Mit Tasche, Jacke und Helm für einen langen Schultag gerüstet: Mehr Kinder als erwartet werden nach den Sommerferien auch den Nachmittag an den Schulen verbringen. Foto: dpa

Allen kontroversen Diskussionen zum Trotz ist das Interesse an Ganztagsschulen groß. Dies zeigt ein Rundruf an den staatlichen Grundschulen, die Ganztagsklassen anbieten. Ändern wird sich auch die Situation weiterführender Schulen: Die Zahl der Anmeldungen an Werkrealschulen brach erneut ein.

Stuttgart - Für rund 4200 Sechsjährige beginnt in diesem Herbst die Schulzeit – für viele von ihnen in einer Ganztagsklasse. „Wir wollen den Eltern zwar die Möglichkeit erhalten, ihr Kind für die Halbtagsschule anzumelden, aber offenbar hat sich dieses Modell überholt“, sagt Sibylle Ermel, die Rektorin der Wilhelmsschule in Untertürkheim. Zwischen 70 und 80 Erstklässler werden dort im Herbst ihre Schullaufbahn beginnen, doch Sibylle Ermel ist sich sicher: „Wir werden bestimmt zwei Ganztagszüge brauchen.“

Das entspricht nicht unbedingt den Erwartungen, nachdem sich im Sommer und Herbst vergangenen Jahres etliche Eltern gegen die Ganztagsschul-Pläne der Schulverwaltung gewandt hatten. „Offensichtlich haben viele Eltern gemerkt, welche Unterstützung die Kinder bei uns in der Ganztagsklasse bekommen“, sagt die Untertürkheimer Rektorin. Selbst Eltern aus anderen Schulbezirken bäten um Aufnahme ihrer Kinder.

Ähnliche Erfahrungen macht Matthias Boley von der Eichendorffschule in Bad Cannstatt. Zwei erste Klassen starten dort im Herbst mit Ganztagskonzept, zwei als Halbtagsklassen. „Es gibt aber einige Umschulungswünsche aus Bezirken, wo kein Ganztagsbetrieb angeboten wird“, sagt der Rektor.

Emotionale Diskussionen geführt

An der Steinenbergschule in Hedelfingen ging der Umbau in einen vollständigen Ganztagsbetrieb schneller als geplant vonstatten. „Nachdem wir in den ersten beiden Klassen das Angebot gemacht hatten, kam von den Eltern die Anfrage, ob auch die Klassen 3 als Ganztagsklassen geführt werden könnten“, sagt Rektor Detlef Storm. Man habe daraufhin eine breite Diskussion geführt, „teilweise sehr emotional“, doch die Zahl der Umschulungsanträge auf Halbtagsschulen sei sehr klein geblieben.

An der Rosensteinschule sind bis jetzt 38 Kinder angemeldet, „der größere Teil will in die Ganztagsklasse“, sagt Rektorin Ingrid Macher; an der Lerchenrainschule im Stuttgarter Süden „melden sich jedes Jahr mehr an“, so Dorothea Grübel. Die Rektorin könnte im kommenden Schuljahr zwei Ganztagsklassen gebrauchen.

Nicht immer, glaubt die CDU-Stadträtin Iris Ripsam, melden sich die Eltern aus Überzeugung auf einer Ganztagsschule an. „Es gibt meiner Erfahrung nach auch Leute, die eine Betreuungslücke fürchten und sicherheitshalber die Ganztagszüge wählen.“

Bianca Krämer-Martin, die Rektorin der Raitelsbergschule, beobachtet anderes: „Wir haben dieses Jahr mehr Umschulungen als in den Jahren zuvor. Als Gründe geben die Eltern an, dass sie die langen Unterrichtszeiten nicht wollen.“ Im Raitelsberg begann man schon im vergangenen Herbst mit der Ganztagsschule in der ersten und zweiten Klasse. Die Vermutung, dass Eltern den Ganztagsbetrieb nur als willkommenen Grund angeben, weil sie für ihr Kind eine andere Schule bevorzugen, ist nicht ganz von der Hand zu weisen.

Schülerrückgang an Werkrealschulen schneller als erwartet

„Etwa zehn Prozent der Eltern stellen Umschulungsanträge, und nicht alle Schuleignungsprüfungen sind abschließend beschieden“, sagt Ulrike Brittinger. Die Leiterin des Staatlichen Schulamts will deshalb noch keine Anmeldungszahlen nennen, nur so viel: „Entgegen des Landestrends haben wir stabile Erstklässlerzahlen in Stuttgart.“

Prognosezahlen gibt es inzwischen zu den Anmeldungen an Werkrealschulen und Realschulen. Von den 3935 Schülern aus den vierten Klassen haben sich laut Staatlichem Schulamt bis Ende März 1046 (26,6 Prozent) an einer Realschule angemeldet (im Vorjahr 28,1 Prozent), nur 278 (7,1 Prozent) wollen auf eine Werkrealschule (im Vorjahr 12,3 Prozent). Der Großteil der Kinder, mehr als 65 Prozent, ist demnach auf dem Weg zum Gymnasium. Das Kultusministerium gibt die Zahlen an diesem Mittwoch bekannt.

Für die Werkrealschulen kommt der Schülerrückgang schneller als erwartet. Bei der Schulentwicklungsplanung war man von Anmeldezahlen im Bereich des Vorjahres ausgegangen; damals wurden 490 Schüler an Werkrealschulen aufgenommen. Wie SPD-Stadträtin Marita Gröger vermutet, wird dies auf lange Sicht zu weiteren Schulschließungen führen.

Mit Spannung erwarteten die Schulpolitiker die Anmeldezahlen an der Elise-von- König-Schule in Münster. Sie ist von Herbst an Gemeinschaftsschule, eine neue Schulform, an der Kinder schulartübergreifend unterrichtet werden und die mit dem Abitur abgeschlossen werden kann. 42 Schüler wurden dort angemeldet. Die Grünen in der Landesregierung hatten sich für diese Schulform starkgemacht. Jetzt sagt Stadtrat Vittorio Lazaridis: „Das sind weniger Anmeldungen, als ich mir für Stuttgart erhofft habe.“