Delegierten-Tagungsausweise bei dem außerordentlichen Parteitag der baden-württembergischen Grünen in Stuttgart im Mai 2011 Foto: dpa

Die Grünen-Basis verlangt vor Landesparteitag am Samstag in Aalen mehr Offenheit in der Partei.

Stuttgart - Harmonisch und friedvoll soll er ablaufen, der 26.Landesparteitag der Südwest-Grünen am Samstag in Aalen. Darin sind sich die meisten Delegierten einig, und die Parteiführung hofft darauf. Doch unter der Oberfläche schwelen Konflikte, die sich zu hitzigen Debatten entwickeln könnten.

Es ist der erste Landesparteitag der Grünen in neuer Rolle. Seit der gewonnenen Landtagswahl im März sitzen sie an der Macht in Baden-Württemberg. "Meine Zwischenbilanz fällt positiv aus", sagt Chris Kühn, der Vorsitzende des Grünen-Landesverbands. So lautet die offizielle Version. Was anderes ist auch kaum zu erwarten von einer Partei, die über sich selbst urteilen soll.

Auf der Suche nach Konfliktlinien landet man jedoch schnell bei der Grünen Jugend, der Nachwuchsorganisation der Partei. Von dort kam in den vergangenen Monaten immer wieder Kritik - sowohl an den eigenen Parteikollegen als auch am Koalitionspartner SPD. Besonders Innenminister Reinhold Gall (SPD) hat sich zum Feindbild für die Grüne Jugend entwickelt. Sei es nun die Vorratsdatenspeicherung, deren Wiedereinführung er verlangt, das von ihm geforderte Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen oder seine Haltung zu den Stuttgart-21-Gegner: Gall kommt nicht gut an. "Gall hat die Demonstranten vom 30.September kriminalisiert", sagt Jessica Messinger, Landeschefin der Grünen Jugend, "dabei ging die Aggression von den Polizisten aus." Ein Kollege aus der Nachwuchsorganisation wird deutlicher: "Gall hat seine Rolle noch nicht gefunden, da läuft es in der Regierungskoalition auch noch nicht rund." In kurzen Redebeiträgen könnte dieses Thema zur Sprache kommen auf dem Landesparteitag, vermutet er. "Aber das müssen die Verantwortlichen in Vier-Augen-Gesprächen klären."

Nun könnte man die Meinung der Grünen Jugend als Minderheitenmeinung abtun. Doch nach dem Machtwechsel im Land hat die Nachwuchsorganisation an Einfluss gewonnen. Und sie strebt auch danach. Mit den beiden ehemaligen Vorsitzenden Agnieszka Malczak (26) und Oliver Hildenbrand (23) bewerben sich zum ersten Mal zwei Jungmitglieder für den Parteirat. Mehr als 850 Mitglieder sind mittlerweile in der Grünen Jugend von Baden-Württemberg organisiert. Vor vier Jahren waren es noch 400 gewesen.

Partei will einen Parlaments-TV-Kanal

Konfliktstoff bergen jedoch nicht nur einzelne Minister, zumal vom Regierungspartner SPD. Auch innerhalb der Grünen-Partei ließe sich einiges verbessern, kritisieren Mitglieder. So falle der Informationsfluss zeitweilig dürftig aus. "Von vielen Regierungsinitiativen unserer Partei habe ich erst aus der Zeitung erfahren", sagt ein Mitglied von der Parteibasis. Die Grünen-Regierungsspitze tue gut daran, ihre Entscheidungen der Parteibasis zu erklären - bevor sie an die Öffentlichkeit gehen. "Dadurch ließen sich einige potenzielle Konflikte vermeiden." Das kann auch Jessica Messinger von der Grünen-Jugend unterstreichen: "Die Kommunikationswege sind länger geworden seit der Regierungsübernahme." Diese wieder kürzer zu gestalten gehöre zu den größten Herausforderungen für die Partei in Zukunft.

Doch es geht nicht nur um das Wie lange, sondern auch um das Wie. Wie fallen Entscheidungen? Wie kommen sie zustande? "Die Argumente müssen nachvollziehbar sein", sagt ein Mitglied aus dem Grünen-Parteirat. Als Vorbild dient manchem Südwest-Grünen die Piratenpartei. Deren Fraktionssitzungen finden öffentlich statt. Eigentlich nichts Neues. In den 80er Jahren hatten die frisch gewählten Berliner Grünen öffentliche Fraktionssitzungen eingeführt. "Die Piratenpartei ist jetzt dort, wo wie vor 30 Jahren schon waren."

Auf dem Parteitag in Aalen präsentiert der Landesvorstand denn auch einen Antrag mit dem Titel "Mehr Transparenz durch Beteiligung im Internet". Dadurch sollen die Bürger nicht nur besser mitwirken können an Entscheidungsprozessen von Behörden und Ämtern. Auch die Arbeit von Partei und Fraktion soll ins Rampenlicht rücken. "Wo es möglich ist, sollen öffentliche Fraktions-, Ausschuss- und Parteisitzungen via Liveübertragung im Internet oder einem eigenen Parlaments-TV-Kanal übertragen werden", heißt es in dem Antrag.

"Fraktionssitzungen sind in der Regel nichtöffentlich", sagt ein Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag. Ob eine Partei ihre Sitzungen öffentlich abhalte, müsse sie selbst entscheiden. Bei Ausschussitzungen spreche nichts dagegen. Um 11 Uhr an diesem Samstag startet der Landesparteitag in der Aalener Stadthalle. Auch wenn bis Sonntag so manche Frage unbeantwortet bleibt, beim Thema Öffentlichkeit verhält sich der Landesvorstand ganz im Sinne seines eigenen Antrags: Der Parteitag wird via Livestream ins Internet übertragen.