Ab wann macht Englischunterricht Sinn? Die Kultusministerin will den Beginn verschieben. Foto: Scheidemann

Kultusministerin will Englisch in Klasse eins und zwei abschaffen. Kritiker vermuten Sparziele.

Oberndorf - Früh übt sich. Stimmt, sagen Pädagogen. Zu viel auf einmal ist aber auch nichts. Das hat zuletzt Landeskultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) gemeint. Sie will das Grundschulenglisch in den ersten beiden Klassen wieder abschaffen. 

Dabei war Baden-Württemberg unter ihrer Vorgängerin Annette Schavan (CDU) im Schuljahr 2003/04 bundesweit Pionier bei der Einführung der Fremdsprache für Erstklässler. Schavan sprach damals von einem "pädagogischen Meilenstein". Nun könnte der Südwesten das erste Bundesland sein, das die Reform wieder zurückdreht. Warminski-Leitheußer folgt mit ihren Plänen einer Empfehlung von Experten, die noch von der schwarz-gelben Vorgängerregierung beauftragt wurden, das Schulsystem zu begutachten.

Der Rat unter der Leitung des Berliner Bildungsforschers Jürgen Baumert habe in seiner Expertise "Herkunft und Bildungserfolg" empfohlen, den Fremdsprachenunterricht erst ab der Klasse 3 zu beginnen, begründet Ministerialdirektorin Margret Ruep das Vorhaben der Kultusministerin in einer Antwort auf eine Anfrage von CDU-Abgeordneten um den Offenburger Bildungspolitiker Volker Schebesta.

Kinder haben schon mit Deutsch ihre Nöte

Baumert empfiehlt, die frei werdenden Ressourcen in den Deutsch-Unterricht zu stecken. Sowohl in der Schriftsprache als auch bei den mathematischen Basiskompetenzen macht der Vizepräsident der Max-Planck-Gesellschaft bei den Grundschülern Baden-Württembergs Defizite aus. Zudem hätten Kinder mit Migrationshintergrund – laut Statistischem Bundesamt bundesweit immerhin 31 Prozent der Kinder – schon mit Deutsch als erster Fremdsprache in den ersten Schuljahren genug um die Ohren.

Schebesta und seine Parteikollegen lesen das Expertengutachten anders als Warminski-Leitheußer. Nur für die leistungsschwächeren Kinder mit und ohne Migrationshintergrund würden die Wissenschaftler empfehlen, den Deutschunterricht weiter auszubauen, schreiben sie in ihrer Anfrage an die Kultusministerin. Das eigentliche Ergebnis des Gutachtens aber sei, dass das Fremdsprachenlernen im Grundschulalter "vor dem Hintergrund der besonderen Aufnahmefähigkeit von Sprachen im Kindesalter positiv zu bewerten" ist, zitieren die Oppositionspolitiker aus dem Papier. Englisch und auch Französisch, das Grundschulkinder entlang der Rheinschiene lernen, nun komplett für alle Erst- und Zweitklässler zu streichen, sei übereilt. "Es besteht nach unserer Auffassung die große Gefahr, dass hier wichtige Potenziale der Schülerinnen und Schüler fahrlässig vergeudet werden", warnen die Christdemokraten.

Auch wenn Gymnasiallehrer den Nutzen des Englischunterrichts mit zwei Stunden pro Woche seit Längerem als wenig effektiv kritisieren – der Kreis "Beratung Information Gespräch" (BIG) der Stiftung Lernen aus München blickt mit Befremden aufs Nachbarland. "Alle großen, wissenschaftlich fundierten Untersuchungen belegen klar nachvollziehbar den Erfolg des Englischunterrichts an Grundschulen." Und dies trotz der geringen Stundenzahl, warnt Heiner Böttger, Professor für Englischdidaktik in Eichstätt und Sprecher des BIG. Eine von Böttger geleitete Fachkonferenz argwöhnt gar, dass die Pläne der Kultusministerin schnöden Sparzielen geschuldet sind.

Die scheint das alles nicht anzufechten: In den derzeitigen Gesprächen in der Koalition gebe es eine klare Tendenz, mehr Zeit für andere Fächer zu lassen, heißt es aus ihrem Ministerium. Man sei zuversichtlich, dass es bis Ende des Jahres einen entsprechenden Entscheid von Grün-Rot geben wird.