Mit neuer Kraft in alter Pracht: im Venezianischen Reich wird Klartext gesprochen und gesungen. Foto: Hopp Foto: Schwarzwälder-Bote

Die Bruderschaft des Ehrsamen Narrengerichts ahndet kleine Schwächen und große Schnitzer

Von Volker Rath

Grosselfingen. Kleine menschliche Verfehlungen, große Vorwürfe, milde Strafen: Die Bruderschaft des Ehrsamen Narrengerichts zu Grosselfingen hat den kleinen und großen Würdenträgern der Region wieder kräftig was ins Stammbuch geschrieben.

Mit Landrat Günther-Marin Pauli war die Bruderschaft schnell fertig. Er werde für allerlei Positionen in der Politik gehandelt, in Grosselfingen frage man sich hingegen: Wofür ist er überhaupt zu gebrauchen? Besser kamen die Damen der Politik davon. Vor der Redegewandtheit und Hartnäckigkeit der Umweltministerin Tanja Gönner verneigten sich die Narren, allerdings dichteten sie ihr "ein Verhältnis mit Bahnchef Grube" an, schlimmer noch: Sie sei von ihm schwanger. Gönner rollte mit den Augen und winkte mit erhobenem Zeigefinger ab. Stuttgart 21 lieferte dem Magistrat aber weitere Munition. Hier würden Milliarden im Boden versenkt mit dem Ergebnis, dass man von Stuttgart schneller nach Bratislava als nach Grosselfingen komme. Andererseits dürfe man die positiven Seiten nicht verkennen. So kämen Reisende von Paris nach Bratislava, ohne Stuttgart sehen zu müssen. Die Bitte Gönners, dem Projekt noch zehn Jahre Zeit zu geben, konterte das Gericht fröhlich aus: "Denkt Ihre Partei wirklich noch so weit voraus?"

Die Parlamentarische Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz wurde wegen der Gesundheitspolitik angeklagt. Ihr Versuch, den Magistrat mit Schnaps zu besänftigen, wurde als "grobgünstig" zurückgewiesen. So leicht kauft man das Narrengericht nicht. Aber die Wegräumer und Hanswurste waren offen für das Angebot.

Auch Ortsprominenz musste sich den Narren stellen: Der Pfarrer für den verlegten Kirchenschlüssel und die Tatsache, dass er sich zum Sonntagmorgengottesdienst in einer anderen Kirche einfand als die Gemeinde, die Lehrerinnen der "Hainburg-Universität" dafür, dass sie Schüler nach Bisingen abgeben und eine "Diktatur der Weiber" einrichten wollten.

Überhaupt Bisingen: Bäckermeister Alfred Schweitzer hatte Glück, er wurde dann doch nicht mit seinen Brötchen gesteinigt. Bürgermeister Joachim Krüger musste sich anhören, dass er "immer mehr" wird und dass das Problem mit dem Mauteareal eigentlich einfach zu lösen sei: Wenn er und sein Grosselfinger Amtskollege Möller sich dagegen lehnen würden, wäre der Abriss vollzogen. Bisinger Zaungäste gaben gleich was zurück: Den Maute können man schnell abreisen, die Grosselfinger Solaranlage stehe aber noch lange. Das "Verhältnis" des Grosselfinger Bürgermeisters Franz Josef Möller mit einer Hamburgerin posaunten die Geigerle ebenso hinaus wie die Magistratsherren die "Formel 1- und Raumfahrtspläne" von Adolf Karsch. Über intimere Details breiteten die Narren den gnädigen Mantel des Schweigens. Überhaupt Gnade: Die Höchststrafe, zwei Mal das halbe Leben, wurde nicht verhängt. Am Ende kamen alle mit "500 Gulden pro Kopf und Leben" davon.

u  Eine weitere Aufführung des Narrengerichts ist am Donnerstag, 3. März.