Narrenvogt Manfred Ostertag (links) und der Vorsitzende des Kulturvereins, Hubert Riester (rechts), freuen sich mit Werner Mezger (Mitte) über seine Ernennung zum Ehrenmitglied des Kulturvereins. Foto: Kauffmann Foto: Schwarzwälder Bote

Narrengericht: Bekannter Fasnetsexperte bietet eine Partnerschaft mit der Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte an

Werner Mezger, der Fasnetexperte schlechthin, hat einen Vortrag über die Einzigartigkeit des Narrengerichts gehalten. Viel Applaus hat er dafür bekommen. Für seine Verdienste um den Eintrag in die Liste der Unesco wurde er zum ersten Ehrenmitglied des Kulturvereins ernannt.

Grosselfingen. "Das Grosselfinger Narrengericht hat die längste ungebrochene Fasnetstradition. Da kommt Rottweil nicht mit. Da kommt Köln nicht mit" – so stellt es Werner Mezger gleich zu Beginn seines Vortrags klar. Gut 100 Interessierte sind gekommen, um ihm im Feuerwehrhaus zuzuhören.

Und er berichtet nicht nur von seinen Forschungen über das Narrengericht. Er hatte noch ein ganz anderes Angebot in petto: nämlich die Partnerschaft mit der Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte, bei dem der Fasnetexperte im Präsidium engagiert ist.

Mit dem Beamer wirft er den Schriftzug an die Wand: "Die Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte und das Museum Narrenschopf in Bad Dürrheim würden sich über eine Partnerschaft mit dem Ehrsamen Narrengericht von Grosselfingen sehr freuen." Wie Mezger erklärt, gehe es dabei um die gemeinschaftliche Interessenvertretung gegenüber Politik und Behörden.

Die Fasnet erlebe "ungünstige Zeiten", führt er aus. Die Sicherheitsvorkehrungen für Veranstaltungen würden immer schärfer, die Hürden immer höher und auch die Forderungen der Europäischen Union sinken nicht. Ziel dieser Partnerschaft sei, das Kulturgut Fasnet – auch in Grosselfingen – in der althergebrachten Form zu erhalten. Es gehe dabei nicht um die Einverleibung des Narrengerichts in die große Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte, im Gegenteil: Kulturverein und Bruderschaft sollen weiterhin vollkommen eigenständig bleiben. Mezger: "Es geht darum, so organisiert zu sein, dass man mit einer Stimme spricht." Der Narrenvogt Manfred Ostertag findet: "Die Argumente sind nicht von der Hand zu weisen." Auf Nachfrage sagt er: "Ich könnte mir eine Partnerschaft vorstellen." Aber das Thema müsse nun in beiden Vereinen besprochen werden.

Wie während des Abends deutlich geworden ist, hätte eine Partnerschaft noch einen ganz anderen Vorteil: Das Narrengericht ist die einzige einzelne Fasnetveranstaltung, die es in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Unesco in Deutschland geschafft hat. Daneben stehen der Rheinische Karneval und die schwäbisch-alemannische Fasnet. Diese beiden Vereinigungen machen bereits gemeinsame Sache, wenn es darum geht, auf die Welterbe-Liste zu gelangen – bislang sind sie bei der Unesco, genau wie das Narrengericht, ›nur‹ Kulturerbe, aber nicht Weltkulturerbe. "Wie wäre es, wenn sich das Narrengericht diesem Zweier-Gremium anschließt?" Schließlich sei es ja schade, wenn die Grosselfinger auf der Strecke blieben. Mezgers Befürchtung: Wenn nur ein Teil des Brauchtums auf die Welterbeliste kommt, könnten die anderen hinten runter fallen – auch wenn sie es genauso verdient hätten.

Und das Grosselfinger Narrengericht sei geradezu prädestiniert, auf der Welterbeliste zu stehen. "Keine andere deutsche Fasnet hat so viele historische Belege", erklärt Mezger. Auch den Vergleich mit anderen Narrengerichten müssten die Grosselfinger demnach nicht scheuen. Mezger: "Das Narrengericht in Stockach kann sich, was das Alter anbelangt, nicht mit Grosselfingen vergleichen." Wer nicht medienwirksam ist, werde dort, im Gegensatz zu den Gepflogenheiten im Venezianischen Reich, nicht vor Gericht gestellt.

Weil diese Form der Fasnet derart einzigartig ist, soll sie im Museum Narrenschopf in Bad Dürrheim visuell dargestellt werden. Mit besonderen Brillen könnten Besucher dann einen 360-Grad-Blick einer Gerichtsverhandlung im Schulhaus oder einer Szene des Umzugs erleben. Der Grund für den Aufwand? Die Statuten des Narrengerichts schreiben vor, dass keine Uniform und keine Gegenstände, die zum Spiel gehören, den Ort verlassen dürfen.

Zum Abschluss seines Vortrags erhielt Mezger viel Applaus der Besucher. Schließlich war ja auch er es, der maßgebend dazu beigetragen hat, dass das Narrengericht immaterielles Kulturerbe der Unesco geworden ist. Aufgrund seiner Verdienste um das Narrengericht erhielt er eine Urkunde, die ihm die Ehrenmitgliedschaft im Kulturverein bescheinigt. Ihm zu Ehren erklang das Bruderschaftslied – ein wahrhaftig würdevoller Ausklang dieses Vortragsabends.

Werner Mezger studierte an der Universität Tübingen Germanistik, Geschichte und Empirische Kulturwissenschaft/ Volkskunde. Nach Staatsexamen und Promotion 1975 ging er in den gymnasialen Schuldienst. Er unterrichtete unter anderem am Gymnasium in Hechingen. 1989 wurde er mit einer Arbeit über "Narrenidee und Fastnachtsbrauch" für das Fach Volkskunde habilitiert. Seit 1996 ist er an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Professor für Volkskunde, heute Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie, und zusätzlich Leiter des Freiburger Instituts für Volkskunde der Deutschen des östlichen Europa.