU-Bezirksvorsitzenden Steffen Bilger, Thomas Bareiß, Andreas Jung und Peter Hauk. „Wir sprechen mit allen demokratischen Parteien“, hatte Wolf zuletzt betont.

Wolf sieht drei Optionen für die CDU

Er hatte aber auch gesagt, er stehe für ein grün-schwarzes Bündnis nicht zur Verfügung. Nun spricht er von drei Optionen, die die CDU habe: die Deutschland-Koalition, Juniorpartner bei den Grünen oder den Gang in die Opposition. Aber jetzt, so beteuert er nach der Fraktionssitzung am späten Dienstagnachmittag immer wieder, gehe „es erst einmal um Inhalte“.

Nicht alle in der Südwest-CDU nehmen ihm das ab. Vor allem seine plötzliche Bereitschaft, auch Grün-Schwarz mitzumachen, stößt vielerorts auf Skepsis. „Wie will er das den 68 000 Mitgliedern erklären, wo er eine solche Koalition doch immer abgelehnt hat. Das ist völlig unglaubwürdig.“