Eine Schule für alle, die einzelne Stärken fördert, oder weiter am auf Leistung in allen Bereichen getrimmten Gymnasium festhalten? Darüber wird im Land weiter gestritten. Foto: dpa

Eine Schule für alle mit verschiedenen Zügen statt Gymnasium? Die Grüne Jugend verlangt der Mutterpartei mit dieser Vorstellung viel ab. Regierungschef Kretschmann jedenfalls ist dagegen – doch CDU und FDP sehen die Gelegenheit zur Attacke.

Stuttgart - Die Grüne Jugend pocht auf die langfristige Abschaffung des Gymnasiums und hat wenige Monate vor der Landtagswahl einen Bildungsstreit entfacht. Die Grünen als Mutterpartei gingen auf Distanz und erklärten, sie hielten an der Schulform fest. Der Vorstoß der Jugendorganisation sei wenig zielführend, hieß es.

CDU und FDP sehen sich angesichts der Forderung der Grünen Jugend zum Aus für das Gymnasium in ihrer Kritik an Grün-Rot bestätigt. Die Junge Union forderte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auf, für Klarheit zu sorgen.

Die Landessprecherin der Grünen Jugend, Lena Schwelling, sagte: „Wir wollen wirklich eine Schule für alle.“ Im Zwei-Säulen-Modell von Grün-Rot mit Gymnasium und Gemeinschaftsschule werde sich letztere unweigerlich zu Restschule entwickeln, wenn das Gymnasium als Konkurrenz bestehen bleibe, sagte die 23-Jährige anlässlich des Parteitages der Grünen Jugend in Stuttgart am Wochenende. Kretschmann hatte dagegen oft gesagt: „Wer sich am Gymnasium vergreift, überlebt das politisch nicht.“

Südwest-CDU sieht Gelegenheit zur Attacke

Der Landesvorsitzende der CDU Baden-Württemberg, Thomas Strobl, warf Grün-Rot ein falsches Spiel in der Bildungspolitik vor der Wahl vor. „Die grün-rote Bildungspolitik zielt darauf, das Gymnasium zu schleifen. Die Grüne Jugend spricht nur aus, was das wirkliche Ziel der grünen Bildungsideologen ist (...)“, sagte Strobl. FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke kritisierte, die Beteuerungen von Kretschmann, er strebe ein Zwei-Säulen-System aus Gymnasium und Gemeinschaftsschule an, diene nur der Besänftigung der Bürger vor der Landtagswahl 2016.

Der Vorsitzende der Jungen Union in Baden-Württemberg, Nikolas Löbel, forderte Kretschmann auf, die Haltung der Grünen klarzustellen. „Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann muss umgehend für Klarheit sorgen, ob die Grünen tatsächlich das Gymnasium abschaffen werden, denn die Menschen haben ein Recht auf die Wahrheit vor dem Wahltag.“ Löbel sprach von grüner Kuschelpädagogik. „Wenn die Grünen tatsächlich das Gymnasium und das Sitzenbleiben abschaffen wollen, dann werden wir die Landtagswahl über eine Volksabstimmung über die Zukunft des Gymnasiums machen. Und wir werden diese Wahl gewinnen.“

Grüne Partei hält an Gymnasium fest

Die Grünen-Landesvorsitzende Thekla Walker betonte, die Grünen wollten das Gymnasium nicht abschaffen. Für die Grünen stehe fest, „dass wir in der Bildungspolitik Kurs halten - und dazu gehört ein starkes Gymnasium“. Die bildungspolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, Sandra Boser, sagte: „Was die Grüne Jugend will, ist nicht unser Ziel.“ SPD-Landtagsfraktionschef Claus Schmiedel sagte: „Wenn die Grüne Jugend das Gymnasium schleifen will, muss sie sich einen anderen Koalitionspartner suchen. Mit der SPD ist das nicht zu machen.“ Die Schulpolitik spielt mit Blick auf die Landtagswahl im März 2016 eine zentrale Rolle in der Auseinandersetzung der Parteien.

Schon vor einem halben Jahr hatte die Grüne Jugend den Beschluss zur Abschaffung des Gymnasiums getroffen. Er soll als Änderungsantrag zum Wahlprogramm beim Grünen-Parteitag am 12. und 13. Dezember in Reutlingen eingebracht werden.

Überdies soll nach Meinung der Grünen Jugend eine Kindergartenpflicht für Kinder ab drei Jahren eingeführt werden. Dies lehnte die Grünen-Landessprecherin Walker ebenfalls ab.

Auch bei der Asylpolitik ist die Jugendorganisation nicht auf einer Linie mit der Mutterpartei. Nach Schwellings Ansicht ist die rote Linie bei der auch von den baden-württembergischen Grünen mitgetragenen Anerkennung sicherer Herkunftsländer überschritten. Dem von Innenminister Reinhold Gall (SPD) angekündigten verschärften Kurs bei den Abschiebungen hatte die Grüne Jugend kürzlich ebenfalls eine Absage erteilt.