Anerkanntes Kulturerbe: Die Landesregierung hat die Bruderschaft des Ehrsamen Narrengerichts in Grosselfingen für die weltweite UNESCO-Liste nominiert. Das Bild entstand bei der Aufführung im Jahr 2011. Foto: Archiv

Stuttgarter Ministerium nominiert die Bruderschaft in Grosselfingen für die weltweite UNESCO-Liste.

Grosselfingen - Jetzt steht’s fest: Das Ehrsame Narrengericht in Grosselfingen ist "immaterielles Kulturerbe" von Baden-Württemberg. Das Land will die Bruderschaft in Grosselfingen zum UNESCO-Weltkulturerbe erheben.Der Bescheid aus dem Stuttgarter Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst ist am Wochenende eingegangen, bestätigt Narrenvogt Manfred Ostertag auf Nachfrage. Das Ministerium habe über den Grosselfinger Antrag eine "positive Entscheidung getroffen", steht in dem Schreiben lapidar. Das heißt: Landesweit hat sich Grosselfingen qualifiziert, jetzt geht die Sache an die gesamtdeutsche Kultusministerkonferenz. Zum Jahresende lockt die Anerkennung durch die UNESCO.

"Das hat mich gefreut", beschreibt Manfred Ostertag zurückhaltend seine Reaktion auf den Brief aus Stuttgart, "schee, dass es so ist", strahlen Martin und Simon Beck. Die drei sind im Vorstand der Bruderschaft des Ehrsamen Narrengerichts die treibenden Kräfte des Antrags.

In das weltweite Casting um die Anerkennung als "immaterielles Kulturerbe" steigt Deutschland ganz neu ein. Ende des Jahres sollen die Vorschläge an die UNESCO weitergeleitet werden. Die vergibt dann die Krone. Die Aufnahme in das "nationale Verzeichnis" hat das Narrengericht Grosselfingen mit der Nominierung durch das Wissenschaftsministerium so gut wie sicher. Der Stuttgarter Vorschlag geht jetzt an die Expertenkommission der Deutschen UNESCO-Kommission und wird danach von der Kultusministerkonferenz verabschiedet. Jedes Bundesland darf zwei Vorschläge unterbreiten, ganz Deutschland 32 Gruppen oder Gemeinschaften nennen.

Durchgesetzt haben sich die Grosselfinger Brüder in Baden-Württemberg unter insgesamt zehn Bewerbern. Bundesweit steht ihr Narrenspiel jetzt auf gleicher Stufe mit dem Skatspiel, das Thüringen anerkannt haben will, den Passionsspielen in Oberammergau, die Bayern ins Rennen schickt, und dem Rattenfänger von Hameln, den Niedersachsen geehrt wissen will.

Hauptkriterien für die Anerkennung waren vier Bedingungen: das hinreichend belegte Alter der Gemeinschaft und die entsprechende Tradition als kulturelles Erbe, die herausragende kulturelle oder kulturgeschichtliche Bedeutung, das ehrenamtlich und ohne jede Gewinnerzielungsabsicht erbrachte Engagement der Funktionsträger sowie die regionaltypische und identitätsstiftende Wirkung.

Die vielleicht schwerste Bedingung, das Alter, ist beim Grosselfinger Narrengericht kein Problem. Das ganztägige Narrenspiel geht wahrscheinlich auf die Bubenhofen-Zeit im 15. und 16. Jahrhundert zurück und lässt sich urkundlich seit 1605 belegen. Die kulturelle Bedeutung und die identitätsstiftende Wirkung des Narrengerichts stehen über jedem Zweifel, auch die ausschließlich ehrenamtliche Tollerei der Brüder und Chargen dürfte unbestritten sein. Nur: Eingereicht werden musste alles form- und fristgerecht und in mehrfacher Ausfertigung.

"Das war viel Arbeit", beschreiben Ostertag und die Beck-Brüder das Antragsverfahren. Heute sind sie froh, diese Mühen auf sich genommen zu haben. Die Anerkennung als immaterielles deutsches Kulturerbe und als UNESCO-Weltkulturerbe wäre "erstklassige Werbung" für Grosselfingen. "Dann hat man mehr Chancen, dass das überlebt", sagen sie. Die nächsten 500 Jahre warten.