Kein Schadensersatz nach Unfall im Wald: Laut Gerichtsurteil müssen auf Wanderwegen nicht sämtliche Gefahren wie das Umfallen eines Baums ausgeschlossen sein. Foto: © YariK – stock.adobe.com Foto: Schwarzwälder Bote

Gericht: Kein Schadensersatz / Auf eigene Gefahr in der Natur

Einem Mann, der während einer Wanderung auf dem Harzer Hexenstieg in Sachsen-Anhalt von einem umstürzenden Baum erfasst und schwer verletzt wurde, steht kein Schadensersatz zu. Das hat das Oberlandesgericht Naumburg in einem Berufungsverfahren entschieden.

Gütenbach/Thale. Der Deutsche Wanderverband begrüßt das Urteil, da es seinen Mitgliedsorganisationen, darunter auch der Schwarzwaldverein mit der Ortsgruppe Gütenbach, für ihre tägliche Arbeit Sicherheit gebe und die Bedeutung eigenverantwortlichen Handelns betone.

Auch aus Sicht der Gemeinde Gütenbach ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts aus mehreren Gründen hilfreich. Lorenz Wiehl, langjähriger Vorsitzender des Schwarzwaldvereins Gütenbach, ist froh, dass mit diesem Urteil deutlich publiziert wurde, wie relevant selbstverantwortliches Handeln auch draußen in der Natur ist, heißt es in einer Pressemitteilung. Schon oft habe er Situationen erlebt, in denen Privatwaldbesitzer allein aus Angst vor Schadensersatzansprüchen, Wanderwege auf ihren Grundstücken ablehnten. Wiehl betreut mit seinem Wegewart Peter Bammert rund 70 Kilometer Wanderwege rund um Gütenbach, die regelmäßig kontrolliert werden. Dazu gehören auch der Qualitätswanderweg "Balzer Hergott" sowie Teile des im vergangenen Jahr als Deutschlands schönster Wanderweg prämierten Zwei-Täler-Steigs. Die Entscheidung verdeutliche, dass Leitwege und Qualitätswanderwege juristisch ebenso behandelt werden wie andere Wanderwege.

Waldtypische Gefahren nicht ausgeschlossen

Zum Gerichtsverfahren in Sachsen-Anhalt war es gekommen, weil der Mann zuvor vergeblich vor dem Landgericht Magdeburg geklagt und von der Stadt Thale Schmerzensgeld wegen des Unfalls bei der Wanderung von mindestens 200 000 Euro verlangt hatte. Nach eigenen Angaben wurde der Kläger im Juli 2018 auf dem touristisch beworbenen Harzer Hexenstieg von einem herabstürzenden Baum erfasst und schwer verletzt. Der Unfall ereignete sich auf einem Waldgrundstück der Stadt Thale.

Der Verletzte war der Auffassung, dass die Stadt ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt hat. Der Baum sei deutlich erkennbar abgestorben gewesen und wäre bei einer Baumschau sofort als Gefährdungsbaum ersichtlich gewesen und gefällt worden, so dass es nicht zu dem Unfall gekommen wäre.

Das Landgericht Magdeburg folgte dieser Auffassung nicht. Es wies die Klage aufgrund der geltenden Gesetzeslage und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab. In einer Mitteilung des Landgerichts Magdeburg heißt es: "Der Waldbesucher, der auf eigene Gefahr Waldwege betritt, kann grundsätzlich nicht erwarten, dass der Waldbesitzer Sicherungsmaßnahmen gegen waldtypische Gefahren ergreift. Mit waldtypischen Gefahren muss der Waldbesucher auch auf Wegen rechnen. Er ist primär selbst für seine Sicherheit verantwortlich. Risiken, die ein freies Bewegen in der Natur mit sich bringt, gehören grundsätzlich zum entschädigungslos hinzunehmenden allgemeinen Lebensrisiko. Dementsprechend können und müssen auf Wanderwegen nicht sämtliche Gefahren ausgeschlossen werden. Würde man eine völlige Gefahrlosigkeit der Wanderwege fordern, müsste man auf reizvolle Routen im Bergland ebenso wie auf einsame Waldpfade im Flachland aus Haftungsgründen verzichten. Auch nach der gesetzlichen Risikoverteilung aus § 22 LWaldG LSA haftet selbst auf stark frequentierten und touristisch beworbenen Waldwegen der Waldbesitzer nicht für waldtypische Gefahren."

Das Oberlandesgericht Naumburg hat diese Auffassung Mitte Dezember 2020 bestätigt und die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dem Kläger stehe kein Schadensersatz zu, weil sich mit dem Umsturz des Baumes eine "waldtypische" Gefahr verwirklicht habe, für die die beklagte Stadt auch auf Wanderwegen nicht hafte.