Alltagstauglich: Für den Nagolder Hajo Schörle steckt in der E-Mobilität eine Riesenchance für den Mittelstand.
Nagold - Ein E-Auto im Alltag? Wenn einer weiß, ob das wirklich funktioniert, dann Hajo Schörle aus Nagold. Im Jahr 2009 kaufte er sich – nach langer Suche – sein erstes E-Mobil: den quietsch-grünen, dreirädrigen "Sam". Den kannte damals ganz schnell jeder in der Region.
Nagold. Was man wissen muss: 2009 war die Welt noch meilenweit weg vom E-Auto-Boom heutiger Tage. Tesla? Die brauchten damals noch drei weitere Jahre (bis 2012), bis sie ihre ersten wackeligen Fahrzeuge auf den Markt bringen sollten. Hajo Schörle hatte damals den Weltmarkt für E-Autos genau im Blick – schließlich suchte er bereits seit dem Millennium nach einem solchen ökologischen Gefährt für sich.
Die Hartnäckigkeit Schörles zahlt sich aus: Gemeinsam mit seinem Sohn darf er zur Welt-Premiere des "Sam"
"Ich las damals alles, was es zu dem Thema gab." Und entdeckte dabei den schweizerischen Hersteller, der "Sam" (gesprochen: "Zäm") erst einmal als Prototyp auflegte. Es hieß, es würde an der Serienreife gearbeitet. "Und ich fragte jedes Jahr nach, ob das Serienfahrzeug denn schon fertig sei." Die Hartnäckigkeit Schörles zahlte sich aus: Gemeinsam mit seinem Sohn durfte er zur Welt-Premiere des "Sam", immerhin das erste Serien-E-Auto der Welt, auf einer Kartbahn. Und er war sofort begeistert. "Der Wagen war absolut alltagstauglich." Zumindest für Schörles Ansprüche: Die Sitzposition im Sam war hoch genug für normalen Straßenverkehr, die Reichweiten reichten für den Alltag.
Allerdings sei das Fahren mit Sam auch "echt hardcore" gewesen: Mit seinen drei Rädern neigte er in Kurven zum Driften – "Adrenalin pur". Er habe sich in dem Wagen schon wie ein Pionier oder Abenteurer gefühlt. "Die ersten Jahre hat man mich auch nicht so richtig ernst genommen", erinnert sich Schörle. Aber er habe "nie irgendeinen Ruf zu verteidigen gehabt", sondern "ich bin immer nur meinen Weg gegangen."
60.000 Kilometer ist er in sechs Jahren mit Sam gefahren
Und der gab ihm aus heutiger Sicht recht: 60.000 Kilometer ist er in sechs Jahren mit Sam gefahren; das Fahrzeug kostete mal 16.000 Euro. "Den kompletten Kaufpreis habe ich durch eingesparten Sprit wieder reingeholt." Zudem war Sam steuerbefreit, kostete nur 90 Euro Versicherung im Jahr.
Seit 2015 fährt Schörle nun aber einen Renault "Zoe", beziehungsweise "eine Zoe". "Ein richtiges Auto im Vergleich zum Sam", wie auch Schörle zugeben muss. Womit das Mehr an Komfort gemeint ist, das die Zoe im Gegensatz zum Dreirad Sam bietet. Allerdings sei auch die Zoe im Alltag eher etwas für kurze Strecken. Geht’s über Land, zum Beispiel zu den Kunden seiner Werbeagentur oder zu einer Buchmesse, wo er über seinen Verlag sprechen soll, leiht sich Hajo Schörle lieber "einen Verbrenner" – von der Ehefrau oder einer Autovermietung. "Oder ich nehm’ die Bahn."
Sein Traum für die Langstrecke aber: "Ein Auto mit Wasserstoffantrieb." Denn das wäre für ihn der ideale Mobilitäts-Mix: das E-Auto für Stadt und Beruf, der Wasserstoffantrieb für die Langstrecke. Denn ein Wasserstoffauto könne bei Bedarf in drei Minuten betankt werden, müsse nicht stundenlang an die Ladebuchse. Außerdem könne man mit Wasserstoff "die Überkapazitäten tagsüber aus der Ökostromproduktion herausnehmen" und vor allem Ökostrom transportabel machen – einfach indem man durch Elektrolyse Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufspalte. Ein perfekter Energie-Mix.
"Im Augenblick ist es ja so, dass ich mit einem Verbrennungsmotor gleichzeitig zehn Jahre Öl-Produkte kaufen muss." Zudem sei der Verbrenner nicht effizient, 90 Prozent der Energie geht als Wärme einfach verloren. Und hat einer der Öltanker einen Unfall, ist es immer gleich die ganz große Katastrophe. "Es ist einfach sehr viel vernünftiger auf E-Mobilität" und Wasserstoff "als Alternative zu setzen."
Wobei Schörle klar ist, dass das nicht sofort und im Hauruck-Verfahren für die gesamte Gesellschaft gehen kann. "Aber da, wo es bereits heute sinnvoll funktioniert, sollten die Menschen es auch umsetzen." Zum Beispiel beim Dritt- oder Viertauto in der Familie, wo man sich fürs E-Auto für die kurzen Strecken entscheidet.
"Der ›Sam‹ hat damals gezeigt, dass wirklich jeder so ein E-Auto bauen kann"
Wobei die Sache mit der E-Mobilität für den Nagolder Unternehmer Hajo Schörle noch eine ganz andere Dimension hat: "Der ›Sam‹ hat damals gezeigt, dass wirklich jeder so ein E-Auto bauen kann."
Der Wagen kam nicht von einem großen Automobil-Konzern, sondern von Elektro-Enthusiasten, die das Fahrzeug quasi in der eigenen Garage gefertigt hatten. Auch "den Sprit" fürs E-Auto könne jeder selbst produzieren, wie Schörle mit seinen Sonnenkollektoren auf dem Dach seiner Firmenhalle auf dem Nagolder Wolfsberg (natürlich waren es die ersten Kollektoren überhaupt auf einem Dach in der gesamten Region). "Strom aus Atomkraftwerken bedeuten ein Monopol für die Erzeuger."
Solarstrom und E-Mobilität dagegen sei "die Demokratisierung dieser Märkte", weil jeder als Produzent mitmischen könne. "Weg vom ›Think big‹" – hin zu den Mittelstands-Tugenden, wie sie ja gerade hier im Südwesten mit seinen Tüftlern überall gelebt würden. Hajo Schörle: "Für mich ist das wirkliche Zukunftsfähigkeit."