Immer mehr Städte bewerben Merhwegbecher für Kaffee und Tee. Foto: dpa

Aktionsbündnisse in ganz Deutschland bekämpfen wachsende Müllflut. Wiederverwertbare Becher sollen Abhilfe schaffen.

Tübingen - Jede Stunde landen in Deutschland rund 320 000 Kaffeebecher nach kurzem Gebrauch im Müll. Nicht nur aus Sicht von Umweltschützern ist das ein ökologisches Desaster, das vermeidbar ist. Ob beim Spaziergang, in der Mittagspause oder auf dem Weg zur Arbeit – für viele ist es praktisch, ihren Kaffee unterwegs zu trinken. Aber nach ein paar Minuten ist der Coffee to go getrunken, und dann landen die Pappbecher in der Mülltonne. Ökologisch gesehen alles andere als sinnvoll.

"Größere Ketten tun sich mit der Umstellung schwerer"

Mit einer Kampagne für den Mehrweg-Kaffeebecher will ein Aktionsbündnis in Tübingen jetzt die zunehmende Müllflut durch Coffee to go eindämmen. Bundesweit gibt es zahlreiche ähnliche Initiativen. Nicht allen schmeckt das.

"Coffee-to-go-Becher sind ein wahrer Fluch für die Umwelt", sagt Tobias Quast von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Er rechnet vor, zu welchen Abfallbergen sich die täglich in Deutschland verwendeten Pappbecher türmen: Bundesweit werden nach Schätzungen jährlich rund 2,8 Milliarden Kaffee-Einwegbecher verbraucht. Diese Becher – 40 000 Tonnen Abfall – ergäben aneinandergereiht eine Kette, die die Erde siebenmal umrundet, sagt Quast. "Damit sind sie das neue Symbol unserer Wegwerfgesellschaft."

Allein in Tübingen landen rund 2,9 Millionen Kaffee-Einwegbecher nach kurzem Gebrauch im Müll. Mit wiederverwendbaren Trinkbechern aus Recycling-Kunststoff will das Aktionsbündnis "Müllarmes Tübingen" diese Zahl ab sofort reduzieren. 13 Tübinger Geschäfte bieten ihren Kunden nun für 7,95 Euro den Mehrwegbecher als Alternative zum Pappbecher an. Wer seinen Kaffee in einen mitgebrachten Becher füllen lasse, bekomme auf jedes Getränk mindestens 20 Cent Rabatt, teilt die Stadt mit.

Die Aktion soll dazu beitragen, das Müllaufkommen in Tübingen zu verringern und Ressourcen zu sparen, sagt Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne). Rein rechnerisch verbrauche jeder Tübinger 34 Einwegbecher im Jahr, zu deren Produktion Holz, Wasser, Energie und Rohöl in großen Mengen benötigt würden. Zu dem Aktionsbündnis, das die Kampagne "tü go – besser Bechern" ins Leben gerufen hat, gehören etwa die Stadt, die Universität sowie der Handel- und Gewerbeverein in Tübingen.

Der Trend, im Alltag auf möglichst viel Müll zu verzichten, verbreitet sich deutschlandweit. "Gerade bei kleinen Cafés gibt es schon viele Vorreiter, die komplett auf Einwegbecher verzichten", sagt DUH-Experte Quast. "Größere Ketten tun sich schwerer, wir nehmen jedoch aktuell unheimlich viel Bewegung im Markt wahr." Die Tübinger wollen mit ihrer Aktion auch andere Kommunen anregen: "Das ist erst der Anfang. Es wäre schön, wenn alle Betriebe auf Mehrwegbecher umstellen, um die Müllflut zu verringern", sagt Julian Spohn vom Handels- und Gewerbeverein.

Mit der Kampagne "Becherhelden" verfolgt die DUH das gleiche Ziel wie das Tübinger Bündnis. Im ganzen Land gebe es immer mehr Hochschulen, Cafeterias, Krankenhäuser und Tankstellenketten, die auch Mehrwegbecher oder mitgebrachte Becher befüllten, sagt Quast. In München haben sich zum Beispiel viele Cafés der Initiative "Coffee to go again" angeschlossen: Mit einem Aufkleber an der Tür oder der Theke machen sie deutlich, dass sie Heißgetränke in wiederverwendbare Becher abfüllen.

Hygienische Probleme könnten zum Stolperstein werden

Doch nicht alle sind von der Mehrweg-Idee begeistert, die auch vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) und der Initiative "Carry your Cup" propagiert wird. "Die Befüllung eines selbst mitgebrachten Mehrwegbechers anstelle eines Einwegbechers kann zu hygienischen Problemen in den Betrieben führen", warnte unlängst der Deutsche Kaffeeverband. Probleme könnten etwa auftreten, wenn Kunden schmutzige Becher über die Theke reichten und diese mit der Abfüll-Vorrichtung der Kaffeemaschine in Berührung kämen.

Das für die Lebensmittelüberwachung zuständige Landratsamt Tübingen will die Aktion im Auge behalten. "Wichtig ist, dass die hygienischen Rahmenbedingungen stimmen", sagt Sprecherin Martina Guizetti. Um das zu gewährleisten, soll es auch Kontrollen geben. Beim umweltfreundlichen Coffee to go gelte es, einige Regeln einzuhalten: Wenn der Kunde seinen Becher zum Auffüllen über die Theke reiche, sollte es dafür eine Arbeitsfläche am Tresen geben. Wo der Kaffee fließe, sollten die Becher die Maschine nicht berühren, betont auch Sabine Holzäpfel von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Oder man könne den Kaffee aus einem separaten Gefäß in die Mehrwegbehälter umfüllen. Dann stünde dem umweltfreundlicheren Kaffee-Genuss nichts im Wege.